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Am Großteich bei Niesky darf auch ohne Fischereischein geangelt werden. Der Teichwirt stellt den Erlaubnisschein aus. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Angeln für JedermannAngebissen: Ast oder Stör? Ein Angelversuch ohne Fischereischein

14. April 2024, 14:10 Uhr

Fischpuff nennen manche abfällig Angelteiche, die nicht nur einen natürlichen Tierbestand aufweisen, sondern von Teichwirten bewirtschaftet werden. Die Fische zum Beißen zu bewegen, ist trotzdem nicht so einfach, findet MDR SACHSEN-Reporterin Madeleine Arndt.

Heinrich schaut auf das glitzernde Wasser. Der Zehnjährige strahlt. Ganz spontan hatte sich seine Familie überlegt, angeln zu fahren. Noch am Abend sind sie ins Wohnmobil gestiegen und zum Großteich bei dem Dorf mit dem ulkigen Namen See in der Nähe von Niesky gefahren. Wenn das kein cooler Kurzurlaub ist!

Du musst nur den Bügel aufmachen, die Schnur locker lassen und weit werfen.

Johann | angehender Profiangler

Steffen Unger ist mit Partnerin Linn und den beiden Jungs spontan mit dem Wohnmobil hergefahren. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

"Wir sind das erste Mal hier und haben heute früh halb sieben die Angelkarte gekauft", sagt der Großenhainer Steffen Unger, der mit seiner Partnerin die Sonne genießt. Ihre beiden Jungs Heinrich und Johannes werfen die Angeln aus. Das sei gar nicht kompliziert, sagt Johann: "Du musst eigentlich nur den Bügel aufmachen, die Schnur locker lassen und weit werfen."

Sohn will Fisch, Papa eher nicht

So stehe ich also hier an dem beeindruckend großen Angelteich - mit meiner Familie im Schlepptau. Sohn Richard, elf Jahre, ist genauso fasziniert vom Angeln. Er will heute unbedingt was fangen und hat gleich zwei überdimensionierte Messer eingepackt, um den Fisch zu schlachten. "Dein Job", sage ich und fixiere meinen Mann. Sorry, aber wenn es hart auf hart kommt, muss er ran. Ist bei uns schon Familientradition.

Mein Mann Sven verdreht die Augen. Bereits auf der Herfahrt hatte er heruntergebetet, welche zwingend nötigen Utensilien wir alles nicht besitzen. Um es kurz zu machen: Auf unserer Habenseite stehen im Wesentlichen zwei Angelruten.

Mais als Superköder

Deshalb steuern wir zuerst die Angelbox an. In dem Containerhäuschen verkauft Emma Kittner, die Tochter des Teicheigentümers, nicht nur die Erlaubnisscheine, um einen Tag angeln zu dürfen, sondern auch jegliches Zubehör.

Emma Kittner betreut in der Regel den Verkaufscontainer. Hier gibt es Köder, Angelzubehör und sogar Fischplüschtiere. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

"Einen Kescher werden Sie schon brauchen, wie wollen Sie sonst den Fisch aus dem Wasser kriegen?!", sagt die junge Frau und deutet auf ein riesiges Netz, in das auch ein Meter-Wels passen könnte. Für 20 Euro Pfand leihen wir uns den Kescher aus.

Einen Kescher werden Sie brauchen.

Emma Kittner | Teichwirtschaft Petershain

Dazu kaufen wir Köder. Störpellets, Maden und Würmer seien bei ihr der Kassenschlager, verrät die 21-Jährige. Wir wählen was zum Anfüttern, eine Dose Maden und Maiskörner. Letztere gelten als Superköder, auf die unter anderem Karpfen so richtig abfahren.

Schwarzangeln ist strafbar

Fast 37 Hektar misst der Großteich, erzählt mir der Eigentümer und Chef der Teichwirtschaft Petershain, Armin Kittner. Seit März kann hier auch ohne Fischereischein geangelt werden. Dazu stellt die Teichwirtschaft einen sogenannten Erlaubnisschein für 20 Euro am Tag aus. Denn Schwarzangeln ist in Deutschland eine Straftat.

Armin Kittner hat Ende März am Großteich bei Niesky ein Angelparadies eröffnet. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Der Erlaubnisschein sei da eine gute Sache: "Für die, die selten angeln gehen, wie der Großvater mit dem Enkel", sagt der Teichwirt. Dazu gibt es ein Merkblatt zum tierschutzgerechten Schlachten, fachkundiges Teichpersonal vor Ort und freundliche Angelnachbarn, sodass nichts schiefgehen sollte.

Zum Aufklappen: Fischwilderei in Sachsen

Das Schwarzangeln ist eine Straftat nach § 293 StGB und kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft werden.

Im Jahr 2022 hat die sächsische Polizei beispielsweise 41 Fälle von Fischwilderei zur Anzeige gebracht. Im Jahr 2019 waren es 37 Fälle. Schwarzangeln wird in den Direktionsbereichen mal häufiger und mal weniger oft festgestellt.
Quelle: Polizeidirektionen in Sachsen

Bissanzeiger piepen

Unterdessen suchen sich Richard und seine Schwester Elisabeth den Angelplatz aus. Am ganzen Ufer des Großteichs verteilt haben sich an diesem Sonnabend Angler eingerichtet. Bei einigen vermitteln Klapptisch und Stühle gemütliche Campingstimmung, bei anderen Doppelhalterungen für Angelruten und schrankgroße Zubehörkoffer Respekt und Demut.

Madenparty in der Schachtel

Dazu piept es, als öffne jemand ständig sein Auto. Das sind elektronische Bissanzeiger. Sowas haben wir nicht. Naja, wir werden einfach gucken, ob bei uns der Schwimmer - im Angelsprech die Pose - wackelt.

Wir breiten an unserem Platz eine Decke aus, stellen unsere Hocker hin und platzieren die Angeln. Elisabeth öffnete die frisch erworbene Madenbox und blickt in - bäh - ein weißes Gewimmel. Der Papa muss her!

Das ist eklig.

Elisabeth | beim Blick in die Madenschachtel

Elisabeth hält die Schachtel mit den Maden in der Hand. Da drin herrscht ordentlich Gewimmel. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Eine Made wird mit spitzen Fingern aus der Wurmparty gefischt und an den Haken gefummelt. "Das ist eklig", findet Elisabeth. Wir beschließen, lieber mit den eingeweichten Maiskörnern zu angeln.

Angeln und Durchatmen

Und jetzt kommt das Schöne: Während die Kinder ihre Angeln auswerfen und wieder einholen, passiert etwas mit der Zeit. Sie scheint still zu stehen und gleichzeitig im Flug zu verstreichen. Wir sind hier am See in Familie zusammen, ohne dass wir uns als Eltern um etwas kümmern oder zusätzlichen Spaßfaktor bieten müssen. Es wird nicht mal nach den Handys verlangt. Wow.

Beim Angeln vergeht die Zeit anders. Auch Handys werden von den Kindern nicht vermisst. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Fangerfolge mitohne Anglerlatein

Mein Blick fällt zum Nachbarn, der gerade einen massigen Karpfen aus dem Wasser wuchtet. Der Ukrainer Maxim Filonjenko zeigt mir seinen Fang. Er ist mit seiner Frau Irina das dritte Mal am Großteich. Heute hat er vier Fische im Kescher - alles Karpfen.

Maxim Filonjenko hat vier Karpfen in seinem Kescher. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Nun bin ich neugierig geworden. Ich erfahre, an welcher Stelle heute der richtig große Fang gemacht wurde und gehe hin. Ausgerechnet dort ist es am ungemütlichsten. Hannes Winterlich sitzt mit seinem Angelfreund in direkter Nähe vom dauerdröhnenden Aggregat, das den Verkaufscontainer der Kittners mit Strom versorgt.

Man sollte nicht auftrampeln. Fische nehmen Schwingungen wahr, Geräusche eigentlich nicht so.

Hannes Winterlich | Angelprofi

"Ist das nicht zu laut?", frage ich. "Nö, nö. Ist an sich angenehm nach 'ner Stunde ungefähr", meint der 19-Jährige. Ich bin kurz verwirrt und präzisiere meine Frage. "Ach für die Fische? Nö, das stört die Fische nicht. Man sollte nur nicht auftrampeln. Die Fische nehmen Schwingungen wahr, Geräusche eigentlich nicht so."

Zum Beweis präsentiert der junge Mann aus Kreba-Neudorf einen mega Spiegelkarpfen. Zwei bis drei Kilo wird er nach seiner Schätzung wiegen, mit Anglerlatein fünf Kilo.

Hannes Winterlich hält einen Prachtkarpfen in seinen Händen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Der 19-Jährige ist leidenschaftlicher Angler, ein Fan vom Großteich und bereits das sechste Mal hier. "Ich habe hier einen 1,38 Meter Stör gefangen. Hier ist von allem was Großes drin, Karpfen bis 20 Kilo ungefähr."

Schwanenalarm und Rückzug

Mir bleibt die Luft weg, die Angaben sind hoffentlich mit Anglerlatein. Sonst muss ich fürchten, dass mein Mann gerade mit einem walähnlichen Karpfen ringt. Ich gehe besser zu unserem Platz zurück.

Mama, ich habe ein Blatt gefangen.

Elisabeth | Angelneuling

Elisabeth angelt Blätter und Gestrüpp aus dem Teich. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

"Mama, ich habe ein Blatt gefangen", ruft mir von dort meine achtjährige Tochter begeistert zu und ich bin erleichtert. In den nächsten Stunden wird sie noch Schilf und ein paar Zweige aus dem Wasser holen sowie beim Ausholen der Rute den Angelhaken in ihr Kleid festhängen. "Ich habe mich selbst gefangen", heißt es dazu mit großer Freude. Mein Sohn ist dagegen mit Ernst und Ehrgeiz bei der Sache - er will einen Fisch. Leider beißt keiner an.

Ein fauchender Schwarn treibt uns in die Flucht. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Dafür steuert ein großer Schwan auf uns zu. Er hat die Flügel kämpferisch aufgestellt und faucht böse. Dann frisst er uns doch tatsächlich das Lockfutter für die Fische weg. Okay, wir packen unsere Sachen.

Vier Stunden haben wir geangelt, zwar ohne Erfolg, aber mit Spaß - wie uns die Kinder versichern. Die dürfen nun den Kescher zurückgeben und holen sich im Containerhäuschen noch ein Eis. Die volle Madenbox nehmen wir mit nach Dresden. Vielleicht können wir an der Elbe einen Angler mit Fischereischein damit glücklich machen.

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 16. April 2024 | 14:30 Uhr

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