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Öffentliche Toiletten muss man manchmal lange suchen. (Symbolbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Stille ÖrtchenDie schwierige Suche nach öffentlichen Toiletten

18. September 2022, 14:17 Uhr

Wer beim Schlendern durch die Innenstadt ein dringendes Bedürfnis hat, ist froh, wenn sich in der Umgebung eine öffentliche Toilette finden lässt. Doch das ist nicht immer einfach. Entweder gibt es zu wenige oder sie sind wegen Vandalismus und Reparaturen gesperrt. In Jessen im Landkreis Wittenberg haben sich Akteure der Stadt an einen Tisch gesetzt und eine gemeinsame Lösung gefunden.

Eltern kennen die Situation: Kaum hat man die Wohnungstür zugeschlagen, muss das liebe Kind ganz dringend auf die Toilette. Gut, wenn das heimische Bad noch so nah ist. Aber oft genug kommt der Drang nach einem Klo im komplett falschen Moment, nämlich auf dem Spielplatz, während des Waldspaziergangs oder beim Einkaufsbummel.

Öffentliche Toiletten muss man suchen

Fakt ist, öffentliche Toiletten in Sachsen-Anhalts größter Stadt zu finden ist Detektivarbeit. Bei Google werden unter dem Suchwort "öffentliche Toilette Halle Saale" drei Einträge auf einer Karte präsentiert. Dabei sind es viel mehr, teilt Drago Bock von der Stadtverwaltung auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit. Insgesamt zehn öffentliche Toiletten unterhält die Stadt für ihre knapp 240.000 Einwohner und die Hunderttausenden Gäste (im Jahr 2018 haben rund 700.000 Menschen in der Region Halle Station gemacht).

Ähnlich ist die Situation in der Landeshauptstadt Magdeburg. Erst im Februar hat der Stadtrat das "Toilettenkonzept" beschlossen. Demnach sind im Stadtgebiet acht öffentliche Klos zu finden. Vier weitere "WC-Anlagen" seien geplant und "mittelfristig zu priorisieren".

Dagegen erscheint der touristische Hotspot Lutherstadt Eisleben mit rund 27.000 Einwohnern mit seinen vier "öffentlichen Toilettenanlagen" geradezu überversorgt. Noch besser ist aber die Situation in Jessen im Landkreis Wittenberg. Dort stehen den knapp 15.000 Einwohnern und Besuchern drei öffentliche Toilettenanlagen zur Verfügung.

Zum Vergleich: Berlin mit seinen rund 3,6 Millionen Einwohnern und ebenso vielen Besuchern im Jahr hat knapp 200 öffentliche Toiletten (Stand Juni 2021).

Allerdings darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dass nicht alle Anlagen immer betriebsbereit sind. Darauf weist Maik Knothe von der Stadtverwaltung in Eisleben hin: "Von den vier Toilettenanlagen sind zwei werktags geöffnet. Die Klosterplatz-Toiletten werden zurzeit auf Grund einer zu geringen Nachfrage nicht betrieben. Die Marktberg-Toiletten stehen bei Veranstaltungen im Stadtgebiet den Veranstaltern auch an Sonn- und Feiertagen in Abstimmung zur Verfügung."

Ein Selbstversuch an touristischen Orten

Wie sieht es aber angesichts solch magerer Zahlen mit der Hilfsbereitschaft in Sachen "Stillen Örtchen" aus? Ein nicht-repräsentativer Selbstversuch soll etwas Klarheit bringen.

Die Tour beginnt an einem wolkenverhangenem Dienstag Anfang September in Weißenfels. Am Schloss ist nicht viel los, im Hof sind mehrere Menschen mit Ausgrabungen beschäftigt. Also wird nachgefragt im Schuhmuseum, ob die Toilette genutzt werden darf. "Hinten links" sagt einer der drei Mitarbeiter, die die Ruhe der Nachsaison für einen kleinen Plausch nutzen.

Positive Entdeckung: Von der Toilette des Schuhmuseums haben Besucher einen großartigen Ausblick über die Dächer der Stadt. Weiter geht es nach Eisleben. Natürlich wird auf Luthers Wegen gewandelt. Vom Parkplatz am Rande der Innenstadt geht es zu Fuß zum Lutherdenkmal auf dem Markt. Was schnell auffällt, die gute Ausschilderung für Besucher der Stadt, die auch auf Toiletten hinweist.

Gemischte Bilanz und eine Frage des Geldes

Im italienischen Café ist nicht viel los. Der Chef räumt noch die Eistheke ein und zeigt mit einem uninteressierten Wink den Weg zum Klo. Anders im Museum "Luthers Geburtshaus": Dort wird vorab erfragt, ob der Besucher die Ausstellung besuchen möchte. Dann sei die Toilettennutzung inklusive, ansonsten ist ein Obolus fällig.

So auch die Praxis im Händelhaus in Halle. "Wir haben keine öffentliche Toilette", wird der Besucher sofort informiert. Doch schnell schiebt die Mitarbeiterin nach, für eine kleine Spende könne man die Klos aber trotzdem nutzen. Ganz anders die Erfahrung in der nahen Thalia-Buchhandlung am Markt. Dort schickt ein Mitarbeiter Kunden, die nach einer Toilette fragen, einfach weg.

Klar ist auch: Der Betrieb von öffentlichen Toiletten kostet ordentlich Geld. Neben Energiekosten oder Lohnkosten für die Reinigung haben die Kommunen auch Ausgaben für häufig notwendige Renovierungsarbeiten oder Reparaturen wegen Vandalismus zu tragen. Allein für die Marktberg-Toiletten in Eisleben belaufen sich die "Unterhaltskosten sich auf cirka 16.000 Euro je Jahr". In Halle sind im Haushalt "Kosten von rund 55.000 Euro pro Jahr" für die öffentlichen Klos veranschlagt.

Öffentliche Toiletten sind also auch immer eine Frage des Geldes. "Eine Umsetzung der Bedarfe ist abhängig von zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln", erläutert Drago Bock von der Stadt Halle.

Was man von Jessen lernen kann

Was dabei auffällt: Oft köcheln die verschiedenen Akteure ihr eigenes Süppchen. Die Verwaltungen ermitteln einen Bedarf an öffentlichen Toiletten. Dafür "wurden von der Stadtverwaltung Beteiligungsgespräche geführt; Hinweise der Bevölkerung und des Handels, aus den Quartiersbüros, vom Markt- und Veranstaltungswesen sowie aus den Tourismusschwerpunkten aufgenommen", erklärt Halles Sprecher Bock. Toiletten, die auch von der Allgemeinheit genutzt werden könnten, wie in Gaststätten oder Geschäften, werden aber selten in die Planungen einbezogen.

In der Stadt Jessen wollte man es besser machen, erzählt Bürgermeister Michael Jahn im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Die alte Toilette in der Nähe des Marktes sei immer wieder verdreckt und zerstört worden. Letztlich haben die Verantwortlichen keine andere Möglichkeit gesehen, als die Einrichtung zu schließen. "Wir wollten aber unseren Einwohnern und Gästen trotzdem öffentliche Toiletten anbieten", erzählt Jahn. Also setzte man sich mit Akteuren der Stadt an einen Tisch.

Nun stellen der Gastronom am Markt, Schlosspark-Bowling und das Rathaus ihre Klos der Allgemeinheit zur Verfügung. Dafür zahlt die Stadt den privaten Betreibern eine kleine Aufwandsentschädigung. "Wir sind mit der gefundenen Lösung sehr zufrieden", sagt Bürgermeister Jahn.

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MDR (Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 19. September 2022 | 15:30 Uhr

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