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Die Gewässer in Sachsen-Anhalt befinden sich in einem schlechten Zustand. Eines der Sorgenkinder ist die Bode. Bildrechte: imago images / Panthermedia

GewässerSachsen-Anhalts Seen und Flüsse in keinem guten Zustand

12. Oktober 2022, 16:29 Uhr

Die Flüsse und Seen in Sachsen-Anhalt plagt ein Umweltproblem. Der Klimawandel, die intensive Landwirtschaft und Einleitungen durch die Industrie beeinflussen die Wasserqualität. Mehr als jedes dritte Gewässer wird vom Landesamt für Gewässerwirtschaft inzwischen als "schlecht" bewertet. In den kommenden Jahren dürfte sich die Situation weiter zuspitzen.

Der Zustand der Gewässer in Sachsen-Anhalt ist laut Experten besorgniserregend. Waren 2017 nur fünf Prozent aller Flüsse, Bäche und Seen im Land in einem guten ökologischen Zustand, ist diese Zahl inzwischen auf nur noch drei Prozent geschrumpft. Das geht aus Messdaten des Landesamts für Hochwasserschutz und Gewässerwirtschaft hervor. Mehr als jedes dritte Gewässer wird demnach nur noch mit der schlechtesten ökologischen Stufe bewertet.

Altlasten aus DDR-Zeiten

Burkhard Henning vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft sieht vor allem in der Industrie einen Hauptschuldigen für den schlechten Zustand der Gewässer im Land. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Die Menschen haben während der Industrialisierung so stark in die Gewässer eingegriffen, das kann nicht in kurzer Zeit zurückgedreht werden", sagt Sachsen-Anhalts oberster Gewässer-Beauftragter, Burkhard Henning, Chef des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Was er damit meint: Bis zum Ende der DDR hatten beispielsweise Chemiebetriebe oder Kraftwerke wenige Auflagen, wenn es darum ging, etwa salz- oder säurehaltige Abwässer aus ihren Betrieben in die Natur abzuleiten.

In dieser Zeit sind viele Gewässer, vor allem in den Industrieregionen im Süden Sachsen-Anhalts in Mitleidenschaft gezogen worden. Volker Lüderitz steht seit Jahrzehnten regelmäßig knietief in solchen Flüssen, um sie zu untersuchen. Der Gewässerökologe von der Hochschule Magdeburg-Stendal stellt fest: "In den 1990er-Jahren hat sich vieles verbessert, weil für hunderte Millionen Kläranlagen gebaut wurden. Um das Jahr 2000 herum hatten wir den bislang besten Zustand, dann gab es allerdings eine Bewegung zurück."

Klimawandel als Herausforderung

"Schon seit Jahren erwärmen sich die Flüsse über das normale Maß hinaus. Im Hochharz wurden auf 800 Meter Höhe bereits Wassertemperaturen von 22 Grad gemessen", konstatiert Lüderitz. Für die Kaltwasserorganismen werde es zunehmend schwerer zu überleben. Das greife empfindlich in das Ökosystem der Gewässer ein, das auch ganz entscheidend von der Wassermenge abhänge.

Zunehmend trockene Sommer führen aber auch zu niedrigen Wasserständen. Dadurch werden von außen eingeleitete Stoffe weniger verdünnt, der Sauerstoffhaushalt droht zunehmend zu kippen. Für viele Fische und Organismen im Wasser ist das tödlich.

Intensive Landwirtschaft belastet viele Gewässer

Ebenfalls negativen Einfluss auf Gewässer haben laut Lüderitz und Henning sogenannte Feinsedimente. Besonders wenn Felder nah an Gewässern bewirtschaftet werden, werden feine Partikel aus der Erde aufgewirbelt. Der Wind treibt sie in Richtung Wasser. Gibt es vor Ort keine Ufervegetation mehr, senken sich die Staubkörner in das Wasser.

In Kombination mit niedrigen Wasserständen drohe wiederum eine Verschlammung, welche die Fortpflanzung vieler Fischarten, wie etwa des Lachses oder der Forellen, deutlich erschwere, so Lüderitz. Burkhard Henning vom LHW weist darauf hin, dass bereits eine Reihe von Maßnahmen in der Landwirtschaft umgesetzt wurden, auch was den Einsatz von Chemikalien zum Pflanzenschutz betrifft. Positive Ergebnisse würde man allerdings erst in einigen Jahren sehen.

Wehre sind weiteres Risiko für Flüsse

Ein weiterer Dorn im Auge der Gewässerexperten: Wehre. Vielerorts mittlerweile im Sinne des Hochwasserschutzes nutzlos und dennoch stauen sie die Flüsse. Kombiniert mit niedrigen Wasserständen und warmen Temperaturen häuft sich dann hier organisches Material an. Das Risiko, dass sich giftiger Faulschlamm bildet, steigt dadurch. Eine Reihe von Vereinen, wie etwa die Interessengemeinschaft Bode-Lachs setzen sich deshalb für den Abbau möglichst vieler Wehre ein, um den natürlichen Lauf der Flüsse wiederherzustellen.

LHW-Chef Henning weist daraufhin, dass solche Maßnahmen langwierig seien, man bräuchte neben viel Planung auch die Zustimmung mehrerer Flächeneigentümer für den Rückbau. Volker Lüderitz sieht das Problem darin, dass sich viele Wehre in Privatbesitz befänden, etwa um dort durch Wasserkraft Energie zu erzeugen. Und das Europäische Recht räumt ein, dass alle Maßnahmen im Einverständnis mit den Menschen vor Ort sein müssen.

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EU-Ziel für Gewässerqualität "aussichtslos"

Eigentlich war auf EU-Ebene beschlossen worden, bis 2027 einen guten ökologischen Zustand in allen Gewässern herzustellen. Dieser Termin war bereits mehrfach nach hinten verschoben worden und bleibt "aussichtslos", sagt der Gewässerökologe Volker Lüderitz. Er bemängelt auch, dass etwa die Bode auf Landesebene eigentlich als prioritäres also besonders schützenswertes, Gewässer eingestuft ist, auch in einem Gewässerentwicklungskonzept ist das festgehalten. Dennoch werden Teile der Bode seit Jahrzehnten stark belastet.

Erst kürzlich erhielt Ciech Soda eine Genehmigung, unter Auflagen weitere acht Jahre, salzhaltige Abwasser in die untere Bode bei Staßfurt einzuleiten. An dieser Stelle hat die Bode die schlechteste ökologische Bewertung. So liegen etwa die Chlorid-Werte mehr als zehn Mal so hoch wie der Richtwert. Der Zustand der Bode an dieser Stelle sei indiskutabel schlecht, so LHW-Chef Henning.

Allerdings existiere noch nicht für jede Art von Abwasser Reinigungstechnik, man könne den Unternehmen nur die Auflagen geben, die sie auch technisch erfüllen könnten. Den Produktionsstandort aufzugeben, sei nicht möglich. Zudem würden regelmäßig Kontrollen der Wasserqualität stattfinden.

Probleme in den Kläranlagen

Für alle Flüsse im Land bahnt sich zudem die nächste Belastungsprobe an. Weil in Klärwerken die Chemikalien knapp werden, bereitet Sachsen-Anhalts Umweltministerium einen Erlass vor, durch den das geklärte Wasser mehr Phosphat als bisher enthalten darf. Phosphat wirkt, vereinfacht gesagt, als Dünger für Wasserpflanzen wie Algen. Auch durch intensive Düngung in der Landwirtschaft gelangt es in das Grund-und Oberflächenwasser. Weil viele Pflanzen viel Sauerstoff verbrauchen, erhöht sich so ebenfalls das Risiko der Verkrautung und Verschlammung der Gewässer.

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MDR (Max Hensch, Thomas Tasler)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Oktober 2022 | 17:00 Uhr

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