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Linken-AnfrageDiskussion um teure Auslandsreisen von Wirtschaftsminister Dulig

20. April 2023, 14:38 Uhr

Der Bund der Steuerzahler hat die hohen Reisekosten der sächsischen Landesregierung kritisiert. Präsident Thomas Meyer sprach im MDR von einer verheerenden Botschaft. Der normale Steuerzahler müsse beim Finanzamt jede Ausgabe begründen. Wirtschaftsminister Dulig spricht von einem Missverständnis. Anders als andere Ministerien hätte sein Ressort nicht nur die reinen Reisekosten der Regierung angegeben.

Die sächsische Landesregierung hat im vergangenen Jahr für Auslandsreisen 443.000 Euro ausgegeben – für insgesamt 58 Reisen. Die Links-Fraktion hatte dazu eine Anfrage gestellt. Mehr als die Hälfte entfiel demnach auf Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Besonders teuer waren die Touren mit Wirtschaftsdelegationen nach Großbritannien und Kanada, die mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben ausmachen.

Kanada-Reise mit Wirtschaftsdelegation kostete 145.000 Euro

Allein die einwöchige Reise nach Kanada hat rund 145.000 Euro gekostet, wie das Wirtschaftsministerium auf Anfrage bestätigte. Warum das so teuer war? Rund 110.000 Euro davon entfielen im Zuge der Wirtschaftsförderung Sachsen auf mitreisende Unternehmer, Mitarbeiter der Außenhandelskammer Kanada, Dolmetscher und Fotografen. Auch die weiten Bustransfers zwischen den Stationen der Reise in Kanada (Québec, Alberta und British Columbia) sowie Bewirtungskosten werden vom Ministerium als Gründe für die hohen Gesamtkosten der Reise aufgeführt.

Damit entfällt laut Ministerium der überwiegende Teil der Kosten auf die Wirtschaftsförderung, die bei jeder Reise anfielen - auch wenn sie keine politische Delegation begleite. Knapp 28.000 Euro Reisekosten fielen demnach für die vier Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums und Minister Dulig an.

Minister Dulig spricht von Missverständnis

Auch Wirtschaftsminister Martin Dulig selbst sprach auf Anfrage von MDR SACHSEN von einem Missverständnis. "Wir haben alle Kosten angegeben, die für Reisen insgesamt notwendig sind. Die reinen Reisekosten, die wir z.B. bei der letzten Kanada-Reise angegeben haben, liegen bei 27.000 Euro für eine gesamte Delegation für eine ganze Woche."

Dulig verteidigte zudem die rege Reisetätigkeit in der Außenwirtschaft: "Das war mir auch ein persönliches Anliegen. Ich habe bei meinem Antritt die Internationalisierung als Schwerpunkt meiner Arbeit genannt. Wir sind ein Exportland, aber sehr vom Automobil abhängig. Mein Ziel war, dass mehr Unternehmen in den Export gehen können, Sachsen aber auch attraktiv ist für ausländische Investoren. Und deshalb haben wir diesen Bereich massiv ausgebaut."

Kritik vom Steuerzahlerbund: Regierung muss Nutzen nicht nachweisen

In Kanada sollten unter anderem Geschäftsbeziehungen bei der Wasserstofftechnologie angebahnt werden. Ob das erfolgreich war, bleibe offen, kritisiert Rico Gebhardt, Fraktionschef der sächsischen Linken, der die Anfrage gestellt hatte: "Das ist die Frage, wo Aufwand und Nutzen miteinander in Verbindung steht, die Frage ist letztendlich, bringen die Reisen ein Ergebnis."

Auch für den Bund der Steuerzahler liegt genau hier ein Problem. Die Regierung müsse nicht nachweisen, ob sich der Aufwand gelohnt hat, sagte Thomas Meyer, Präsident vom Bund der Steuerzahler in Sachsen dem MDR. "Das ist an sich eine verheerende Botschaft. Da sind wir wieder bei diesem alten Spruch, öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken. Ich glaube, dieses Phänomen ist noch lange nicht überwunden, insbesondere wenn man bedenkt, wie der normale Steuerzahler jede Ausgabe beim zuständigen Finanzamt im Rahmen seiner Steuererklärung begründen muss."

Unternehmer aus Mittelsachsen: Kanada-Reise nützt in vielerlei Hinsicht

Der Unternehmer Lars Bergmann, der die Delegation im vergangenen Jahr begleitet hat, beantwortet die Frage, ob sich der Aufwand bei solchen Reisen lohnt, eindeutig mit ja – in vielerlei Hinsicht, wie Bergmann MDR SACHSEN sagte. Zum einen habe er mit seiner Firma Viaduct Technologies bei der Kanada-Reise eine Kooperation mit einem neuen Vertriebspartner für Kläranlagen besiegelt. "Wenn sächsische Politiker das unterstützen, hat das eine ganz andere Signalfunktion, als wenn ich allein dorthin reise". Das könne den Markteinstieg beschleunigen.

Wenn sächsische Politiker das unterstützen, hat das eine ganz andere Signalfunktion, als wenn ich allein dorthin reise.

Lars Bergmann | Chef der Viaduct Technologies GmbH in Wechselburg

Zum anderen seien bei der Reise auch neue Geschäftskontakte mit anderen Delegationsteilnehmern entstanden. So arbeite er jetzt gemeinsam mit der Chemnitzer Unternehmensberatung Move Consulting an Abwasserprojekten. Schließlich schärfe eine solche Reise den Blick der Politiker für die Probleme von Unternehmern: "Dieser Einblick in die Praxis außerhalb ihrer politischen Blase ist enorm wertvoll."

Wirtschaftsministerium: Auslandsreisen wichtig für Vertrauensbildung

Auch das sächsische Wirtschaftsministerium betont, wie wichtig solche Reisen mit Wirtschaftsdelegationen ins Ausland sind. Gerade nach der Pandemie hätten die Auslandsreisen für die sächsischen Unternehmen wieder eine große Bedeutung erlangt. "Wir waren das erste Bundesland, das Kanada nach dem Abschluss des Wasserstoffabkommens zwischen der Bundesregierung und der kanadischen Regierung im August 2022 besucht hat."

Wir waren das erste Bundesland, das Kanada nach dem Abschluss des Wasserstoffabkommens zwischen der Bundesregierung und der kanadischen Regierung im August 2022 besucht hat.

Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Zum Geschäftsaufbau gehöre immer auch Vertrauen in den neuen Partner, so das Ministerium weiter. Das erreiche man über das persönliche Kennenlernen. Schließlich könnten auch Unternehmen, die nicht mitgereist seien, von den in Kanada geknüpften Kontakten profitieren, etwa das Dresdner Unternehmen Ambartec, ein Technologie-Start-up in der Energie- und Wasserstoffspeicherung. Ambartec werde Ende April an der Canadian Hydrogen Convention in Edmonton teilnehmen. Es gebe bereits auch Überlegungen für kanadische Investitionen in Sachsen. Diese befänden sich aber noch in einem frühen Stadium, so das Ministerium.

MDR (kbe/udk)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 19. April 2023 | 09:00 Uhr