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Drogen im AlltagKokain-Abhängiger erzählt: "Droge, die sich relativ gut in einen Arbeitsalltag integrieren lässt"

10. Juli 2023, 11:31 Uhr

In Magdeburg hat Michael U.* zum ersten Mal mit Freunden Kokain genommen. Wie offenbar viele andere: Daten aus Abwasserproben zeigen, dass in Magdeburg im Vergleich etwa zu Dresden oder Erfurt vergleichsweise viel Kokain genommen wird. U. bezeichnet sich mittlerweile selbst als abhängig. Mit Kokain "funktioniert" man, sagt er. Das bestätigt auch eine Drogenberaterin und sagt: Vor allem Männer mit Geld nehmen Kokain.

Michael U.*  ist kokainabhängig. Der 35-Jährige hat mehrere Jahre lang in Magdeburg Kokain genommen. Mit Freunden. Er war vorher schon alkoholabhängig, hatte auch andere Drogen schon probiert. Partydrogen nennt er die. "Kokain ist eine Droge, die sich relativ gut in einen Arbeitsalltag integrieren lässt", sagt Michael U., "man funktioniert."

Kokain ist eine Droge, die sich relativ gut in einen Arbeitsalltag integrieren lässt.

Michael U.*  | nimmt Kokain

Evelin Nitsch-Boek leitet eins von zwei Suchtberatungszentren in Magdeburg. Sie sagt, Kokain nähmen eher "wohlsituierte" Menschen. Mehr Männer als Frauen, im Alter von 35 bis 45 Jahren. Kokain gehöre in die Partyszene. "Aber das sind auch Familienväter mit eigener Firma, die gut managen, gut funktionieren."

Wie Kokain wirkt

Funktionieren. Michael U. beschreibt: "Man wird wacher, das Bewusstsein wird geschärft, die Sinneswahrnehmung klarer." Man fühle sich selbstbewusst, unbesiegbar. Probleme würden in den Hintergrund treten. "Darin liegt eine gewisse Gefahr", sagt U. Dass Kokain häufig mit Alkohol zusammen eingenommen wird, bestätigt auch Evelin Nitsch-Boek.

Hier bekommen Sie bei Problemen rund um Kokain oder andere Drogen Hilfe

In Sachsen-Anhalt gibt es verschiedene Einrichtungen, die bei Fragen oder Problemen rund um Drogen, Sucht und Abhängigkeit helfen können, ambulant oder stationär.

  • Eine Suchtberatungsstellte in der Nähe finden Sie über den Wegweiser der Landesstelle für Suchtfragen Sachsen-Anhalt.
  • Eine anonyme, aber kostenpflichtige (20 Cent/Minute aus dem Festnetz), Hotline zur Sucht- und Drogenberatung bietet der Drogenbeauftragte der Bundesregierung unter 01806 313031 an.
  • Das Deutsche Rote Kreuz bietet ein sogenanntes Sorgentelefon für Betroffene und Angehörige unter der bundesweit gültigen Telefonnumer 06062 60776.


Beratungsangebote gelten in der Regel auch für Familie und Freunde.

Das Gefühl des Betrunkenseins würde mit dem Kokain weggehen. Man habe dann das Gefühl, dass man noch mehr verträgt, dass man trinkfest sei – männlich. Die Drogenberaterin sagt, Kokain gebe Männern das Gefühl, "männlich" zu sein. "Männlich zugeschriebene Werte", korrigiert sie, "man geht feiern, fühlt sich trinkfest, kann das Geld ausgeben."

Was ein Gramm Kokain kostet

Das Geld für all das hatte Michael U. Er arbeitet in der Medienbranche, hat einen festen Job. Auch die Freunde, mit denen er das erste Mal Kokain genommen hat, sind erfolgreich im Beruf – als Arzt und im Handelsbereich.

Aber der Konsum kostet. Zwischen 60 und 100 Euro hat U. nach eigenen Angaben pro Gramm bezahlt, je nach Qualität. Das Landeskriminalamt (LKA) sagt: In Sachsen-Anhalt hat das Gramm im Jahr 2022 durchschnittlich 80 Euro gekostet.

Ich hatte Angst, das auszurechnen.

Michael U.* 

Wie viel U. pro Woche für Kokain ausgegeben hat, kann er nicht sagen: "Ich hatte Angst, das auszurechnen." In Zeiten, in denen er viel konsumiert hat, hieß das: fünfmal pro Woche. Ein Gramm habe ihm am Anfang für drei Tage gereicht, später nur noch für einen Tag. "Man entwickelt eine Toleranz."

Wie eine Abhängigkeit entsteht

Kokain steigert die Leistungsfähigkeit, sagt Evelin Nitsch-Boek. Man könne die ganze Nacht feiern – oder eben auf Arbeit Leistung bringen, neue Ideen, neue Motivation. "Aber irgendwann kippt das," sagt die Suchtberaterin. Dann müsse immer schneller nachgelegt werden. Man konsumiere nicht mehr, um besser zu werden, sondern, um überhaupt durchzuhalten. Und: Je früher man einsteige, desto schneller werde man abhängig.

Irgendwann kippt das.

Evelin Nitsch-Boek | Suchtberaterin

Michael U. wollte aufhören zu trinken. Er dachte: "Wenn ich ab und zu Kokain nehme, dann brauch' ich ja gar nicht zu trinken." Dann lief beides parallel. Er trank Alkohol, um die Depression zu mildern, die kam, nachdem das Kokain aufgehört hatte, zu wirken. U. war schon zur Entgiftung, in einer stationären Reha.

Zu dem Zeitpunkt hatte er schon regelmäßig Kokain genommen. Nun, nach der Reha vor wenigen Monaten, fing er an, auch im Alltag Kokain zu nehmen. Er bezeichnet sich mittlerweile als abhängig. Michael U. hat weiterhin einen festen Job, geht regelmäßig zur Arbeit. Funktioniert.

*Name geändert. Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.

Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Über die AutorinJulia Heundorf arbeitet seit Februar 2020 für MDR SACHSEN-ANHALT. Sie ist im Landkreis Harz aufgewachsen und hat ihren Bachelor in Halle und Bologna gemacht, den Master Medien, Kommunikation und Kultur in Frankfurt (Oder), Sofia und Nizza.

Zu ihren Lieblingsorten in Sachsen-Anhalt gehören die Dörfer westlich von Osterwieck, der Heinrich-Heine-Weg zum Brocken und das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle.

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MDR (Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. Juli 2023 | 17:00 Uhr

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