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Open Air im HarzFestival "Theaternatur" startet auf der Waldbühne Benneckenstein

05. August 2022, 14:08 Uhr

Noch vor wenigen Jahren sollte die Waldbühne von Benneckenstein im Oberharz abgerissen werden. Ein paar Künstler und Anwohner gründeten kurzerhand einen Verein und veranstalten seither jedes Jahr ein Theaterfestival. Inzwischen findet es zum achten Mal statt. Die Spielstätte ist gerettet.

  • 2013 wurde die Waldbühne Benneckenstein kaum noch genutzt und stand vor dem Abriss. Enthusiasten haben sie wiederbelebt.
  • Inzwischen veranstaltet der Verein Kulturrevier Harz zum achten Mal das Festival "Theaternatur". Hilfe bekommen sie von den Akteure vor Ort.
  • Auf dem Festivalprogramm stehen in diesem Jahr 34 Veranstaltungen.

Die Hölle ist eine Zuckertorte, eine riesige, dreieinhalb Meter hohe rot-schwarze Torte mit weißen Sahneklecksen und einer großen Kirsche obenauf – jedenfalls auf der Waldbühne von Benneckenstein im Landkreis Harz. Sie ist das Bühnenbild für die Akteure in Jean-Paul Sartres Stück "Geschlossene Gesellschaft". Es bildet den Auftakt für die diesjährige Ausgabe des Festivals "Theaternatur" am Freitag, den 5. August. Zum achten Mal findet das Festival inzwischen schon statt.

Alles begann im Jahr 2013. Damals drohte der 1950 errichteten Waldbühne von Benneckenstein der Abriss. Die Bühne wurde damals kaum noch genutzt und war stark reparaturbedürftig. Janek Liebetruth, in Benneckenstein aufgewachsener Theaterregisseur, wollte das damals nicht hinnehmen. Seine Idee: Mit modernem Theater die Waldbühne retten. Ende Januar 2014 stellte der damals 33-Jährige den frisch gegründeten Verein "Kulturrevier Harz" und sein Konzept eines Theaterfestivals vor.

Erstes Theatersommerfest startete 2014

Über 400 Plätze bot die Bühne im Wald. Der Verein wollte hier im Sommer modernes Theater aufführen und damit Bühne und Region bekannter und attraktiver machen. Janek Liebetruth gewann über 20 Mitstreiter, die einen Nutzungsvertrag unterschrieben und am 23. August 2014 das erste Theatersommerfest auf der Waldbühne veranstalteten – mit hochkarätigen Künstlern, die sich auch von Kälte und Regenschauern nicht beirren ließen.

Das beeindruckte, und ein Jahr darauf gab es eine Fortsetzung, nun schon zehn Tage lang. Das eigentlich erste wirkliche Festival Theaternatur. Unvergessen die damalige Aufführung von Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame": Im Roman reist die alte Dame im eigenen Zug an. In Benneckenstein stieg sie aus einem Schützenpanzer, zur Verfügung gestellt und gesteuert vom Betreiber des ortsansässigen Technikmuseums.

Akteure vor Ort mit einbinden, sei ein wichtiges Anliegen, sagt Volker Herholt, heutiger Vorstandsvorsitzender des Vereins Kulturrevier Harz. Vor jedem Festival müsse erst einmal alles wiederaufgebaut werden, sagt er. Dabei helfe dann die Feuerwehr tatkräftig mit. Auch andere würden helfen – bei Montagearbeiten, bei der Einlasskontrolle, Aufsicht oder beim Ausschank.

Wir haben etwa 40 Vereinsmitglieder. Derzeit sind hier aber rund 80 Personen im Einsatz.

Volker Herholt | Vorsitzender Kulturrevier Harz

Corona mit seinen Einschränkungen habe sich im Nachhinein als Glücksfall erwiesen, sagt Herholt. Es seien plötzlich Fördermittel freigeworden. Davon habe der Verein profitiert. Das Gelände konnte so aufgewertet werden. Container wurden aufgestellt für Gastronomie, Toiletten, Einlass und Technik. Nun könne die Waldbühne professionell mit nur noch wenigen Kompromissen bespielt werden, so der Vereinsvorsitzende.

Theaternatur will Zugang zu zeitgemäßer Theaterkunst erleichtern

Das Festival Theaternatur soll den Harz als Kulturstandort stärken und innovative, kraftvolle Impulse für die lokale Theaterlandschaft setzen und gleichzeitig die traditionsreiche Waldbühne Benneckenstein aus dem langem Dornröschenschlaf erwecken. Ziel des verantwortlichen Vereins ist es zudem, der Harzer Bevölkerung den Zugang zu zeitgemäßer Theaterkunst zu erleichtern und neues Interesse an Theater wecken. In Benneckenstein hat man damit offene Türen eingerannt. Bürgermeister Kay Rogge, selbst Fan des Festivals, freut sich, dass die Bühne zu neuem Leben erweckt wurde.

Das scheint allerdings alles andere als leicht zu sein. Zwar würden auch Menschen, die sonst nicht ins Theater gehen, wegen der besonderen Atmosphäre schnell zu Stammgästen, doch der erste Schritt sei sehr schwer, so Volker Herholt. Dem begegnen die Veranstalter in diesem Jahr mit einem speziellen Angebot: Ein ganzer Tag voller kostenloser Theaterangebote. Unter dem Motto "Wald|Luft|Spektakel" ist am Sonntag, 14. August, das Bühnengelände von 10 Uhr bis zum späten Abend bei freiem Eintritt geöffnet. Ein Stück nach dem anderen wird gespielt, danach gibt es Karaoke und gemütliches Beisammensein – eine Einladung an den Harz und seine Gäste.

Wechselwirkung zwischen Corona und Gesellschaft im Fokus

Das diesjährige Festival Theaternatur trägt den Titel "[BE]RÜHRT EUCH!". Es will im dritten Jahr der Pandemie die Frage stellen, was uns berührt, wenn man sich nicht berühren kann. Welche Freiheiten vermochte das vorwiegend digitale Miteinander zu schaffen, welche Grenzen haben sich manifestiert? Das Festival wolle die gesellschaftlichen Distanzen "haptischer, emotionaler wie auch intellektueller Natur ausloten", heißt es beim Veranstalter.

34 Veranstaltungen stehen vom 5. bis zum 21. August im Programmplan. Zwei Eigenproduktionen werden gezeigt, einmal das anfangs erwähnte Stück von Jean-Paul Sartre sowie eine Tanztheater-Aufführung. Das Besondere hier: Sie findet an der nur 200 Meter von der Waldbühne entfernten Skischanze des Ortes statt. Hinzu kommen zahlreiche Gastspiele, zum Beispiel "Die kleine Meerjungfrau" der Theatermanufaktur Dresden. Konzerte und Lesungen stehen auf dem Programm, aber auch zwei Kurzfilmnächte.

Und es gibt ein Festivalradio. "Radio|Funkalow" will live rund um die Uhr unterhalten und informieren. Die Macher sehen ihre Welle aber auch als Bühne für Radiokunst.  So sind auch Audiostücke und Hörspiele geplant. Das Festivalradio sei eine Erweiterung des Festivals, sagt Radiomacherin Sophia Scherer. 

Das Premierenstück endet für die Akteure auf der Bühne übrigens in einem seelischen Desaster. Von der Waldbühne kann man das nicht sagen. Im Gegenteil: Von Abriss redet heute niemand mehr.

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MDR (Carsten Reuß, Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 05. August 2022 | 19:00 Uhr

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