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Künstliche IntelligenzSchulen und Hochschulen suchen den richtigen Umgang mit ChatGPT

31. Januar 2023, 09:21 Uhr

Alle Welt spricht von einer Software: ChatGPT. Es handelt sich um einen Chatbot, der selbstständig Texte verfasst und zwar auf einem erstaunlich hohen Niveau. Das Potenzial ist enorm, es besteht aber auch die Gefahr des Missbrauchs – insbesondere an Schulen und Hochschulen. Trotzdem sprechen sich Ministerien und Lehrende aus Mitteldeutschland eindeutig gegen ein Verbot aus.

Derzeit überschlagen sich die Nachrichten zu den Erfolgen der Chat-Software ChatGPT. So meldete die renommierte US-amerikanische University of Minnesota in dieser Woche, dass ChatGPT soeben eine Jura-Prüfung bestanden habe. Demnach wurde unter die Tests der Studierenden ein von der Software geschriebener Test gemischt – die Prüfer vergaben insgesamt eine Note, die der deutschen 3+ entspricht.

Das war nur die neueste Nachricht in einer langen Reihe über die Fähigkeiten des auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Chatbots. Seitdem ChatGPT im November der weltweiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, wird über von der Software verfasste Songtexte, Romane, Gedichte, Hausarbeiten und vieles mehr berichtet.

In Minnesota sagten bei einer Befragung nach der Jura-Prüfung zwei von drei Prüfern, sie hätten aufgrund der Formulierungen eine Ahnung gehabt, welcher der Tests von der KI stamme. Die Grammatik sei perfekt gewesen, die Ausführungen dagegen "etwas repetitiv".

Das Programm steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Künstliche Intelligenz ist so programmiert, dass sie selbstständig lernt und zwar in rasender Geschwindigkeit. Das Potenzial scheint riesig – auch im wissenschaftlichen und schulischen Bereich. Viele Fachleute sind allerdings auch alarmiert. Was, wenn Schüler und Studierende sich demnächst kaum noch die Mühe machen, selbst Texte zu verfassen, und stattdessen alles von ChatGPT schreiben lassen?

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Fachleute nehmen ChatGPT als "Gamechanger" wahr

Doris Weßels, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel bezeichnete Chat GPT bei MDR AKTUELL als "Gamechanger". Verantwortliche an Universitäten müssten künftig zum Beispiel über Aufgabenstellungen nachdenken, "ob die im Zeitalter von KI oder im Zeitalter von ChatGPT wirklich noch Sinn machen".

Und dabei ist Eile geboten. Der vermeintlich einfachste Weg wäre ein ChatGPT-Verbot an Schulen und Hochschulen – doch das stößt bei Expertinnen und Verantwortlichen weitestgehend auf Ablehnung. Viele sind sich sicher, dass Schüler und Studierende die Software schon jetzt massenhaft einsetzen. Statt ChatGPT zu verbieten, müsste ihnen der richtige Umgang mit dem Tool beigebracht werden.

So schreibt Susann Meerheim vom sächsischen Kultusministerium auf Anfrage von MDR AKTUELL, die Nutzung von ChatGPT werde nicht als "Bedrohung" wahrgenommen, sondern könne etwa bei der Bearbeitung von Hausaufgaben nützlich sein. Wichtig sei es, den Schülerinnen und Schülern die nötige Medienkompetenz zu vermitteln, auch bezüglich des Datenschutzes müssten sie sensibilisiert werden. Beides sei bereits Teil des sächsischen Lehrplans.

Ähnlich blickt auch das sächsische Wissenschaftsministerium auf das Thema. Sprecher Falk Lange betont das Potenzial der Software: "Ziel der Wissenschaftscommunity ist, die Technologie möglichst gesellschaftlich gewinnbringend in Lehre und Forschung zu nutzen." Daher wollen Lange zufolge die Hochschulen Lehrkonzepte entwickeln, die KI und ihre Anwendungsbereiche betrachtet, sowohl in der Wissensvermittlung als auch in der Verwendung durch Lehrende.

Wie funktioniert ChatGPT?ChatGPT ist eine auf KI basierender Chatbot, entwickelt vom Software-Entwickler OpenAI. Das Programm soll beim Austausch von Textnachrichten eine Konversation wie mit einem echten Menschen ermöglichen, kann aber auch längere Texte zu bestimmten Themen schreiben. OpenAI zufolge kann ChatGPT einen menschlichen Dialog simulieren, Nachfragen beantworten, Fehler eingestehen, falsche Annahmen revidieren und unangemessene Anfragen zurückweisen. ChatGPT versucht Fragen von Nutzern zu verstehen und in einer schriftlichen Konversation so zu beantworten, wie es ein Mensch täte. OpenAI selbst schränkt allerdings ein, ChatGPT tendiere dazu, "plausibel klingende, aber falsche oder sinnlose Antworten" zu liefern. Die Behebung dieses Problems sei schwierig.

Lehrer müssen kritisch nachfragen

Torsten Wahl vom Verband Bildung und Erziehung Sachsen-Anhalt sagt, dass es in seinem Bundesland bisher kaum konkrete Überlegungen zum Einsatz der KI an den Schulen gebe.

Im Hinblick auf die Verwendung für Hausarbeiten weist Wahl darauf hin, dass dabei ein Quellen- und/oder Literaturnachweis verlangt wird – was ChatGPT nicht liefere. Dadurch falle ein ausschließlich von ChatGPT erstellter Text weg. Bei Vorträgen seien die Lehrerinnen und Lehrer gefragt, mit den richtigen Nachfragen herauszufinden, ob Schülerinnen und Schüler nur referieren, was die Software geschrieben hat, oder ob sie das Thema wirklich verstanden haben.

Darauf weist auch das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt hin. Sprecher Elmer Emig zufolge müssen Lehrkräfte im Hinblick auf die Bewertung von Texten, "das Verständnis und die Eigenleistung der Schülerinnen und Schüler über den bearbeiteten Stoff kritisch hinterfragen". Das sei grundsätzliche Aufgabe von Lehrenden, unabhängig vom eingesetzten Mittel. In der Aufgabenbeschreibung für Lehrer würde sich insofern nichts ändern.

Grundsätzlich sieht Emig eher die Vor- als die Nachteile von neuen Programmen wie ChatGPT: "Sie können auch Chancen bringen, indem sich zum Beispiel neue Aufgabenformate entwickeln und eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen von KI in den Schulen entwickelt."

ChatGPT bisher vor allem ein Medienhype

Frank Fritze vom Thüringer Lehrerverband tlv sieht derzeit eher den Medienhype als die tatsächlichen Auswirkungen in Schulen. "Das Thema ist nach unserer Wahrnehmung noch nicht flächendeckend in den Lehrerzimmern angekommen", sagt er. "Wir sehen da wenig Grund zur Aufregung." Auch Taschenrechner seien einst undenkbar gewesen. Von einer Verbotskultur halte der tlv nichts.

Hinzu kommt Fritze zufolge, dass die KI sich die Informationen aus dem Internet zusammensuche, ohne die Quellen oder den Wahrheitsgehalt zu prüfen. "Sie unterscheidet nicht zwischen Realität und Fiktion, diese Kompetenzen müssen wir Menschen erwerben und anwenden können", erklärt er. Über kurz oder lang würden sich die Lehrpläne daher den technischen Entwicklungen anpassen müssen.

Der tlv kann hier auch auf Unterstützung der Dachorganisation Deutscher Lehrerverband setzen. Präsident Heinz-Peter Meidinger schrieb in einem Gastbeitrag für den Fachinformationsdienst Table.Media: "Es ist völlig illusorisch zu glauben, so etwas wie ChatGPT könne man aus Universitäten und Schulen verbannen." Stattdessen müssten Schulen und Lehrkräfte lernen, mit KI umzugehen.

Fritze wünscht sich "zeitnahe und zielgerichtete Fortbildungen zu Themen wie ChatGPT, damit das pädagogische Personal gut vorbereitet ist und den Schülerinnen und Schülern bei Bedarf Rat gebend zur Seite stehen kann." Bisher habe sein Verband vom Bildungsministerium aber noch nichts dazu vernommen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 18. Januar 2023 | 06:35 Uhr

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