Andere Investitionen müssen wartenMagdeburg will Strombrücke mit Kredit finanzieren
Die fehlenden 90 Millionen Euro beim Bau des neuen Strombrückenzugs will die Stadt Magdeburg mit einem neuen Kredit aufbringen. Dadurch könnten andere Investitionen zurückgestellt werden. Der Stadtrat muss noch darüber entscheiden.
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- Mit einem Kredit will Magdeburg die fehlenden 90 Millionen Euro für die Strombrücke aufbringen.
- Das Land hatte erklärt, dass alle Fördertöpfe ausgeschöpft sind.
- Kritik am Vorhaben der Stadt kommt vom Steuerzahlerbund.
Die Stadt Magdeburg will einen Kredit aufnehmen, um die Sanierung und den Neubau des Strombrückenzuges finanziell abzusichern. Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Mittwoch, es werde auf jeden Fall weitergebaut.
Andere Investitionen müssen warten
Es müssten jedoch andere Investitionen in der Stadt möglicherweise zurückgestellt werden. Welche Investitionen das betreffe, werde man Anfang Oktober mit den Stadträtinnen und Stadträten besprechen. "Es gibt Ideen und Gedanken, aber die Stadträte müssen dem natürlich auch zustimmen", so Borris. Sie erklärte weiter: "Das bedeutet aber auch in Richtung anderer Vorhaben, dass wir dem Land und anderen Gemeinden sagen müssen: Wir sind nicht die Kuh, die man melken kann. Wir haben selber Probleme."
Das bedeutet aber auch in Richtung anderer Vorhaben, dass wir dem Land und anderen Gemeinden sagen müssen: Wir sind nicht die Kuh, die man melken kann. Wir haben selber Probleme.
Simone Borris (parteilos) | Oberbürgermeisterin Magdeburg
Am Dienstag hatte das Ministerium für Infrastruktur und Digitales auf MDR-Anfrage mitgeteilt, dass die Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung der Landeshauptstadt ausgeschöpft seien. Der Aufbauhilfefonds zur Beseitigung der Hochwasserschäden 2013, aus dem das Bauprojekt zu großen Teilen gefördert wurde, sei leer.
Magdeburg hatte auf weitere Hilfen des Landes gehofft, nachdem sich die Kosten des Bauprojekts um die Brücken seit 2018 um mehr als 100 Millionen Euro auf rund 207 Millionen erhöht hatten. Borris sprach zuletzt von einer Lücke von über 90 Millionen Euro, die bereits eingeplant, aber nicht durch Landesmittel gedeckt seien. Diese Lücke könne nur mit Unterstützung des Landes oder des Bundes geschlossen werden. Die Stadt habe aktuell in der Haushaltsplanung ein Defizit von 31,5 Millionen Euro.
Land hat bereits 119 Millionen Euro gegeben
Das Ministerium für Infrastruktur und Digitales gibt an, die Sanierung bzw. den Neubau der Brücken über die Elbarme seit Juni 2016 dreimal gefördert zu haben – insgesamt seien so 119 Millionen Euro geflossen. Borris hatte Ende Juni erklärt, das Ziel sei weiterhin, den neuen Brückenzug vor Weihnachten zu eröffnen. Die wichtige Anbindung des Ostens an das Stadtzentrum ist seit Sommer 2022 gesperrt. Ursprünglich sollte der Verkehr in diesem Sommer wieder freigegeben werden.
Der Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt schrieb am Dienstag auf MDR-Anfrage, er teile die Einschätzung der Stadt, dass die jetzige Situation hinsichtlich der exorbitanten Kostensteigerung beim Strombrückenzug insbesondere der Langfristigkeit des Rechtsstreits im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren geschuldet sei. Hinzu kämen Preissteigerungen durch die Inflation, den Ukraine-Krieg und Lieferengpässe.
Ist der Bund der Steuerzahler "unabhängig, parteipolitisch neutral und gemeinnützig"?
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) ist bekannt für seine regelmäßigen Veröffentlichungen "Schwarzbuch - Die öffentliche Verschwendung" und "Die Schuldenuhr Deutschlands", in denen zu hohe und verschwenderische öffentliche Ausgaben kritisiert werden. Allerdings wird auch die Unabhängigkeit des Bundes der Steuerzahler angezweifelt.
Nach eigenen Angaben ist der BdSSt eine "Interessenvertretung aller Steuerzahler". Er sei daher "unabhängig, parteipolitisch neutral und gemeinnützig". Nach einer Studie von Rudolf Speth für das Hans-Böckler-Institut wird der Bund der Steuerzahler durch Kooperationen und Mitgliederschwund zunehmend zu einem Verband der Gewerbetreibenden und Selbstständigen.
Auch Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kritisiert diese Ausrichtung des Bundes und erklärt laut Lobbypedia: "Tatsächlich vertritt er vor allem mittelständische Unternehmer, Freiberufler und Besserverdienende, die ihn über Beiträge und Spenden finanzieren."
Steuerzahlerbund kritisiert Kreditaufnahme
Äußerst kritisch sieht der Verein die Entscheidung der Stadt, rund 50 Millionen Euro aus Liquiditätskrediten zu finanzieren. Bei diesen Krediten bestehe ein Risiko für hohe Zinszahlungen. Gegenwärtig sei in keiner Weise erkennbar, wie diese Kredite zeitnah getilgt werden sollten. Sollte das Land keine weiteren Mittel bereitstellen, stehe der Stadtrat vor schwierigen Entscheidungen.
Sanierung bereits 2018 beschlossen
Magdeburgs Stadtrat hatte im November 2018 die Sanierung der Strombrücke beschlossen. Die Brücke war 1965 eingeweiht und seitdem immer nur notdürftig repariert worden. Weil an den Lagern der Brücke massive Schäden aufgetreten waren, mussten bereits 2006 zwei der vier Fahrspuren für den Autoverkehr gesperrt werden. Eine Klage nach dem Vergabeverfahren hatte den Baustart zudem verzögert.
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MDR (Max Hensch, Engin Haupt, Michel Holzberger, Christoph Dziedo, Mario Köhne); zuerst veröffentlicht: 19. September 2023
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. September 2023 | 16:30 Uhr
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