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ReaktionenForderung von Bannmeile um Flüchtlingsunterkünfte stößt auf geteiltes Echo

20. September 2023, 10:58 Uhr

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping will Geflüchtete in ihren Unterkünften besser vor rassistischen Angriffen schützen. Dazu will die Ministerin eine Bannmeile um Geflüchtetenunterkünfte einrichten. Damit dürften in einem bestimmten Abstand zu den Unterkünften keine Demonstrationen mehr stattfinden. Hintergrund für den Vorschlag sind immer wiederkehrende Aufmärsche von Rechtsextremisten vor Asylbewerberheimen. Die Reaktionen auf den Vorschlag sind geteilt.

Die Zahlen, die das sächsische Sozialministerium nennt, klingen dramatisch: Demnach hat es deutschlandweit im zweiten Quartal dieses Jahres 52 Mal Aufmärsche von Anhängern der rechten Szene vor Flüchtlingsunterkünften gegeben. Allein 44 Aufmärsche davon fanden in Sachsen statt, das sind 82 Prozent. Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) sieht deshalb dringend Handlungsbedarf. "Diese Bedrohungssituation ist nicht akzeptabel und kann nicht länger toleriert werden. Deshalb bitte ich den Innenminister, sämtliche zur Verfügung stehende Möglichkeiten zu nutzen", so Köpping. Dazu gehöre auch die Einrichtung von Schutzzonen um sensible Objekte und das entsprechende Zusammenwirken von Versammlungs- und Polizeibehörden.

Keine Versammlungen im Umkreis

Das Ziel der Ministerin: Im Umkreis von 200 Metern zu den Unterkünften sollen keine Versammlungen mehr erlaubt sein. Köpping verweist auf Brandenburg, wo so etwas bereits Praxis sei. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) ist damit jetzt an der Reihe. Auf Nachfrage von MDR Aktuell will sich der Minister aber zurzeit nicht öffentlich äußern. Zur Begründung heißt es schriftlich: "Ich bevorzuge prinzipiell zunächst den direkten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett, natürlich auch mit Frau Köpping. Mögliche Bewertungen über die Medien halte ich erst danach für richtig."

Recherchen des MDR haben ergeben, dass innerhalb der sächsischen Regierungskoalition gerade diskutiert wird, mit welchen Mitteln Unterkünfte für Geflüchtete geschützt werden können. Hintergrund ist die geplante Reform des Versammlungsgesetzes im Freistaat.

Flüchtlingsrat begrüßt Vorschlag

Dringenden Handlungsbedarf sieht der Sächsische Flüchtlingsrat. Dessen Sprecher Dave Schmidtke sagte, man begrüße den Vorschlag von Frau Köpping ausdrücklich. "Gerade in den vergangenen Monaten konnten wir beobachten, dass gerade bei den Unterkünften für Geflüchtete Angriffe im Anschluss stattfanden, wenn vorher Kundgebungen von der AfD oder den Freien Sachsen die Leute aufgeheizt haben", so Schmidtke. Das konkrete Beispiel sei Bautzen, wo eine Kundgebung der AfD stattgefunden habe - eine Woche vor dem Anschlag mit Brandsätzen auf eine geplante Unterkunft.

Das konkrete Beispiel wäre hier Bautzen, wo eine Woche vor dem Anschlag mit den Brandsätzen auf eine geplante Unterkunft eine Kundgebung der AfD stattfand.

Dave Schmidtke | Sächsischer Flüchtlingsrat

Gewerkschaft der Polizei sieht keinen Handlungsbedarf

Die Gewerkschaft der Polizei in Sachsen hingegen sieht keine Notwendigkeit, eine Bannmeile einzurichten. Landeschef Jan Krumlovsky sagte, das Versammlungsgesetz gebe - wie auch in Brandenburg - bereits die Möglichkeit, einer beschränkten Verfügung, bei dem einem Demonstrationsanmelder verboten werden könne, sich auf einen bestimmten Abstand einer Unterkunft zu nähern. "Dieser Abstand wird im Zusammenspiel zwischen den Beteiligten, also der Versammlungsbehörde, der Polizei und dem Anmelder situationsangepasst festgelegt und daran wird sich auch in der Regel gehalten." Die Arbeit der Polizei würde sich auch durch die Vorgabe einer Bannmeile nicht ändern, sagt Krumlovsky.

Wir haben bei Versammlungen selbstverständlich auch das Umfeld im Blick und können gegebenenfalls darauf reagieren.

Jan Krumlovsky | Gewerkschaft der Polizei in Sachsen

Ein Versammlungsgeschehen mit und ohne Bannmeile mache keinen Unterschied. Die Polizei sei für die ordnungsgemäße Durchführung und Gewährleistung der Versammlung zuständig. "Und dabei haben wir selbstverständlich auch das Umfeld im Blick und können gegebenenfalls darauf reagieren", so der Gewerkschaftler.

Immer wieder gibt es in Sachsen Proteste gegen Unterkünfte für Geflüchtete, wie hier in Strelln. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO/Bernd März

Reform im Herbst?

Momentan laufen die Anhörungen zur Novelle des sächsischen Versammlungsgesetzes. Vorgesehen ist, das geänderte Gesetz noch im Herbst zu verabschieden.

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MDR (ben)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Nachrichten | 20. September 2023 | 06:00 Uhr