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Bilanz9-Euro-Ticket läuft aus: Diese Strecken waren besonders gefragt

31. August 2022, 09:15 Uhr

Das 9-Euro-Ticket läuft am Mittwoch aus. Der Sonderfahrschein wurde auch in Sachsen-Anhalt stark genutzt. Eine erste Auswertung des Verkehrsministeriums für Bahnstrecken zeigt: Bestimmte Linien, vor allem mit überregionaler Bedeutung, waren besonders gefragt. Ein Überblick.

Mit dem 9-Euro-Tickets sind die Menschen in Sachsen-Anhalt deutlich mehr mit der Bahn im Nahverkehr unterwegs gewesen. Das geht aus Zahlen des Ministeriums für Infrastruktur und Digitales Sachsen-Anhalts hervor, die MDR SACHSEN-ANHALT vorliegen. Je nach Strecke und Tag haben sich die Fahrgastzahlen demnach sogar verdoppelt oder verdreifacht.

Vor allem auf überregionalen Strecken, nach Berlin, oder zu touristischen Zielen, waren Bahnen teilweise überfüllt. Leider sei an einigen Tagen die Auslastung so hoch gewesen, dass Züge geräumt werden mussten, erklärte Ministerin Lydia Hüskens (FDP).

Auswertung: Welche Strecken besonders gefragt waren

Nachfrage-Spitzenreiter war den Zahlen zufolge die Strecke Lutherstadt Wittenberg-Berlin. Hier habe sich im Vergleich zum Mai die Zahl der Fahrgäste im Juli auf fast 350 Prozent erhöht. Auf der Strecke Magdeburg-Berlin waren es im selben Zeitraum 240 Prozent.

An den Wochenenden waren demnach zum Beispiel auf der Strecke Halberstadt-Thale im Juni und Juli mehr als doppelt so viele Reisende unterwegs, als im Mai 2022. Die verstärkte touristische Nutzung des 9-Euro-Tickets auf einigen Strecken sei klar nachweisbar, so Hüskens.

Den geringsten Fahrgastanstieg, bezogen auf die Auslastung im Mai, gab es laut Ministerium mit einem Wert von 150 Prozent bei der S-Bahn Halle-Leipzig sowie im Saale-Express Halle-Jena.

Ministerin will ländlichen Raum stärken

Es gibt der Ministerin zufolge aber auch Regionen im Land, bei denen selbst ein so günstiges Ticket nicht zu einer verstärkten Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln geführt hat. Das müsse zu denken geben. Vielen Menschen im ländlichen Raum habe das Ticket nichts gebracht, räumte Hüskens ein. Statt hochsubventionierter Billigtickets auf Dauer sei sie dafür, die Bus- und Bahnangebote in der Fläche besser auszubauen.

MVB: Höchste Fahrgastzahlen seit Beginn der Pandemie

Die Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) teilten am Dienstag mit, die Fahrgastzahlen von Juni und Juli würden zeigen, dass das 9-Euro-Ticket auch im Stadtverkehr genutzt wurde. MVB-Sprecher Tim Stein sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Wir hatten in den Sommermonaten – für Juni und Juli liegen die Werte schon vor – tatsächlich die höchsten Fahrgastzahlen seit Beginn der Pandemie. Wir hatten zeitweise sogar die Werte von 2019 übertroffen und hatten allein im Juni 3.8 Millionen Fahrgäste." Das sei ein Zuwachs um etwa 400.000 Fahrgäste im Vergleich zum Mai.

Auch der Mitteldeutsche Verkehrsverbund, der Öffentliche Verkehrsmittel im Großraum Leipzig-Halle betreibt, zieht eine positive Bilanz. Geschäftsführer Steffen Lehmann sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es seien 60 Prozent mehr Fahrgäste verzeichnet worden.

Tim Stein von der MVB sagte, es seien jedoch auch Einnahmen weggebrochen. Die MVB gehe von etwa drei Millionen Euro Mindereinnahmen in diesen drei Monaten aus. Die fehlenden Einnahmen würden demnach aber voraussichtlich über den sogenannten ÖPNV-Rettungsschirm der Bundesregierung erstattet, allerdings erst im kommenden Jahr.

MVB hofft auf Anschlusslösung

Die MVB hofft auf eine Anschlusslösung für das nun auslaufende Ticket. Stein sagte: "Diesen Schwung aus dem 9-Euro-Ticket, den muss man jetzt einfach mitnehmen. Das wäre fahrlässig, es jetzt nicht zu machen." Es sei wichtig, dass ein Folgeticket auch finanzierbar ist. Es müsse beispielsweise einen Ausgleich für die Verkehrsunternehmen geben. Nur ein Ticket aufzulegen sei nicht ausreichend, mahnt Stein: "Wir müssen schauen, ob wir in die Infrastruktur und in das Angebot investieren können. Das betrifft gerade den ländlichen Raum."

Wie viele 9-Euro-Tickets wurden verkauft?

Bis Mitte August wurden nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen deutschlandweit rund 38 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft. Hinzu kamen monatlich etwa zehn Millionen Abo-Kunden, deren Tickets aufgewertet wurden.

Wie hat sich die Verkehrsnutzung mit dem 9-Euro-Ticket verändert?

Bildrechte: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Dem Statistischen Bundesamt zufolge lagen, basierend auf Mobilfunkdaten, die bundesweiten Bewegungen im Schienenverkehr im Juni 2022 rund 42 Prozent höher als im Juni 2019 – also noch vor der Corona-Zeit.

Zu den eigentlichen Verkehrsdaten gibt es mehrere Studien, die jedoch nur bedingt belastbar sind – und entsprechend zu Diskussionen führen. So wurden laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen rund ein Viertel der angetretenen Fahrten im ÖPNV zusätzlich unternommen, haben also beispielsweise keine Autofahrt ersetzt. Der tatsächliche Verlagerungseffekt von der Straße auf den öffentlichen Verkehr wird mit bis zu drei Prozent beziffert, beispielsweise von Verkehrsforschern der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Was sagen Kritiker des 9-Euro-Tickets?

Kritiker bemängeln den Umstiegs-Effekt als zu gering. Zu den bekennenden Gegnern gehört Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Er kritisiert die vielen zusätzlichen Fahrten durch das Ticket, die begrenzten Kapazitäten auf den Strecken sowie das eingeschränkte Angebot auf dem Land. In einem Interview sprach er von einer "Gratismentalität" mit Blick auf das 9-Euro-Ticket. Für eine Fortführung stünden keinerlei Mittel im Haushalt zur Verfügung. Das 9-Euro-Ticket war Teil des ersten Entlastungspakets der Bundesregierung.

Für viele Verkehrsbetriebe ist das 9-Euro-Ticket eine finanzielle Belastung – dann, wenn sie auf andere Einnahmen durch Fahrscheine angewiesen sind. Für die Defizite in den Monaten Juni, Juli und August will der Bund 2,5 Milliarden Euro Ausgleich zahlen.

Was sagen Befürworter des 9-Euro-Tickets?

Hauptvorteil des 9-Euro-Tickets ist, neben dem Preis, die Gültigkeit über Länder- und Tarifgrenzen hinweg. Selbst wenn nur vier Prozent der Pendler vom Auto auf Bus und Bahn umgestiegen sind, macht das rechnerisch mehrere Millionen Fahrten aus. Dass nicht noch mehr Menschen das Auto haben stehen lassen, kann aus Sicht der Befürworter auch daran liegen, dass die Gültigkeit von vornherein auf drei Monate begrenzt war. Auch wenn es durch das 9-Euro-Ticket viele zusätzliche Fahrten im ÖPNV gab, dürfte die Umweltbilanz neutral ausfallen – denn Busse und Bahnen wären laut Fahrplan ohnehin gefahren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach mit Blick auf das 9-Euro-Ticket von einem großen Erfolg. Auch der Großteil der MDRfragt-Gemeinschaft bewertet das Ticket positiv.

Was kommt nach dem 9-Euro-Ticket?

Eine mögliche Nachfolgelösung ist in Diskussion. Diese fordert unter anderem der Städte- und Gemeindebund. Im Gespräch sind beispielsweise ein 365-Euro-Jahresticket oder Monatskarten für 29 Euro in der Region sowie 69 Euro deutschlandweit.

Eine Einigung der Bundesländer zeichnet sich derzeit nicht ab, da der Nahverkehr für sie eine Frage des Geldes ist. Außerdem haben die Verkehrsbetriebe mit Kostensteigerungen zu kämpfen, vor allem für Energie.

Mehr zum Thema 9-Euro-Ticket:

MDR (Ronald Neuschulz,André Plaul,Kevin Poweska,Julia Heundorf) | Erstmals veröffentlicht am 26.08.2022

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 31. August 2022 | 06:40 Uhr

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