Ausstellung im MdbKLeipziger Schau zeigt Leben und Werk der Fotografin Evelyn Richter
Das Museum der bildenden Künste (MdbK) in Leipzig rückt in der Ausstellung "Evelyn Richter. Ein Fotografinnenleben" den Werdegang und das Freundschaftsnetzwerk der 2021 gestorbenen Künstlerin in den Mittelpunkt. Neben Evelyn Richters Werk wird auch das erste Mal überhaupt das künstlerische Œuvre der Fotografin Eva Wagner-Zimmermann, einer engen Freundin Richters, präsentiert. Die umfangreiche Ausstellung, die sich über zwei Etagen erstreckt, kann ab Freitag besucht werden.
- Das MdbK in Leipzig widmet sich in einer Retrospektive dem Leben und Werk von Evelyn Richter.
- Ein Fokus der Schau ist die Zusammenarbeit mit den Fotografinnen Ursula Arnold und Eva Wagner.
- Evelyn Richter porträtierte in ihren Fotografien Frauen bei der Arbeit und zeigte den Alltag in der DDR.
Die 1930 in Bautzen geborene Evelyn Richter gehört ohne Frage zu den wichtigsten Fotografinnen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Seit 2009 wird ihr Œuvre im "Evelyn-Richter-Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig" gepflegt und erforscht. So geraten immer wieder neue Aspekte in den Blick, wie etwa ihr künstlerisches Umfeld, das in der aktuellen Schau einen breiten Raum einnimmt.
Studium an der Leipziger HGB und ein Freundschaftsnetzwerk
Evelyn Richter beginnt 1953 ihr Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Dort lernt sie Ursula Arnold und Eva Wagner kennen, was den Beginn einer lebenslangen Freundschaft markiert. Alle drei hatten zuvor eine Lehre als Fotografin absolviert und erlernen nun das Handwerk der Buchgestaltung, der Porträtfotografie und der Reportage.
Gemeinsam erkunden sie mit der Kamera in der Hand das Stadtleben und halten dieselben Impressionen fest – wie zum Beispiel die rätselhafte Aufnahme von einem Passanten vor einem Schaufenster. Verblüffender Weise ist dabei die Zusammenarbeit so eng, dass Evelyn Richter das Bild gar fälschlicherweise als eigenes Werk veröffentlicht, obwohl es von Eva Wagner stammt.
Dieser geradezu symbiotische Freundschaftsbund ist eines der zentralen Themen der Schau, betont Jeannette Stoschek, die Leiterin des Evelyn-Richter-Archivs und langjährige Fotokuratorin am Leipziger Museum. In drei Räumen werden zum ersten Mal in dieser Breite die Arbeiten der drei Fotografinnen präsentiert. Kein Wunder, dass sich ihre Handschriften ähneln, die von den Klassikern der sozialdokumentarischen Schwarz-Weiß-Fotografie wie den Bildwelten der amerikanischen Agentur "Magnum" geprägt werden.
Bei allem Team-Spirit bleibt Evelyn Richter jedoch eine eigensinnige Künstlerin. Sie eckt – im toxischen kulturpolitischen Klima der frühen DDR – mit ihren ästhetischen Vorstellungen an und will den ideologischen Vorgaben der Hochschulleitung nicht folgen, was 1955 zu ihrem Rausschmiss führt.
Evelyn Richter als freiberufliche Fotografin
Ohne Studienabschluss arbeitet sie fortan als Fotografin für Verlage, Museen und Zeitschriften. Dabei macht sie auch seit den 1950er-Jahren etliche Bildreportagen, die um das Thema Frauen und Arbeit kreisen, wie etwa jene Serie in der Kammgarnspinnerei in Markkleeberg, bei der die Arbeiterinnen hinter ihren Maschinen zu verschwinden scheinen.
Die Leipziger Schau zeigt die vielen Facetten einer Künstlerin, die mit ihrem faszinierenden Werk Fotografiegeschichte geschrieben hat.
Andreas Höll, MDR KULTUR Kunstredakteur
Oder sie porträtiert eine Pförtnerin im Leipziger Rathaus, die sich hinter einem monumentalen Gitterfenster, Honeckers omnipräsentes Konterfei im Rücken, verschanzt hat.
Fotografien zeigen Alltag in der DDR
Die Künstlerin taucht in sozialistische Arbeitswelten ein und hält in einfühlsamen Bildern den Alltag in der DDR fest. In sich gekehrte Menschen in der S-Bahn, die lesen, schlafen, träumen, grübeln und so gar nicht den sozialistischen Helden der Arbeit entsprechen wollen. Dabei gelingen ihr immer wieder traumverlorene Aufnahmen, die die Zeit anzuhalten scheinen, wie etwa auch die berühmte Aufnahme aus dem Jahr 1972 in der Nähe der Ost-Berliner Museumsinsel.
Perfekt komponiert, mit feinen Grauwerten in unzähligen Abstufungen, so hat Evelyn Richter dieses ikonische Bild geschaffen, bei dem zugleich auch Fernweh oder gar die Fantasien einer Republikflicht mitzuschwingen scheinen.
Selbstporträts als visuelles Tagebuch
Ganz anders kommen dagegen ihre Selbstporträts daher. Von der frühesten Selbstinszenierung als dadaistisch kostümierte Maschinenfigur aus dem Jahr 1952 bis zum farbigen Selbstbildnis, das sie 1994 in Paris gemacht hat. Die Arbeiten fungieren gewissermaßen als experimentelles Tagebuch der Fotografin, die das eigene Ich und seine vielfältigen Maskierungen auslotet. Und so zeigt die Leipziger Schau die vielen Facetten einer Künstlerin, die mit ihrem faszinierenden Werk Fotografiegeschichte geschrieben hat.
Informationen zur Ausstellung"Evelyn Richter. Ein Fotografinnenleben"
17. November 2023 bis 17. März 2024
Museum der bildenden Künste
Katharinenstraße 10
04109 Leipzig
Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Mittwoch 12 bis 20 Uhr
Redaktionelle Bearbeitung: lig
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 17. November 2023 | 14:15 Uhr