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Die beiden Mathematiker Carolin Mehlmann und Thomas Richter vor dem Forschungsschiff "Polarstern" in Tromsö. Bildrechte: Thomas Richter

Eisbrecher "Polarstern"Expedition Arktis: Mathematiker aus Magdeburg forschen im Eis

03. August 2023, 08:52 Uhr

Zwei Wissenschaftler aus Magdeburg sind auf dem Forschungsschiff "Polarstern" Richtung Arktis aufgebrochen. Ihr Ziel ist es, die Entwicklung des Eises zu untersuchen. Die Daten sollen unter anderem Modelle zur Klimaentwicklung verbessern. Zwei Monate lang müssen die beiden dafür Isolation, Frost und Enge trotzen.

Tosender Wind, eisige Temperaturen, Isolation: Während andere in den Sommerurlaub fahren, sind zwei Magdeburger am Donnerstag auf eine extreme Expedition ins Nordpolarmeer aufgebrochen. Die beiden Mathematiker Thomas Richter und Carolin Mehlmann fahren an Bord des deutschen Forschungsschiffs "Polarstern" Richtung Arktis. Beide arbeiten für die Universität Magdeburg und sind Experten für numerische Modellierung und Strömungsmechanik. Auf ihrer zweimonatigen Reise wollen sie Veränderungen im Eis untersuchen, um Modelle zur Entwicklung polaren Meereises zu erstellen und präzisieren zu können.

Mehlmann und Richter untersuchen dazu speziell die sogenannten "marginalen" Eiszonen. Damit sind die einzelnen Eisschollen gemeint, die am Übergang zwischen Ozean und dem festen Packeis des Nordpols entstehen. Mehlmann erklärt, diese Eiszonen würden aufgrund des Klimawandels immer größer. Die kleinen Eisschollen interagierten miteinander und veränderten sich daher auch anders als das festere Packeis. Dies würde in Klimamodellen aber bisher vernachlässigt. Dabei seien die marginalen Eiszonen ein wichtiger Faktor in den Modellen zur Klimavorhersage.

Carolin Mehlmann bei einer früheren Untersuchung in der Antarktis. Bildrechte: Carolin Mehlmann

Wie sich das Meereis auf das Klima auswirkt

Wenn das Meereis in den Polarregionen abnimmt, kann dies große Auswirkungen auf das Klima haben. Der Rückgang des Meereises im Sommer führt zu einer stärkeren strahlungsbedingten Erwärmung der freien Wasserflächen, da die Reflektorwirkung des weißen Eises abnimmt und die dunkle Wasseroberfläche der Ozeane mehr Wärme aufnimmt. – Quelle: Helmholtz Institut

Richter nickt: "Das Wichtigste für uns ist die Verbesserung der Klimamodelle. (...) Wir brauchen sehr gute Modelle, damit wir verlässliche Vorhersagen treffen können, mit denen Politik und Öffentlichkeit dann arbeiten können" Viele sprächen bereits davon, dass der Nordpol im Sommer bald eisfrei sein könnte. Nun sei es entscheidend zu modellieren, wie sich das Eis tatsächlich verändere. Hierfür müssten die Klimamodelle mit guten Daten gefüttert werden.

Besonders die marginalen Eiszonen sollen erforscht werden. (Archivbild) Bildrechte: Carolin Mehlmann

Forschung unter extremen Bedingungen

Die insgesamt 50 Forscherinnen und Forscher auf der Polarstern werden weitestgehend isoliert unterwegs sein. Deshalb haben Mehlmann und Richter Reparaturausrüstungen für ihre Messinstrumente dabei, spezielle Schutzkleidung gegen die eisigen Bedingungen und jede Menge Daten und Forschungsmaterial auf Festplatten eingepackt.

"Wir wollen ja wirklich unterwegs mit dem Computer arbeiten. Wir können nicht einfach Google fragen, wenn uns eine Antwort fehlt", erzählt Richter. Das Internet an Bord reiche höchstens für E-Mails ohne Anhänge. "Ich habe deshalb vier Festplatten vollgepackt und sogar einen zweiten Laptop dabei."

Schutzkleidung ist in den speziellen Bedingungen nötig. (Archivbild) Bildrechte: Carolin Mehlmann

Die Eisschollen sollen mit Kameras gefilmt und genau analysiert werden. Laut Mehlmann beeinflussen zahlreiche Faktoren die Entwicklung der Eisschollen. Dazu zählten etwa der Wind, die Strömung des Meers, die Temperatur oder Zusammenstöße mit anderen Eisschollen. All diese Einflüsse gelte es zu erfassen und in das Modell einzuberechnen.

Die Polarstern zwischen Eisschollen. Bildrechte: Stefanie Arndt, CC-BY 4.0

Besonders herausfordernd sei dabei, dass man im Vorhinein nicht genau wisse, welche Daten man am Ende wirklich erheben müsse und welche Faktoren für eine präzise Analyse relevant seien. Deshalb wollen die beiden Forscher auf dem Schiff ständig die Ergebnisse auswerten und die Methoden während der Fahrt laufend anpassen und verbessern. Richter sagt, dazu brauche es auch etwas Glück mit dem Wetter, denn bei zu dichtem Nebel oder anderweitigen Problemen ließe sich die Forschung nicht wie geplant durchführen.

Die Bedingungen an Bord sind extrem. (Archivbild) Bildrechte: Alfred-Wegener-Institut/Mario Hoppmann CC-BY 4.0

Medizincheck und Eisbärtraining

Bevor Mehlmann und Richter überhaupt zur Expedition zugelassen wurden, mussten die beiden sich mit zwei Jahren Vorlauf bewerben und genau begründen, warum ihre Anwesenheit auf dem Forschungsschiff unbedingt notwendig sei. Die Plätze auf der "Polarstern" seien heiß umkämpft, Vorbereitung Pflicht. Auch ein Medizincheck, Impfungen und ein spezielles Eisbärtraining gehörten zur Vorbereitung dazu.

Denn die Eisbären seien ein Risikofaktor in der Arktis, erzählt Mehlmann. "Dafür haben wir einen Kurs beim Alfred-Wegener-Institut absolviert. Da lernt man: Wie verhalte ich mich, wenn ich auf ein Eisbär treffe? Wie kann man das am besten vermeiden – Das ist eigentlich das Hauptziel. Und dann mussten wir sogar ein Schießtraining absolvieren."

Vortragsreihen zu Forschung und Klimawandel geplant

Nach ihrer Reise wollen Mehlmann und Richter an ihrer Fakultät ein Jahr des Klimawandels und der Mathematik ausrufen und Menschen über ihre Forschung informieren. "Wir wollen das ganze Thema Klimawandel und auch die mathematische Forschung zum Klimawandel stärker in die Öffentlichkeit tragen", sagt Mehlmann. Dazu sollen Schülerinnen und Schüler in die Uni eingeladen werden.

Nach der Expedition wollen die beiden Forscher Vorträge über die Reise halten. Bildrechte: Uni Magdeburg/Jana Dünnhaupt

Richter ergänzt: "Meine Hoffnung ist, dass wir nicht nur verstehen, was los ist, sondern das wird das Verständnis nutzen, um die Auswirkungen in den Griff zu bekommen. Die Forschung alleine kann das Klima nicht verbessern, sondern das kann nur klappen, wenn die Ergebnisse der Forschung auch umgesetzt werden in Handlungen. Und da müssen alle mitmachen."

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MDR (Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 02. August 2023 | 15:30 Uhr

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