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Maßregelvollzug UchtspringeMit Menschlichkeit und Fingerspitzengefühl: Pflegepersonal hinter Mauern und Stacheldraht

17. April 2024, 19:41 Uhr

Im sogenannten Maßregelvollzug sitzen Menschen, die mitunter schreckliche Verbrechen begangen haben. Vergitterte Fenster, Panzerglas, Schleusen, Kameras und hohe Zäune erinnern zwar an ein Gefängnis. Es handelt sich aber um eine forensische Klinik. Dort sitzen Patienten, keine Insassen. Um die psychisch kranken Straftäter kümmern sich Psychologen, Therapeuten, Ärzte und viele Pflegekräfte. Letztere koordiniert Pflegedienstleiter Manuel, den MDR SACHSEN-ANHALT einen Tag lang begleitet hat.

Im ersten Teil der Serie kommt ein Patient zu Wort und es wird berichtet, wie der Alltag der Menschen hinter dicken Mauern und Stacheldraht aussieht.

Was für die meisten sehr befremdlich wirkt, ist für Manuel tägliche Routine. Er ist der Pflegedienstleiter im Maßregelvollzug Uchtspringe und koordiniert Dienstpläne für mehr als 220 Mitarbeiter aus dem Pflegestab. "Mit einem gewissen Respekt sollte man schon auf Arbeit kommen, das sind hier nicht nur Leute, die Kaugummi geklaut haben, denn wir haben auch andere. Aber an sich ist es so, wie es rein schallt, schallt es raus. Wenn ich unsere Untergebrachten als Mensch sehe, mit ihnen als Mensch umgehe, dann gehen die mit mir auch ganz normal um", berichtet der Pflegechef.

Mit "diesen Menschen" meint er verurteilte Straftäter, die nicht im Gefängnis landen, sondern hier, weil sie psychisch krank sind. Aus dem Maßregelvollzug raus kommt nur, wer als ungefährlich für die Allgemeinheit gilt, und darüber entscheiden Gerichte. Auf dem Weg dahin unterstützen zum Beispiel Ärzte, Psychologen, Therapeuten und Pflegende. Täglich kümmern sich die Mitarbeitenden aus der Pflege um die psychisch kranken Straftäter, sind dabei für den Heilungsprozess sehr wichtig. "Wir sind da, um sie zu betreuen, zu begleiten und zu beobachten und auch ein regelhaftes Leben vorzuleben", sagt Pfleger Manuel.

Auf den ersten Blick sieht der Maßregelvollzug aus wie ein Gefängnis. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Wir haben einige, die jetzt wieder in die Gesellschaft integriert sind, an die hat vorher niemand geglaubt.

Manuel | Pflegedienstleiter in Uchtspringe

Ein respektvoller Umgang miteinander, saubere Kleidung zu tragen oder auch eine geordnete Tagesstruktur vorzuleben – all das sei wichtig. "An uns orientieren sich unsere Untergebrachten.  Es freut mich, denn wir haben doch einige, die sind jetzt wieder in die Gesellschaft integriert, an die hat vorher niemand geglaubt." Um das zu erreichen, braucht es besonders geschultes und vor allem emphatisches Pflegepersonal.

Auf unbestimmte Zeit im Maßregelvollzug

Die Resozialisierung erleichtert auch die Einnahme von Arzneimitteln, ohne die es oftmals nicht geht. Pflegefachkraft Manuel und seine Kollegen sind auch für die Arzneimittelgabe zuständig. "Mitunter gibt es Untergebrachte, die anfänglich viele Medikamente nehmen, dann aber eine gewisse Nachreifung erfolgt. Dann können Medikamente ausgeschlichen oder minimiert werden." Der Pflegedienstleiter erklärt weiter, dass die in einigen Fällen auch so behandelt seien, dass sie Medikamente klarkommen. "Viele Untergebrachte verlassen uns dann ohne Medikamente oder nur mit einem Blutdruckmedikament oder ähnlichem."

In den Maßregelvollzug kommen die psychisch kranken Straftäter schließlich auf unbestimmte Zeit, bleiben daher in der Regel auch länger drin als zum Beispiel in einer Justizvollzugsanstalt, wo der Aufenthalt vorab durch ein Gericht festgelegt wurde.

Felix Schneider ist Chefarzt der forensischen Klinik in Uchtspringe. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Zwar begehe etwa jeder Achte nach seiner Entlassung erneut schwere Straftaten, aber der Maßregelvollzug sei damit dennoch wesentlich erfolgreicher als ein Gefängnisaufenthalt, sagt der Chefarzt der forensischen Klinik im Maßregelvollzug Uchtspringe, Dr. Felix Schneider: "Wir sind immer froh über eine erfolgreiche Resozialisierung, wenn Patienten tatsächlich wieder in die Anonymität abrutschen und ein normales Leben führen, ohne den Stempel der psychischen Erkrankung auf der Stirn und künftig unauffällig sind."

Gefahrensituationen jederzeit möglich

Doch auch er hat schon Gefahrensituationen im Maßregelvollzug erlebt. Angst hat er trotzdem nicht, aber Respekt gehöre zu seinem Arbeitsalltag: Es war schon gefährlich und er musste den Alarmknopf drücken. Dann kommt alles verfügbare Personal im Haus zur Hilfe und gemeinsam wird dann versucht, die Situation so zu regeln. "Ansonsten gibt es immer noch die Möglichkeit der Einsatzgruppe, die wir im Haus haben, die dann Gefahrenlagen reguliert, die für die Mitarbeiter zu gefährlich wären oder bei denen der Patient verletzt werden könnte", erklärt Manuel.

Was ihn am Maßregelvollzug reizt ist das Fingerspitzengefühl für das Zwischenmenschliche, damit es zu diesen Situationen gar nicht erst komme. "Ich arbeite hier gerne. Es ist nicht so düster, wie es wirkt durch den Stacheldraht – mir macht es wirklich Spaß, hier zu arbeiten", sagt der Stationsleiter Pflege. Was ihn nämlich stört, das sind die Vorurteile in der Bevölkerung draußen, mit denen er gerne aufräumen würde.

Mehr zum Maßregelvollzug Uchtspringe

MDR (Carina Emig, Lucas Riemer)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 17. April 2024 | 19:00 Uhr

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