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Das Abhörzentrum soll die Telekommunikationsüberwachung auf den neusten Stand bringen – doch es hat mit Problemen zu kämpfen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Jahrelange VerzögerungenLeipziger Abhörzentrum für Polizei wird auch 2024 nicht fertig – Start unklar

19. April 2024, 05:00 Uhr

Nächster Tiefschlag für ein Millionen-Projekt der ostdeutschen Polizeibehörden: Das sogenannte Leipziger Abhörzentrum wird nach Informationen von MDR Investigativ auch im laufenden Jahr seinen Betrieb nicht aufnehmen.

Die Probleme beim sogenannten Abhörzentrum in Leipzig sind weiterhin nicht gelöst. Wie MDR Investigativ erfuhr, hat das erneut Folgen für die eigentlich seit Jahren geplante Eröffnung des Zentrums: Auch im laufenden Jahr wird das Abhörzentrum seinen Betrieb nicht aufnehmen, wie der Betreiber MDR Investigativ mitteilte. Auch eine Prognose, wann das Zentrum fertig wird, kann offenbar nicht abgegeben werden. Vom Abhörzentrum heißt es lediglich, man wolle die Inbetriebnahme "schnellstmöglich" erreichen.

Das sogenannte Abhörzentrum heißt eigentlich "Gemeinsames Kompetenz- und Dienstleistungszentrum auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung", kurz GKDZ. In dem Zentrum soll künftig die Telekommunikationsüberwachung der ostdeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin gebündelt werden. Der Plan: Im GKDZ mit Sitz in Leipzig sollen die benötigten Daten angefordert und für die Polizeien der Länder aufbereitet werden. Durch den gemeinsamen Aufbau der Anlage sollten letztlich Kosten gespart werden.

Abhörzentrum: Rechtliche Schritte gegen Software-Entwickler

Ursprünglich sollte das Zentrum in Leipzig im Jahr 2019 den Betrieb aufnehmen. Dann war 2021 geplant, später wurde der Termin auf 2024 verschoben. Doch nun wird es auch mit diesem Datum nichts.

Doch woran liegt die Verzögerung? Die GKDZ-Geschäftsstelle schiebt die Verantwortung vor allem auf das Unternehmen, welches die Software für die Telekommunikationsüberwachung liefert. Dieses habe Lieferverzögerungen angezeigt. Bei der Firma handelt es sich um das Leipziger Unternehmen Ipoque, welches wiederum zum Münchner Sicherheitsunternehmen Rohde und Schwarz gehört. Rohde und Schwarz selber äußert sich nicht zu den Problemen beim GKDZ-Aufbau und beruft sich auf MDR-Anfrage auf eine Verschwiegenheitsverpflichtung, die man gegenüber den Kunden habe.

Allerdings: Auf das Unternehmen könnten angesichts der massiven Verzögerungen Schadensersatzforderungen zukommen. Laut GKDZ wurden bereits "rechtliche Schritte" eingeleitet. Genauer ging die Geschäftsstelle darauf allerdings nicht ein.

Striegel: GKDZ ist "Geschichte des Scheiterns"

Angesichts des weiter unklaren Eröffnungsdatums nannte der sachsen-anhaltische Innenpolitiker Sebastian Striegel die Geschichte des GKDZ "eine Geschichte des Scheiterns". Striegel ist Grünenpolitiker und innenpolitischer Sprecher seiner Landtagsfraktion. Er kritisierte vor allem das federführende sächsische Innenministerium, dieses trage offensichtlich zum Scheitern bei. "Das ist höchst unbefriedigend für die anderen beteiligten Länder, denn dort sind die Investitionen in den Bereichen in den vergangenen Jahren mindestens gebremst worden." Wenn das GKDZ nicht fertig werde, ergebe sich irgendwann ein Sicherheitsproblem, weil die polizeiliche Telekommunikationsüberwachung nicht mit den entsprechenden technischen Entwicklungen Schritt halten könne. Striegel forderte, dass der sächsische Innenminister nun endlich einen realistischen Zeitplan vorlegen müsse.

Das sächsische Innenministerium wies die Kritik zurück, verantwortlich für den Aufbau und Betrieb der Anlage zur Telekommunikationsüberwachung sei das GKDZ.*

Bereits hoher zweistelliger Millionenbetrag in Aufbau geflossen

Wegen der jahrelangen Verzögerungen bei der Inbetriebnahme des GKDZ sind die Kosten bereits extrem gestiegen. Ein externes Gutachten hatte die Kosten für das Abhörzentrum im Jahr 2014 für alle Bundesländer auf rund 16 Millionen Euro geschätzt. Allein Sachsen geht bis 2024 aber schon von Kosten von knapp 20 Millionen Euro aus. Hochgerechnet auf die Anteile der anderen Bundesländer könnten die Kosten so auf 70 Millionen Euro bis Ende des laufenden Jahres klettern. Die beteiligten Länder und das GKDZ bestätigten diese Zahl nicht.

*Anmerkung der Redaktion: Ursprünglich hieß es im Artikel in Bezug auf eine Aussage des Innenministeriums Sachsen: "Den Vorsitz im Verwaltungsrat habe zudem derzeit Sachsen-Anhalt inne." Diese Aussage zog das Innenministerium später aber zurück.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 18. April 2024 | 17:30 Uhr