Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Agrarminister als Strohpuppe: Bei der Landwirte-Demo vor dem sächsischen Landtag wurde das Agieren des sächsischen Agrarministers Wolfram Günther (Grüne) stark kritisiert. Bildrechte: Roland Halkasch

BauerndemoWegen verspäteter Zahlung: Bauern demonstrieren vor Landtag

01. November 2023, 13:43 Uhr

Einen Ausnahmezustand gab es am Mittwoch rund um die Dresdner Altstadt. Traktoren aus ganz Sachsen rollten morgens zum Landtag. Die Bauernvereinigung "Land schafft Verbindung" hatte zur Demonstration aufgerufen. Sachsens Landwirte sind aufgebracht. In der vergangenen Woche hat Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) eingeräumt, dass sein Ministerium EU-Gelder verspätet an die Landwirte auszahlen wird. Im Landtag musste sich der Minister in einer Sondersitzung erklären.

Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell App.


Zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte haben am Mittwoch vor dem Landtag in Dresden protestiert. Laut Polizei waren sie mit rund 130 Traktoren vorgefahren. Aufgerufen zu der Aktion hatte unter anderem der Interessenverein "Land schafft Verbindung". Er kritisierte Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) und seine Behörde. Günther hatte zuvor eingeräumt, dass sein Ministerium EU-Gelder nicht wie üblich im Dezember an die Landwirte auszahlen kann, sondern im kommenden Jahr.

Wofür bekommen Sachsens Landwirte die EU-Millionen?Die etwa 7.000 Agrarunternehmen in Sachsen erhalten aus EU-Töpfen sogenannte Direktzahlungen: Pro Hektar Landfläche überweist Brüssel 240 Euro, um die Betriebe zu unterstützen. Dafür gibt es seit 2023 strengere Umweltauflagen, an die sich die Bauern halten müssen. Weiterhin bekommen rund 3.000 Agrarbetriebe eine Ausgleichszulage von 55 Euro pro Hektar, weil sie in benachteiligten Gebieten liegen. Nach vorläufigen Schätzungen fließen im Jahr 2023 insgesamt 225 Millionen Euro Direktzahlungen nach Sachsen und 16 Millionen Euro
an Ausgleichszulagen.

Quellen: Sächsisches Ministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (Smekul), Landesbauernverband (SLB)

Sächsischen Bauern droht der Ruin

Dem Minister zufolge werden die Bauern das Geld bis Ende Februar 2024 erhalten. Der Vize-Präsident des Landesbauernverbandes (SLB), Hans-Uwe Heilmann, hat dagegen Günther aufgefordert, die Zahlungen bis Ende Dezember zu leisten. Viele Bauern stehen demnach unter wirtschaftlichem Druck, beispielsweise durch hohe Ausgaben für Kredite und Saatgut am Jahresende. Die späte Auszahlung treibe Betriebe in den Ruin. Für die rund 7.000 Agrarbetriebe in Sachsen geht es um insgesamt 241 Millionen Euro.

Diese Leute haben uns gesagt, dass wir grüner und ökologischer werden sollen, dass wir die Flächen stilllegen sollen. All das haben wir gemacht. Sie haben es bestellt und sie bezahlen es viel zu spät!

Olaf Kranen | sächsischer Landwirt aus Gaunitz

Auch Landwirt Olaf Kranen aus Gaunitz in Nordsachsen war zu der Demo gekommen. Auf einem als Rednerpodest umfunktionierten Anhänger stehend sprach er seinen Frust ins Mikrofon: "Diese Leute haben uns gesagt, dass wir grüner und ökologischer werden sollen, dass wir die Flächen stilllegen sollen. All das haben wir gemacht. Sie haben es bestellt und sie bezahlen es viel zu spät!" Das sei ungeheuerlich, das gehöre sich nicht, sagte Kranen unter Applaus.

Mit etwa 130 Traktoren sind am Mittwoch zahlreiche Bauern, darunter aus der Oberlausitz, vor den Sächsischen Landtag gezogen. Die Proteste richteten sich gegen die verspätete Auszahlung von EU-Beihilfen in Millionenhöhe. Bildrechte: Roland Halkasch

Sondersitzung im Landtag einberufen

Der Grund für die Verzögerungen sind dem Landwirtschaftsministerium zufolge neue, komplizierte EU-Förderregeln und Probleme, diese im digitalen Antragsverfahren abzubilden. Agrarminister Günther sprach von einer "echten Härte" für die von den Auszahlungsproblemen Betroffenen. Im Landtag erklärt Günther auch den Abgeordneten des zuständigen Ausschusses in einer Sondersitzung, warum die Auszahlung der Flächenprämie und der Ausgleichzulagen erstmals seit 30 Jahren nicht im Dezember erfolgte.

Der sächsische Landwirtschafts- und Klimaminister Wolfram Günther (Bündnis 90/Grüne) hat die Landwirtschaftsbetriebe wegen der Auszahlungen von EU-Geldern auf das kommende Jahr 2024 vertröstet. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / Klaus W. Schmidt

Wie Günther betonte, habe er alles darangesetzt, den Auszahlungstermin im Dezember zu halten. Er habe Personal aus dem Ruhestand geholt und eine Task Force gebildet. Den fünf beauftragten IT-Dienstleistern habe er alles besorgen wollen, was benötigt wird. "Hauptsache, dieser Termin im Dezember wird gehalten." Doch die Probleme seien zu groß. Jetzt gehe es darum, Überbrückungshilfen für die Landwirte zu organisieren, hieß es nach der Ausschusssitzung. Wie die aussehen sollen, ist noch unklar.

Druck kommt aus der Regierungskoalition

Der Druck auf Landwirtschaftsminister Günther ist auch aus den Reihen der Regierungskoalition immens. Sabine Friedel von der SPD teilte mit, dass der Staat in der Pflicht sei, sicherzustellen, dass die Auszahlungsverzögerung nicht zur Existenzfrage für die sächsische Landwirtschaft wird. Aus der CDU-Fraktion hieß es, alle Kraft müsse jetzt darauf verwendet werden, Hilfen für die Landwirte noch in diesem Jahr zu organisieren. Die CDU will sich zudem die Lage in anderen Bundesländern anschauen, um die politischen Verantwortlichkeiten zu klären.

MDR (Daniela Kahls/wim/jcz)/dpa

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Dresden | 01. November 2023 | 18:00 Uhr