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InterviewKirchenbaudezernentin: "Brand ist ein markerschütterndes, verstörendes Ereignis"

04. August 2023, 12:22 Uhr

Man liest in Kirchenchroniken und uralten Schriften oft von Feuer in Kirchen, abgebrannten Kirchtürmen und Brandschäden. Heutzutage kommt das selten vor, aber wenn eine Kirche brennt, ist das Entsetzen groß. Wie am Freitagmorgen in Großröhrsdorf in der Oberlausitz. Dort ist die Stadtkirche abgebrannt. Wie schmerzlich ist der Verlust? Das hat MDR SACHSEN die zuständige Baudezernentin bei der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen, Oberlandeskirchenrätin Carmen Kuhn, gefragt.

Frage: Frau Kuhn, was war Ihre erste Reaktion am Freitagmorgen, als Sie vom Brand in Großröhrsdorf hörten?

Carmen Kuhn: Ich bin erschüttert. Immer wenn eine Kirche brennt, ist es ein markerschütterndes Ereignis. All den Schaden zu sehen, der eingestürzte Turm, der Dachstuhl am Boden, überall Ruß und Trümmer, wo einst Leben war mit Taufen, Hochzeiten und Menschen, die sich zu Gebeten und Gottesdiensten trafen. In der Historie von Kirchgemeinden kommen Brände immer wieder vor. Heute passiert das sehr selten. Es ist ein unvergleichlich verstörendes Ereignis.

Welchen Verlust für die Kirchenlandschaft und die Landeskirche bedeutet dieser Brand?

Die Kirche in Großröhrsdorf galt als sehr homogene Barockkirche mit einheitlicher barocker Ausstattung innen wie außen. Ihr Erhaltungszustand war gut. Sie war von 2012 bis 2017 umfassend saniert und erneuert worden und ist kirchengeschichtlich sehr wertvoll. 2016 wurde für 40.000 der barocke Altar restauriert. Es ist unglaublich traurig, wenn wir feststellen müssen, dass alles verbrannt ist. Die Schockstarre der Gemeindemitglieder ist verständlich.

Zur Historie der Stadtkirche Großröhrsdorf

  • Seit 1736 grüßte der fast 50 Meter hohe Turm der Stadtkirche von Großröhrsdorf ins Land.
  • Er gehörte zur typischen barocken Saalkirche, die vor 287 Jahren vom Theologieprofessor und Dresdner Superintendenten Valentin Ernst Löscher eingeweiht wurde. Der Spross einer Pfarrerdynastie seit der Reformation legte auch die Grundsteine für die Frauenkirche, Dreikönigskirche und Matthäuskirche in Dresden.
  • Altar und Taufstein waren hölzerne Kopien der Sakralgeräte aus Marmor, die bis 1945 in der Thomaskirche Leipzig standen. Ein Großröhrsdorfer hatte die Anfertigung 1745 veranlasst und aus Liebe zu seiner Heimat bezahlt.
  • Die Orgel mit 48 klingenden Registern und drei Manualen galt als ungewöhnlich groß in Sachsen. Sie war 1997/98 umfassend erneuert worden. Dafür hatte die Kirchgemeinde viele Spender gefunden.
  • Das Geläut bestand aus vier Eisenhartgussglocken aus dem Jahr 1919.
  • In der Kirche hingen zwei stark typisierte Bildnisse von Martin Luther und Philipp Melanchton aus dem Jahr 1614.
  • Für die Stadt Großröhrsdorf galt die Kirche als wichtiges Kulturobjekt.


Quellen: Ev.-Luth. Pfarramt Kirchgemeinde Groß- und Kleinröhrsdorf/Ev. Landeskirchenamt Sachsen

Wie wird es weitergehen?

Es wird sicherlich den langen Weg der Aufarbeitung geben, um zu klären: Was ist passiert? Welche Schäden sind entstanden? Wir werden die Kirchgemeinde eng begleiten. Mein großer Dank geht jetzt erst einmal an die vielen Feuerwehrleute, die über Stunden mit großem Personaleinsatz ihr Bestes gaben. Sie konnten die Kirche nicht retten, aber noch weiteren Schaden verhindern. Das erleben zu müssen, ist sicher auch ein Schock für die Feuerwehrleute.

Vielen Dank für das Gespräch.

MDR (kk)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 11. August 2023 | 19:00 Uhr