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Anwendung umstrittenThüringer Bildungsminister gegen Verbot von Künstlicher Intelligenz an Schulen

25. April 2023, 16:01 Uhr

Hausaufgaben vom Computer erledigen lassen? Künstliche Intelligenz kann vieles einfacher machen - birgt aber auch Risiken. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hat sich nun gegen ein KI-Verbot an Schulen ausgesprochen. Was sagen Sie dazu? Nehmen Sie an unserer Abstimmung teil.

von MDR THÜRINGEN

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) ist gegen ein Verbot von Künstlicher Intelligenz (KI) an Schulen. "Klar ist: Ein Verbot des Einsatzes von KI in den Schulen wäre realitätsfern und nicht durchsetzbar", erklärte Holter am Dienstag. Es komme vielmehr darauf an, einen kompetenten Umgang mit KI für eine erfolgreiche Anwendung in Ausbildung, Beruf und Alltagswelt zu entwickeln.

Leitfaden für Umgang mit KI

Eine neue Handreichung des Bildungsministeriums für Lehrerinnen und Lehrer soll die wichtigsten Fragen zum Umgang mit KI-Systemen im Unterricht beantworten. Holter sieht in dem nun herausgegebenen Papier für Lehrkräfte einen ersten Leitfaden für den Umgang mit der Technologie. Es basiert nach Ministeriumsangaben auf Material des Ministeriums für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen. Zudem soll in Thüringen ein Fortbildungsangebot entwickelt werden. Dafür gibt es laut Ministerium die Initiative "KI in der schulischen und außerschulischen Bildung".

Der Thüringer Lehrerverband (tlv) begrüßte den Leitfaden und Holters Absage an ein generelles Verbot in den Schulen. "Was uns jedoch Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass mit dieser Handreichung einmal mehr die Hauptlast der Verantwortung auf die Schulen abgewälzt wird", sagte tlv-Sprecher Tim Reukauf mit. Er kritisierte, dass allein die Schulleitungen für die Einhaltung des Datenschutzes verantwortlich sein sollen. Zudem werde im Leitfaden bemerkt, dass ChatGPT nicht datenschutzkonform sei. Reukauf forderte eine Überarbeitung der Lehrpläne, sodass Lernstoff nicht per KI abgerufen werden kann.

KI-Anwendungen im Bildungsbereich umstritten

Seit der Veröffentlichung des Chatbots "ChatGPT" im vergangenen Jahr wird unter anderem im Bildungs- und Hochschulbereich über den Umgang mit KI diskutiert. Anwendungen wie ChatGPT können Texte verfassen, die sich von menschengeschriebenen Texten kaum noch unterscheiden lassen. Auf Anweisung können sie auch Vorträge schreiben, Gedichte interpretieren oder Lieder komponieren. Befürchtet wird teils, dass zum Beispiel Schüler die Anwendung nutzen, um Hausaufgaben oder andere Lernleistungen vom Computer erledigen zu lassen.

Debatte über Chancen und Risiken auch an Universitäten

An der Friedrich-Schiller-Universität Jena verschickte das Präsidium vor kurzem eine Stellungnahme zu ChatGPT. Diese textgenerierende KI sei in der Lage, auch längere Fachtexte zu wissenschaftlichen Themen zu verfassen, "die oft nicht von geschriebenen Texten menschlicher Fachleute zu unterscheiden sind", heißt es darin. Außerdem könne die Anwendung Teile von Abschlussprüfungen an Universitäten erfolgreich absolvieren. "Diese technologische Entwicklung birgt sowohl Chancen als auch Risiken für Forschung und Lehre an Universitäten", heißt es in der Stellungnahme. So könne die KI Recherchearbeiten übernehmen und "klassische asynchrone Prüfungsformate wie zum Beispiel Hausarbeiten obsolet" machen.

Eine undeklarierte Verwendung von KI-generierten Texten in Hausarbeiten und Abschlussarbeiten widerspreche derzeit der Eigenständigkeitserklärung, die Studierende abgeben müssen. Sie komme daher einer Täuschung gleich. Der Nachweis falle aber schwer. "Diese technologische Entwicklung fordert Universitäten dazu heraus, sich über Grenzen und Reichweite der Integration von KI in Studium und Lehre zu verständigen", heißt es in dem Papier weiter. Die "beeindruckende Leistungsfähigkeit von Chat-GPT" sei nur der Anfang einer beschleunigten Entwicklung immer leistungsfähigerer KIs. "Wir erwarten KIs, die in immer mehr Lebensbereichen der menschlichen Leistungsfähigkeit ebenbürtig sein werden oder diese sogar übersteigen."

Das Präsidium der Uni Jena kündigte an, in den kommenden Monaten einen "partizipativen Prozess der Auseinandersetzung über den Umgang mit textgenerierenden künstlichen Intelligenzen" anzustoßen. Grundlage sollen Weiterbildungen und regelmäßige Schulungen von Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitern sein. Außerdem sollen zusammen mit Studierenden und Beschäftigten Handlungsempfehlungen ausgearbeitet werden.

Das sagen unsere User dazu:

Auf ein Verbot setzte nur Selbstdenkender: "Die Folgen werden uns einholen. Und dann heißt es wieder, ,'ach hätten wir doch nicht..'“ mit der Entgegnung von emlo: "Und wie gedenken Sie das durchzusetzen? Schon mal was von VPN, Proxies usw. gehört? Nationale Verbote lassen sich relativ einfach umgehen. Ein Verbot von KI an Schulen wäre schon allein deshalb völlig realitätsfern, weil niemand kontrollieren kann, wie die Schüler zu Hause arbeiten."  Keinen Sinn darin sah auch Ines W. Umgang mit Datenbanken sei eine wichtige Kernkompetenz. "Die Möglichkeiten und Begrenzungen von KI aus praktischer Anwendung zu kennen gehört für mich dazu. In der Zukunft werden wohl immer mehr Routineaufgaben von solchen Systemen erledigt werden. Sich dem zu verweigern wird es nicht aufhalten." Auch martin meinte, es mache mehr Sinn, frühzeitig den "sinnvollen und kritischen Umgang" damit zu üben.

Mehre User sahen das Ende für schriftliche Hausarbeiten ("die KI wird bestimmte Formen bisheriger Hausaufgaben überflüssig machen, so wie der Taschenrechner den Rechenschieber abgelöst hat", martin). Zensuren solle es nur für schriftliche/mündliche/praktische Aufgaben in der Schule geben, wo keine KI zur Verfügung steht, forderte Milbe.

Nicht abschließend geklärt wurde nach ausgiebigerer Diskussion, ob und wie gut eine KI mit Goethes "Zauberlehrling“ klarkäme, bei dem Tschingis1 bezweifelte, dass sie dem "abbcac"-Schema des Vermaßes gewachsen wäre. Ein von Milbe der KI GPT entlockter erster Interpretationsansatz stieß noch auf wenig Beifall mit Blick auf reale schulische Anforderungen.

Vermutungen, dass Deutschland der Entwicklung hinterherlaufe, widersprach emlo: "Bei großen technologischen Sprüngen war es schon immer so, dass die gesellschaftliche Entwicklung eine Weile gebraucht hat, bis sie technische Entwicklungen 'verdaut' hat. Das wird auch dieses Mal so sein."

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MDR (cfr)/dpa

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 25. April 2023 | 14:00 Uhr

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