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Innerhalb von einem Jahr hat "Hello Fresh" sein Werk in Barleben gebaut. Von dort aus werden Kochboxen verschickt. Bildrechte: HelloFresh

Kochbox im TestNeues "Hello Fresh"-Werk in Barleben: zwischen Ernährungstrend und Greenwashing

09. Januar 2023, 17:47 Uhr

Mit Blick auf das Klima und die Umwelt, aber auch auf die eigene Gesundheit, geht der Trend beim Essen immer mehr Richtung nachhaltige, frische und ausgewogene Ernährung. Das machen sich auch Unternehmen wie "Hello Fresh" zu eigen, die nach eigener Aussage nachhaltige Essensboxen verschicken. Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt hält das für Greenwashing. MDR SACHSEN-ANHALT-Reporter Stefan Bernschein hat die "Hello Fresh"-Box getestet.

Kochboxen sind im Trend – das zeigen nicht nur die vielen verschiedenen Anbieter, wie "Hello Fresh", "Etepetete", "Marley Spoon" und Co., die sich in den letzten Jahren immer mehr auf dem Ernährungsmarkt etabliert haben. Sondern das wird auch durch die hohe Nachfrage dieser Produkte deutlich. In Barleben hat "Hello Fresh" deshalb nach nur einem Jahr Bauzeit im November sein neues Werk eröffnet.

Alles Gerichte für Deutschland und Österreich kamen bis vor Kurzem aus dem Werk in Verden bei Bremen, Barleben soll jetzt schrittweise die Produktion hochfahren. Doch wie umweltverträglich ist es, wenn jeden Tag Tausende Kochboxen kreuz und quer durch Deutschland reisen, in denen wenig Essen und einiges an Abfall steckt?

Michaela Smith, Werksleiterin in Barleben, verweist darauf, dass bei Lebensmitteln aus dem Supermarkt nicht der Markt selbst die Quelle sei, sondern die Produkte auch aus ganz verschiedenen Städten und Ländern herantransportiert würden. Außerdem würde "Hello Fresh" seine Zutaten nach Möglichkeit aus der Region des Produktionsstandortes beziehen. Dazu seien in Barleben Partnerschaften in der Zukunft geplant. Kartoffeln etwa wären ja hier aus der Magdeburger Börde ein Beispiel. Auf Nachfrage beim Bauernverband Sachsen-Anhalt erklärt dieser, dass "Hello Fresh" bisher noch keinerlei Kooperation angefragt habe.

Die Werksleiterin verweist außerdem auf eine Öko-Bilanz-Analyse, nach der Rezepte von "Hello Fresh" um rund ein Fünftel weniger CO2-Emissionen produzieren würden, als aus dem Supermarkt. Überhaupt stellt der Kochbox-Anbieter seine vermeintlich Umwelt-Vorzüge intensiv heraus. Auf der eigenen Webseite ist von CO2-Neutralität die Rede, man sei "das erste globale klimaneutrale Kochbox-Unternehmen" der Welt mit 100 Prozent CO2-Kompensation. Klingt vielversprechend – aber auch stark nach Werbetext.

Verbraucherzentrale: klassisches Greenwashing

Nicole Wege von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt ist da weniger euphorisch. Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei diesem Werbeversprechen um klassisches Greenwashing, also den Versuch von Unternehmen, durch Geldspenden an ökologische Projekte, PR-Maßnahmen und so weiter besonders umweltfreundlich zu erscheinen.

Laut der Verbraucherzentrale könnten die Lebensmittel selbst nicht klimaneutral sein – die selbstgemachten Label würden durch Ausgleichsmaßnahmen erreicht, wie etwa Aufforstung. Und solche Maßnahmen seien häufig intransparent, zweifelhaft wirksam und kaum zu kontrollieren. Damit werde der Verbraucher zum Teil in die Irre geführt, weshalb man seitens der Verbraucherzentralen bundesweit ein Verbot fordere, mit Klimaneutralität zu werben.

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Stefan Bernschein: Die "Hello Fresh"-Kochbox im Test

Und wie schmeckt das Ganze? Mein Test beginnt mit einem Überraschungspaket. Ich rufe bei Hello Fresh in der Unternehmenszentrale in Berlin an. Wie auf der Webseite auch, werde ich gefragt, welche Präferenzen ich habe – ob ich abnehmen möchte, ob ich es eher gut-bürgerlich oder exotisch mag, ob ich Fleisch esse und so weiter. Ich bin das erste Mal überrascht: rohes Fleisch aus dem Postpaket? Geht das? Ich wähle also mit Fleisch – und lasse mich beim Rest überraschen.

Wenig später steht die Kochbox auf meinem Küchentisch. Groß und auffallend schwer ist sie. Ich setze das Messer an und klappe den Karton auf – mein erster Eindruck: ziemlich viele Tüten. Braunes Recyclingpapier und zwei farbige Menü-Karten, die mir zeigen, was es werden soll: ein vegetarisches Maronen-Pilz-Ragout – und ein Kohlrabi-Eintopf mit Königsberger Klopsen.

Der Preis und ein Blick auf die Lebensmittel

Aha, zwei verschiedene Gerichte mit jeweils zwei Portionen. Dafür habe ich 40 Euro bezahlt, eine Portion kostet also stattliche zehn Euro. Was sofort auffällt: Alles wirkt sehr durchdacht. Jedes Gericht steckt in einer eigenen Tüte – und eine aufgedruckte Ziffer zeigt sofort an, welches Rezept zu welcher Tüte gehört.

Ich nehme mir den Kohlrabi-Eintopf vor und packe alles aus: eine Kartoffel, eine Möhre, eine Zwiebel, eine Stange Lauch, ein Kohlrabi, ein Gläschen Kapern, ein Päckchen Sahne, ein Päckchen Petersilie und mehrere Tütchen mit Gewürzen. Und das Fleisch für die Klopse? Das steckt zwischen mehreren großen Kühlpacks.

Und das ist die erste große Überraschung: Obwohl zwischen Einpacken, Verschicken und Auspacken vermutlich drei Tage liegen (ich hatte es noch einen Tag bei circa 7 Grad auf dem Balkon stehen), ist das Eis in den Kühlpacks noch nicht ganz geschmolzen. Ich öffne das eingeschweißte rohe Hackfleisch und halte meine Nase dran. Nichts. Ein leichter Fleischgeruch – aber keine Spur von Verderblichkeit, es sieht frisch aus, ein zartes Fleisch-Rot. Oder anders formuliert: Das Gehackte aus dem Postpaket ist so frisch, wie aus dem Supermarkt – ich bin beeindruckt. Auch Möhre, Lauch und Co. sind knackig und machen Lust, damit zu kochen.

Kochen und die Müll-Bilanz

Ich würde mich als Hobby-Koch bezeichnen – ich koche gern und regelmäßig. Dennoch halte ich mich akribisch an die Anleitung – und die ist wirklich vorbildlich. Man wird an die Hand genommen und Schritt für Schritt beschrieben, was zu tun ist: Ofen vorheizen, Kapern abgießen, Möhre in Scheiben schneiden, Lauch vierteln, Kohlrabi würfeln und so weiter. Die geschnippelten Zutaten soll ich in einer Pfanne anbraten und Kapern, Zwiebeln und Gewürze in einer Schüssel mit dem rohen Hack vermischen. Dann Klopse draus formen – und ab damit in den Backofen: 20 Minuten brutzeln bei 180 Grad.

Während alles vor sich hinköchelt, räume ich auf – und habe jede Menge Verpackungen auf dem Tisch. Diverse Papier-Tüten, kleine Plastiktütchen für die Gewürze und die Kühlpacks. Zwar liegt der Hinweis bei, dass man das Wasser der Eispacks zum Blumengießen weiternutzen soll, aber den Abfall schmälert das nicht. Okay, wenn ich im Supermarkt einkaufe, ist auch alles verpackt – aber hier sind die Mengen winzig: der Verpackungsmüll für das aktuelle Essen gehört zu gerade mal 2 Portionen. In den Plastiktütchen sind winzige Mengen - ein paar Gramm Muskat, ein paar Gramm Würzmischung, eine Plastiktüte mit gerade mal 20 Gramm Petersilie, dazu der große Karton. Ist das alles nachhaltig?

Und wie schmeckt‘s?

Das wichtigste beim Kochen ist der Geschmack. Erfüllt das Ergebnis die Erwartungen? Kurz und knapp: ja. Das Essen ist nicht nur lecker – mein Kohlrabi-Eintopf sieht auch fast genau so aus wie auf der schicken "Hello Fresh"-Menükarte. Es ist lecker, alles hat Biss und durch die genaue Anleitung kann man eigentlich nichts verkehrt machen. Damit bekommen auch absolute Koch-Anfänger und Küchenmuffel ein tolles Ergebnis.

Was mir persönlich nicht so gut gefällt, sind Preis und Müll. Für etwa 20 Euro bekommt man zwei Portionen Eintopf – das wäre mit Zutaten aus dem Supermarkt deutlich günstiger. Außerdem bleib trotz aller Recycling-Materialien ziemlich viel Müll über. Wer es bequem mag und nicht selbst einkaufen möchte, für den ist eine Kochbox eine Option.

Außerdem bekommt man auf der Webseite viele Gerichte vorgeschlagen und muss sich weder mit der Menüplanung beschäftigen noch eine Einkaufsliste schreiben. Ich werde kein Kochbox-Abonnent – ich mag es, mich direkt im Supermarkt inspirieren zu lassen und mit dem zu kochen, was vor Ort gerade verfügbar ist.

FAKT IST!-Sendung am Montag, 9. Januar 2023"Was essen wir in Zukunft?" – diese Frage wird am Montag, 9. Januar 2023, bei FAKT IST! besprochen. Nach Weihnachten haben viele Menschen den Vorsatz einer gesunden Ernährung. Doch neue Trends sollen nicht nur gesund, sondern auch gut für das Klima und die Umwelt sein. Was dafür nötig ist und wie die Ernährungsstrategie der Politik aussieht, wird mit der Talkrunde diskutiert – und zwar ab 20:30 Uhr im Livestream bei mdr.de, Facebook und YouTube, außerdem ab 22:10 Uhr im MDR Fernsehen. Auf dem Facebook-Kanal von MDR SACHSEN-ANHALT können Sie ab 20:30 Uhr auch live mitdiskutieren.

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MDR (Stefan Bernschein, Alisa Sonntag, Johanna Daher)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | FAKT IST! | 09. Januar 2023 | 22:10 Uhr

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