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Sparkassen fordern eine Änderung des Geldwäschegesetzes, um Kontensperrungen zu vermeiden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Alexandra Schuler

GeldwäschegesetzHürden bei Kontoeröffnung für Ukraine-Flüchtlinge

09. August 2022, 20:58 Uhr

Die Sparkasse Chemnitz hat einem Flüchtling aus der Ukraine die Eröffnung eines Kontos verwehrt. Ausländerbeauftragter und Verbraucherzentrale kritisieren das. Sie fordern einen ungehinderten Kontozugang für ukrainische Geflüchtete. Die Bank beruft sich auf das Gesetz. Eine Kontoeröffnung ohne die richtigen Dokumente verstoße gegen das Geldwäschegesetz.

Der Fall eines ukrainischen Geflüchteten, dem die Sparkasse Chemnitz die Eröffnung eines Kontos verwehrt hat, erhitzt die Gemüter. Der Sächsische Ausländerbeauftragte und die Verbraucherzentrale Sachsen kritisieren das Vorgehen. In einem gemeinsamen Schreiben fordern sie einen freien Kontozugang für alle ukrainischen Kriegsflüchtlinge. Ihren Informationen zufolge würden Sparkassen eine Kontoeröffnung ablehnen, "weil einige ukrainische Ausweisdokumente nicht den modernen biometrischen Standards erfüllen".

Konkret wurde die Sparkasse Chemnitz benannt, die ihr Vorgehen demnach mit Vorschriften aus dem Geldwäschegesetz begründet. "Wir appellieren an die sächsischen Sparkassen, ihre Haltung zu überdenken", fordert der Sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth. "Es ist im Interesse aller, ukrainische Flüchtlinge zügig in unsere Gesellschaft und damit auch ins Wirtschaftsleben zu integrieren. Die BaFin hat deutlich gemacht, dass sie ein Abweichen von den gesetzlichen Regelungen im Falle der ukrainischen Geflüchteten nicht beanstanden wird. Das muss auch genutzt werden."

Wir appellieren an die sächsischen Sparkassen, ihre Haltung zu überdenken.

Geert Mackenroth | Sächsischer Ausländerbeauftragter

Verbraucherzentrale Sachsen: Sparkassen sollten pragmatisch sein

Für den Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen, Andreas Eichhorst, sind die Geldwäsche-Vorschriften grundsätzlich sinnvoll, wie er im Gespräch mit MDR SACHSEN betont. Doch es gehe aktuell vor allem darum, Menschen in Not zu helfen: "Die Sparkassen haben als öffentliche Institute eine besondere Verantwortung bei diesem Thema." Man müsse pragmatisch sein, so Eichhorst. Das Vorgehen sei für den Geflüchteten "dramatisch". "Wenn einer flüchtet, denkt er nicht an alles oder hat vielleicht anstatt eines biometrischen Ausweises nur einen alten."

Das ist für den Geflüchteten dramatisch. Wenn einer flüchtet, denkt er nicht an alles oder hat statt eines biometrischen Ausweises nur einen alten.

Andreas Eichhorst | Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen

Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ohne Konto schwer

Eichhorst und Mackenroth wollen den bisher einzigen bekannten Fall in Chemnitz nutzen, um einen "Appell am Anfang" zu setzen. Banken und Sparkassen sollten die Ausnahmeregelung der BaFin umsetzen, damit die ukrainischen Kriegsflüchtlinge am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Eichhorst sagte weiter, die Entscheidung über eine Kontoeröffnung liege natürlich bei den Geldinstituten. "Wir hoffen auf ein Einlenken der Sparkasse. Das ist eine Gelegenheit, wo man Herz zeigen kann und muss."

Geflüchtete brauchen in Deutschland ein eigenes Konto, um am wirtschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Sparkasse Chemnitz: Kontoeröffnung mit Bürgerpass bleibt gesetzeswidrig

Die Sparkasse Chemnitz sieht aktuell keinen Grund, von ihrer Linie abzurücken. Pressesprecher Sven Mücklich erklärte auf Anfrage von MDR SACHSEN, jeder Geflüchtete erhalte ein Sparkassen-Konto, wenn er einen Identitätsnachweis im Sinne des Geldwäschegesetzes vorlegen kann: "Eine Kontoeröffnung mit anderen Dokumenten, die gegen das Gesetz verstoßen, lehnen wir ab – auch wenn die BaFin den Rechtsverstoß aktuell nicht beanstandet."

Geflüchtete, die keine Dokumente gemäß des Geldwäschegesetztes haben, könnten einen entsprechenden Ausweisersatz bei den Behörden beantragen. Damit würden sie selbstverständlich ein Konto erhalten.

Sparkasse wirbt für Anpassung des Geldwäschegesetzes

Mücklich weist darauf hin, dass die Sparkassen schon seit Monaten dafür werben würden, das Geldwäschegesetz anzupassen und verdeutlicht zugleich das Problem: "Eine Kontoeröffnung mit einem Bürgerpass ist und bleibt ohne eine Änderung ein Gesetzesverstoß. Geflüchtete mit einem Bürgerpass werden aktuell automatisch unter Geldwäscheverdacht gestellt."

Geflüchtete mit einem Bürgerpass werden aktuell automatisch unter Geldwäscheverdacht gestellt.

Sven Mücklich | Pressesprecher der Sparkasse Chemnitz

Eine Kontoeröffnung könne auf Grundlage eines Bürgerpasses für Geflüchtete dazu führen, dass das Konto später wieder gesperrt werden muss, wenn entsprechende Ersatzdokumente nicht vorliegen, berichtet Mücklich von einem ebensolchen Beispielfall. Hierbei musste das Konto eines Flüchtlings bereits nach wenigen Wochen wieder gesperrt werden.

Eigenen Angaben zufolge hat die Sparkasse Chemnitz bislang über 900 Konten für ukrainische Kriegsflüchtlinge eröffnet.

MDR (phb/Thomas Lopau), dpa

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 09. August 2022 | 13:00 Uhr