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Ausstellung im MdbKLeipziger Schau zeigt Leben und Werk der Fotografin Evelyn Richter

17. November 2023, 04:00 Uhr

Das Museum der bildenden Künste (MdbK) in Leipzig rückt in der Ausstellung "Evelyn Richter. Ein Fotografinnenleben" den Werdegang und das Freundschaftsnetzwerk der 2021 gestorbenen Künstlerin in den Mittelpunkt. Neben Evelyn Richters Werk wird auch das erste Mal überhaupt das künstlerische Œuvre der Fotografin Eva Wagner-Zimmermann, einer engen Freundin Richters, präsentiert. Die umfangreiche Ausstellung, die sich über zwei Etagen erstreckt, kann ab Freitag besucht werden.

Die 1930 in Bautzen geborene Evelyn Richter gehört ohne Frage zu den wichtigsten Fotografinnen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Seit 2009 wird ihr Œuvre im "Evelyn-Richter-Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig" gepflegt und erforscht. So geraten immer wieder neue Aspekte in den Blick, wie etwa ihr künstlerisches Umfeld, das in der aktuellen Schau einen breiten Raum einnimmt.

Studium an der Leipziger HGB und ein Freundschaftsnetzwerk

Evelyn Richter beginnt 1953 ihr Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Dort lernt sie Ursula Arnold und Eva Wagner kennen, was den Beginn einer lebenslangen Freundschaft markiert. Alle drei hatten zuvor eine Lehre als Fotografin absolviert und erlernen nun das Handwerk der Buchgestaltung, der Porträtfotografie und der Reportage.

Gemeinsam erkunden sie mit der Kamera in der Hand das Stadtleben und halten dieselben Impressionen fest – wie zum Beispiel die rätselhafte Aufnahme von einem Passanten vor einem Schaufenster. Verblüffender Weise ist dabei die Zusammenarbeit so eng, dass Evelyn Richter das Bild gar fälschlicherweise als eigenes Werk veröffentlicht, obwohl es von Eva Wagner stammt.

Evelyn Richter veröffentlichte die Fotografie fälschlicherweise als eigenes Werk, obwohl sie von Eva Wagner stammt. Bildrechte: Nachlass Eva Wagner-Zimmermann

Dieser geradezu symbiotische Freundschaftsbund ist eines der zentralen Themen der Schau, betont Jeannette Stoschek, die Leiterin des Evelyn-Richter-Archivs und langjährige Fotokuratorin am Leipziger Museum. In drei Räumen werden zum ersten Mal in dieser Breite die Arbeiten der drei Fotografinnen präsentiert. Kein Wunder, dass sich ihre Handschriften ähneln, die von den Klassikern der sozialdokumentarischen Schwarz-Weiß-Fotografie wie den Bildwelten der amerikanischen Agentur "Magnum" geprägt werden.

Bei allem Team-Spirit bleibt Evelyn Richter jedoch eine eigensinnige Künstlerin. Sie eckt – im toxischen kulturpolitischen Klima der frühen DDR – mit ihren ästhetischen Vorstellungen an und will den ideologischen Vorgaben der Hochschulleitung nicht folgen, was 1955 zu ihrem Rausschmiss führt.

Evelyn Richter als freiberufliche Fotografin

Ohne Studienabschluss arbeitet sie fortan als Fotografin für Verlage, Museen und Zeitschriften. Dabei macht sie auch seit den 1950er-Jahren etliche Bildreportagen, die um das Thema Frauen und Arbeit kreisen, wie etwa jene Serie in der Kammgarnspinnerei in Markkleeberg, bei der die Arbeiterinnen hinter ihren Maschinen zu verschwinden scheinen.

In der Kammgarnspinnerei in Markkleeberg enstand eine Serie von Evelyn Richter. Bildrechte: Evelyn Richter Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig

Die Leipziger Schau zeigt die vielen Facetten einer Künstlerin, die mit ihrem faszinierenden Werk Fotografiegeschichte geschrieben hat.

Andreas Höll, MDR KULTUR Kunstredakteur

Oder sie porträtiert eine Pförtnerin im Leipziger Rathaus, die sich hinter einem monumentalen Gitterfenster, Honeckers omnipräsentes Konterfei im Rücken, verschanzt hat.

Evelyn Richters Porträt einer Pförtnerin im Leipziger Rathaus. Bildrechte: Evelyn Richter Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig

Fotografien zeigen Alltag in der DDR

Die Künstlerin taucht in sozialistische Arbeitswelten ein und hält in einfühlsamen Bildern den Alltag in der DDR fest. In sich gekehrte Menschen in der S-Bahn, die lesen, schlafen, träumen, grübeln und so gar nicht den sozialistischen Helden der Arbeit entsprechen wollen. Dabei gelingen ihr immer wieder traumverlorene Aufnahmen, die die Zeit anzuhalten scheinen, wie etwa auch die berühmte Aufnahme aus dem Jahr 1972 in der Nähe der Ost-Berliner Museumsinsel.

Das Alltagsleben in der DDR spielt in Evelyn Richters Fotografien eine wichtige Rolle. Bildrechte: Evelyn Richter Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig

Perfekt komponiert, mit feinen Grauwerten in unzähligen Abstufungen, so hat Evelyn Richter dieses ikonische Bild geschaffen, bei dem zugleich auch Fernweh oder gar die Fantasien einer Republikflicht mitzuschwingen scheinen.

Selbstporträts als visuelles Tagebuch

Ganz anders kommen dagegen ihre Selbstporträts daher. Von der frühesten Selbstinszenierung als dadaistisch kostümierte Maschinenfigur aus dem Jahr 1952 bis zum farbigen Selbstbildnis, das sie 1994 in Paris gemacht hat. Die Arbeiten fungieren gewissermaßen als experimentelles Tagebuch der Fotografin, die das eigene Ich und seine vielfältigen Maskierungen auslotet. Und so zeigt die Leipziger Schau die vielen Facetten einer Künstlerin, die mit ihrem faszinierenden Werk Fotografiegeschichte geschrieben hat.

Evelyn Richter im Selbstporträt in Paris, 1994. Bildrechte: Evelyn Richter Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig

Informationen zur Ausstellung"Evelyn Richter. Ein Fotografinnenleben"
17. November 2023 bis 17. März 2024

Museum der bildenden Künste
Katharinenstraße 10
04109 Leipzig

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Mittwoch 12 bis 20 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: lig

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 17. November 2023 | 14:15 Uhr