Konjunktur"Wahnsinniger Rückgang": Umsätze in der Baubranche brechen ein
Noch rattern überall in Thüringen die Bagger, es werden Straßen gebaut und Häuser. Doch in der Branche geht längst die Angst um, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Denn Bauen ist teurer geworden - und deshalb werden Projekte abgesagt.
Besonders beim Wohnungs- und Hausbau ist das Problem akut. Doch auch in anderen Bereichen wird eine deutliche Abkühlung erwartet. Das bestätigten Gemeindeverwaltungen, die Sparkasse Mittelthüringen, der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie die Industrie- und Handelskammer Erfurt. "Wir haben im Wohnungsbau die schlimmsten Einbrüche", sagt Vizepräsidentin Colette Boos-John, selbst Chefin der Bauer Bauunternehmen GmbH. "Die sind teilweise wirklich über 50 Prozent im Umsatz. Und da ist wirklich ein wahnsinniger Rückgang zu erkennen."
Boos-John sagt, speziell bei den auf Wohnungsbau spezialisierten Unternehmen gehe die Angst um. Zugleich bleiben manche Gemeinden oder auch Bauträger auf fertig erschlossenen Grundstücken sitzen, weil viele bauwillige Familien einen Rückzieher machen. Sie schrecken die stark gestiegenen Baukosten und Zinsen für Baudarlehen. Hans-Georg Dorst, Chef der Sparkasse Mittelthüringen, sagt dazu, ein oder zwei Prozentpunkte höhere Zinsen als noch vor einem oder zwei Jahren könnten letztlich zu einigen hundert Euro Mehrkosten für die monatlichen Kreditraten führen.
Wohnungswirtschaft beklagt fehlende Förderprogramme
Der Verband der Thüringer Wohnungswirtschaft (vtw) gibt an, dass neuer Wohnraum zwar weiterhin gefragt ist, aber nicht ausreichend neu gebaut oder energetisch saniert wird. Auch größere Immobilienunternehmen würden Projekte derzeit lieber nicht umsetzen. "Auch in den kommenden Jahren wird im Bereich der energetischen Sanierung nicht viel passieren, wenn die Rahmenbedingungen sich nicht ändern", heißt es in einer Mitteilung vom vtw. Bisher angekündigte Förderprogramme, etwa rund um das Gebäudeenergie-Gesetz, reichten nicht aus. Es drohe sozialer Unfrieden, die Politik sei gefragt.
Das sieht auch Colette Boos-John so. In Thüringen etwa biete sich an, die Grunderwerbssteuer zu senken, um Hausbauprojekte etwas billiger zu machen. Zudem solle die Politik mehr investieren. In öffentlichen Verwaltungen gebe es immer mehr Personal und oft komplizierte Prozesse. Besser seien weniger Bürokratie und mehr Investitionen. Auch im Straßenbau sei der Abschwung absehbar, dass es weniger Investitionen gibt, weil in vielen öffentlichen Haushalten gespart wird, sagt die IHK-Vizepräsidentin.
Einige Unternehmen wollten sich öffentlich gar nicht äußern: Manche fürchten, dass Ihnen Mitarbeiter abgeworben werden könnten, wenn es kriselt. Denn trotz abnehmender Nachfrage: Fachkräftemangel bleibt auf dem Bau weiterhin ein Problem. Und es läuft nicht überall schlecht. Energetische Sanierungen sind weiter gefragt - und auch die Installation von Solaranlagen auf Dächern brummt.
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MDR (fgi/seg)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 01. September 2023 | 19:00 Uhr
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