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Probleme im JustizsystemÜberfüllter Maßregelvollzug: Verurteilte Straftäter könnten freikommen

10. März 2023, 17:56 Uhr

Der überfüllte Maßregelvollzug in Sachsen-Anhalt ist seit Jahren ein Problem. Straftäter die psychisch krank oder suchtkrank sind, können aus diesem Grund aus der Haft entlassen werden. Das Sozialministerium will deshalb die beiden Maßregelvollzugsstandorte Bernburg und Uchtspringe erweitern. Spätestens im ersten Quartal 2024 sollen die Neubau-Projekte fertig gestellt sein.

  • Der übervolle Maßregelvollzug für psychisch kranke und suchtkranke Straftäter hat auch Auswirkungen auf die Justiz. Verurteilte Straftäter kommen so teilweise wieder frei.
  • Dieses Problem besteht bundesweit. Deshalb ist die Unterbringung außerhalb von Sachsen-Anhalt nicht sichergestellt.
  • Es fehlt das nötige Personal, um straffällige Patienten auf ein sucht- und straffreies Leben vorzubereiten.

Der Maßregelvollzug dient dazu, psychisch kranke oder drogenabhängige Straftäter unterzubringen und zu therapieren. In Sachsen-Anhalt sind die dafür bereit gestellten Einrichtungen allerdings übervoll – und das hat auch Auswirkungen auf die Justiz. Können Verurteilte nicht sofort im Maßregelvollzug untergebracht werden, müssen sie aus der Haft entlassen werden.

Die entsprechenden Einrichtungen des Landes Sachsen-Anhalt verfügten aktuell über eine Kapazität von 443 stationären Betten, Ende Januar seien dort 511 Menschen untergebracht gewesen, teilte das Sozialministerium in Magdeburg auf Nachfrage mit.

Aus dem Justizministerium hieß es: "Entsprechend der unserem Haus vorliegenden Erkenntnisse können verurteilte Straftäter aufgrund der angespannten Belegungssituation in Sachsen-Anhalt nicht problemlos im Maßregelvollzug aufgenommen werden."

Die sogenannte Organisationshaft komme häufig vor, so ein Ministeriumssprecher. Diese besondere Haftform greift vorübergehend in den Gefängnissen, wenn ein Verurteilter nicht sofort im Maßregelvollzug untergebracht werden kann. "Im vergangenen Jahr mussten Verurteilte aus der Organisationshaft entlassen werden, weil eine Aufnahme im Maßregelvollzug mangels Kapazitäten nicht möglich war."

Überfüllung bundesweit ein Problem

Die angespannte Belegungssituation entspreche einer bundesweit bekannten Problemlage, deshalb könne eine Unterbringung auch außerhalb des Landes Sachsen-Anhalt nicht sichergestellt werden, heißt es aus dem Justizministerium weiter. Zur Überführung aus der Haft in den Maßregelvollzug seien in Sachsen-Anhalt nach aktuellem Stand bis zum Jahr 2025 rund 50 Menschen vorgesehen.

Mehr und andere Patienten im Maßregelvollzug

Der übervolle Maßregelvollzug ist in Sachsen-Anhalt seit Jahren ein Problem. Der Psychiatrieausschuss des Landes hat immer wieder darauf hingewiesen. Der Ausschussvorsitzende Hans-Henning Flechtner hatte zuletzt im Oktober vergangenen Jahres gesagt, zum einen würden mehr Patienten eingewiesen, zum anderen habe sich die Klientel verändert. Es gebe mehr Patienten mit Psychosen und solche, die von mehreren Drogen abhängig seien. Früher bildeten alkoholabhängige Straftäter einen besonders großen Anteil.

Personal für intensive Therapien fehlt

Die Trends gibt es laut Flechtner bundesweit. Nötig seien intensive Therapien, die unter den aktuellen Bedingungen aber nicht gut stattfinden könnten. Es fehle das nötige Personal. Im Maßregelvollzug sollen straffällige Patienten auf ein sucht- und straffreies Leben vorbereitet werden.

Erweiterungen der bisherigen Standorte Bernburg und Uchtspringe geplant

Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hatte im Oktober angekündigt, Erweiterungen sollten Abhilfe schaffen. Es gibt Neubau-Projekte an den beiden großen Standorten in Bernburg (Salzlandkreis) und Uchtspringe (Stendal). Als voraussichtliche Termine für die Fertigstellung wurden das dritte Quartal 2023 beziehungsweise das erste Quartal 2024 genannt.

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dpa, MDR (Sebastian Gall)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. März 2023 | 11:00 Uhr