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Die Bewerberlage im Justizbereich in Sachsen-Anhalt ist rückläufig. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt

Zwischen Personalmangel und EinstellungsoffensiveSo steht es um das Personal im Justizvollzug in Sachsen-Anhaltvon Sarah-Maria Köpf, MDR SACHSEN-ANHALT

31. Januar 2024, 11:56 Uhr

Das Justizministerium sucht neue Mitarbeitende für den Justizvollzugsdienst. Zwar wurden im Jahr 2023 viele Stellen neu besetzt, doch der bevorstehende Generationswechsel macht Sorge. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten kritisiert schon jetzt hohe Arbeitsbelastungen und fehlendes Personal. Arbeiten im Gefängnis sei aktuell nicht attraktiv genug.

Das Land Sachsen-Anhalt will für die Besetzung offener Stellen in der Justiz noch zielgerichteter auf junge Menschen zugehen. "Es läuft eine priorisierte Einstellungsoffensive für alle Bereiche der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt, um den anstehenden Generationenwechsel bewältigen zu können", sagte Ministeriumssprecher Danilo Weiser MDR SACHSEN-ANHALT.

2023 konnten in der Justiz in Sachsen-Anhalt 246 Stellen neu besetzt werden – davon 110 Ausbildungsplätze. Das sei ein Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren, hieß es zuletzt aus dem Justizministerium. Im Justizvollzug gab es demnach 48 Neu- und 30 Anwärtereinstellungen. Zudem habe man zahlreiche Auszubildende in das Beamtenverhältnis auf Probe übernehmen können, so Weiser. Dadurch sei der Altersdurchschnitt im Justizvollzug zwar abgesenkt worden, aber noch längst nicht gleichmäßig verteilt.

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Weniger Bewerbungen für Jobs in der Justiz

Die Zahl der Bewerber gehe aber sowohl bei den Ausbildungsberufen als auch bei den sonstigen Bedarfen zurück. Trotzdem seien die Stellen in der Justiz zu 98 Prozent besetzt. Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) erklärte: "Es ist nur eine Momentaufnahme. Wir müssen unvermindert weiterarbeiten, damit wir unsere Ziele bei der Personal-Gewinnung erreichen." Ein erhöhter Krankenstand belaste den Justizvollzug in Sachsen-Anhalt im Moment. Der Betrieb sei aber vollständig gewährleistet, erklärt Danilo Weiser.

Neben den klassischen Justizberufen wie Richter, Gerichtsvollzieher oder Justizhelfer, werden auch Fachdienste wie Ärzte, Sozialarbeiter sowie Köche, Handwerksmeister und Ergotherapeuten benötigt. In der gesamten Justiz des Landes Sachsen-Anhalt sind derzeit rund 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. 1.050 von ihnen arbeiten im Justizvollzug, etwa zwei Drittel im uniformierten Allgemeinen Justizvollzugsdienst.

Gewerkschaft kritisiert Personalmangel und hohe Arbeitsbelastung

Der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) kritisiert schon seit geraumer Zeit die personelle Lage im Justizvollzug. Es gebe zu wenig Bestandspersonal und nur eine geringe Anzahl an geeigneten Bewerbern, sagt René Müller, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft. "Die Arbeitsbedingungen sind schlecht. Personal fehlt an allen Ecken und Enden." Die Länder würden nur halbherzig gegensteuern, die Maßnahmen zur Personalgewinnung nicht ausreichen, kritisiert Müller.

Der Kollege im Raum neben mir ist meine Lebensversicherung.

René Müller | Vorsitzender des Bunds der Strafvollzugsbediensteten

Der immer rauer werdende Umgangston in der Gesellschaft, ein hoher Anteil an Migranten und Gefangene mit psychischen Auffälligkeiten würden den Alltag für Justizvollzugsbeamte erschweren. Neue zusätzliche Aufgaben wie die Unterbringung von Gefangenen mit hohem Sicherheitsrisiko, etwa bei Gefährdern oder IS-Rückkehrern, berge zudem einen hohen logistischen Aufwand, der von Bund und Ländern unterschätzt werde.

Fehlendes Personal kann zum Sicherheitsrisiko werden

Die Gewerkschaft fordert außerdem, Sicherheitsausrüstung und Überwachungstechnik zu verbessern und die Wehrhaftigkeit kontinuierlicher zu schulen, um die Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten (JVAs) zu gewährleisten. Häufig fehle dafür jedoch ebenfalls Personal, was am Ende zu Sicherheitsrisiken führen könne. "Der Kollege im Raum neben mir ist meine Lebensversicherung", so Müller. Wenn der jedoch aufgrund von Personalmangel fehle, sei das ein großes Problem.

Auch im Fall der Geiselnahme durch den Halle-Attentäter in der JVA Burg wurde die Personalsituation als möglicher Faktor für das Zustandekommen der Tat diskutiert. Kriminologe Marcel Schöne stellt im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT zudem infrage, ob die Zelle von Stephan B. regelmäßig durchsucht worden sei und attestiert ein Fehlverhalten. Sicherheitslücken in Gefängnissen seien sowohl technischer als auch menschlicher Natur. Wie es wirklich zu dem Vorfall in der JVA Burg kommen konnte, wird nun in einem Gerichtsprozess ab Donnerstag aufgearbeitet.

Im Interview hören Sie den Kriminologen Marcel Schöne zur Sicherheit in deutschen Gefängnissen.

Private Partner sollen Justizpersonal in JVA Burg entlasten

Um das justizeigene Personal zu entlasten, werde in der Justizvollzugsanstalt Burg bereits mit privaten Partnern gearbeitet, heißt es seitens des Ministeriums. Das betreffe vor allem Sicherheits- und Verwaltungshilfsdienste sowie die Sozial- und Gesundheitsfürsorge. Originär hoheitliche Aufgaben würden aber ausschließlich von staatlichen Bediensteten wahrgenommen, die in allen Bereichen des Justizvollzugs die Gesamtverantwortung tragen, erklärt Sprecher Danilo Weiser. In der Regel seien zum Justizpersonal in der JVA Burg etwa 60 bis 70 weitere Mitarbeiter des privaten Partners tätig.

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Damit mehr neue Menschen für den Justizvollzug gewonnen werden können, fordert der BSBD, die Einkommensbedingungen zu verbessern. Nur so könne der Beruf attraktiver für neue Bewerber gemacht und das Bestandspersonal gehalten werden, meint René Müller. Erst dann könnten auch die Arbeitsbedingungen verbessert werden, denn die psychische und physische Belastung im Dienst sei hoch.

"Justizvollzugsbeamte müssen sich jeden Tag aufs Neue beweisen", so Müller. Im Idealfall müssten die Urlaubszeiten erhöht werden, um für die Mitarbeitenden mehr Entlastungstage zu schaffen. Doch das und eine Arbeitszeitverkürzung würden nichts bringen, solange kein Personal da ist, attestiert er.

Mehr zum Thema: Personal und Sicherheit im Justizvollzug

MDR (Sarah-Maria Köpf) | Erstmals veröffentlicht am 24.01.2024

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 24. Januar 2024 | 12:00 Uhr

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