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Grundschullehrerin Birgit Pitschmann wurde gekündigt, weil sie nicht bereit war, eine seit Ostern verpflichtende Zusatzstunde abzuleisten. Bildrechte: MDR/Katharina Häckl

Zusätzliche Unterrichtsstunde verweigertNach 39 Dienstjahren: Lehrerin klagt gegen fristlose Kündigung

12. September 2023, 14:05 Uhr

Weil eine Grundschullehrerin aus Sachsen-Anhalt eine verpflichtende zusätzliche Unterrichtsstunde abgelehnt hat, ist ihr gekündigt worden. Das Land wertete ihre Haltung als Arbeitspflichtverweigerung. Vor der Kündigung soll es ein Personalgespräch und eine Abmahnung gegeben haben. Die Linke im Landtag kritisierte die Entscheidung und forderte vom Land, die Kündigung zurückzunehmen. Derweil hat die Lehrerin aus dem Altmarkkreis Salzwedel Klage gegen ihre Kündigung eingereicht.

In Sachsen-Anhalt klagt eine Grundschullehrerin gegen ihre fristlose Kündigung durch das Land. Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT hat die angestellte Lehrerin am Freitag Klage vor dem Arbeitsgericht Magdeburg eingereicht. Ein Verhandlungstermin stehe jedoch noch nicht fest.

Das Land Sachsen-Anhalt hatte der Grundschullehrerin gekündigt, weil sie die Erteilung einer verpflichtenden Zusatzstunde pro Woche verweigert hat. Bildungsstaatssekretär Jürgen Böhm sagte der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch, dass es immer bedauerlich sei, angesichts des Fachkräftemangels Personal zu verlieren. In dem konkreten Fall habe man jedoch über einen Zeitraum von mehreren Monaten alle milderen Maßnahmen ausgeschöpft. Zuerst hatte die "Magdeburger Volksstimme" (€) berichtet.

Lehrerin lehnte Zusatzstunde ab

Damit weniger Unterrichtsstunden ausfallen, müssen Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen-Anhalt seit den Osterferien eine Stunde pro Woche zusätzlich unterrichten. Diese können sie sich auszahlen lassen oder auf einem Arbeitszeitkonto ansammeln. Die betreffende Lehrkraft habe sich seit geraumer Zeit und mehrmals geweigert, die Vorgriffsstunde zu leisten, teilte das Landesschulamt auf Anfrage mit.

Dies stelle eine Arbeitspflichtverweigerung dar. Vor der Kündigung hat es den Angaben zufolge Personalgespräche und eine Abmahnung gegeben. "Der Personalrat hat darum letztlich auch keine Einwände gegen die Kündigung erhoben", erklärte das Landesschulamt. Die Lehrerin habe genau gewusst, "zu welchen Konsequenzen ihr Handeln führen wird". Das Landesschulamt werde grundsätzlich keine Verweigerung von Lehrkräften akzeptieren, welche die Vorgriffstunde nicht halten wollen, so das Landesschulamt weiter.

Durch die Kündigung müssten nun 27 Unterrichtsstunden pro Woche kompensiert werden, teilte das Landesschulamt auf Anfrage mit.

Diese Ausnahmen gibt es bei der ZusatzstundeNach § 4b Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen sind folgende Lehrkräfte von der Mehrarbeitsstunde befreit:

-Lehrkräfte mit einem Grad der Schwerbehinderung von mindestens 50
-Lehrkräfte mit vorübergehend verminderter Dienstfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen (ärztliches Attest)
-Lehrkräfte, die das 62. Lebensjahr vollendet haben
-Lehrkräfte mit genehmigter Teilzeit aus zwingenden familiären Gründen
-Lehrkräfte mit genehmigter Familienpflegezeit

Linke fordert Rücknahme der Kündigung

Die Linke forderte Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) auf, einzugreifen und die Kündigung zurückzunehmen. "Es macht sprachlos, dass man als Schulbehörde auf die Idee kommen kann, eine verdiente Lehrerin nach 39 Dienstjahren fristlos rauszuschmeißen, weil sie nachvollziehbar erklärt hat, dass sie es nicht schafft, 28 Wochenstunden Unterricht zu erteilen", sagte der bildungspolitische Sprecher Thomas Lippmann.

GEW fordert Abschaffung der Zusatzstunde

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat das Vorgehen des Landesschulamtes kritisiert und fordert die Abschaffung der Zusatzstunde. Die Landesvorsitzende Eva Gerth sagte im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT: "Wir haben der Kultusministerin empfohlen, die Vorgriffsstunde wieder vom Tisch zu nehmen". Die Maßnahme sei über die Köpfe der Lehrer hinweg beschlossen worden. "Niemand hat mit ihnen gesprochen", kritisierte Gerth. Zudem sei das Ziel einer 100-prozentigen Unterrichtsversorgung durch die Mehrarbeit nicht erreicht worden.

Die Gewerkschafterin verwies auch auf handwerkliche Mängel und Verstöße gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz. So werde nicht jede tatsächlich gehaltene Stunde bezahlt. Man habe es technisch nicht hinbekommen, die Stunden zum Monatsende zu bezahlen. Jetzt solle das erst zum Schuljahresende geschehen. Das verstoße gegen die Arbeitszeitverordnung.

Mehrere Klagen anhängig

Die Gewerkschaft bietet den Betroffenen zudem Unterstützung für andere Rechtsmittel an. So sei eine Klage gegen den Erlass selbst bereits anhängig, ebenso gegen die Nichtzahlung der Bezüge.

Das Landesschulamt wollte sich zu den Klagen nicht äußern. Die Kündigung der Lehrerin aus der Altmark sei bisher der einzige Fall dieser Art in Sachsen-Anhalt.

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dpa, MDR (Katharina Häckl, Annekathrin Queck, Anne Gehn-Zeller) | Erstmals veröffentlicht am 06.09.2023

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio so wie wir | 08. September 2023 | 12:00 Uhr

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