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Angesprochen - AusgesprochenInfektwelle überstanden? Hausärzte in Thüringen atmen auf

07. Januar 2023, 22:54 Uhr

Bis Weihnachten haben die Thüringer Arztpraxen einen großen Ansturm verzeichnet. Mit Beginn des neuen Jahres hat sich die Erkältungswelle allerdings abgeschwächt, sagt der Chef des Thüringer Hausärzteverbands, Ulf Zitterbart. Mit ihm haben wir über die gegenwärtige Situation in den Hausarztpraxen - über Corona, Grippe und andere Sorgen der Praxisärzte - gesprochen.

von Rainer Erices, MDR THÜRINGEN

Der Dezember sei "wirklich extrem" gewesen, sagt der Allgemeinmediziner Ulf Zitterbart. Solch eine starke Infektwelle habe er in seinem gesamten Praxisleben noch nicht erlebt. Zitterbart ist Vorsitzender des Thüringer Hausärzteverbands.

Sicher, so sagt Ulf Zitterbart, sei auch das Coronavirus schuld am Ansturm auf die Praxen im Dezember gewesen. Doch die meisten Patienten, besonders jene mit schweren Symptomen, hätten vermutlich unter einer Virusgrippe gelitten. Glücklicherweise habe sich das Geschehen inzwischen deutlich beruhigt. Vorsorglich sollten sich besonders Menschen über 60 gegen Grippe impfen lassen.

Fehlender Nachwuchs: Viele Praxisplätze bleiben leer

Für die Praxen bedeutete die jüngste Infektwelle eine große Herausforderung. Weiter fehlen in Thüringen wie auch generell in Deutschland niedergelassene Allgemeinmediziner. Zurzeit, so rechnet Zitterbart auf, gebe es im Freistaat 68 Praxen zu wenig.

Rund 1.600 Menschen betreue eine Hausarztpraxis - damit seien rund 100.000 Menschen unterversorgt, zumindest auf dem Papier. Für die Hausärzte seien 50 bis 60 Stunden Wochenarbeitszeit nicht selten. Für den medizinischen Nachwuchs sei das nicht besonders attraktiv, also blieben vor allem in unterversorgten Regionen weiter Praxisplätze leer.

Komplizierte Digitalisierung der Arztpraxen

Hinzu komme eine abschreckende Bürokratie. Als Beispiel nennt Ulf Zitterbart die geforderte Digitalisierung der Arztpraxen. Seit Anfang des Jahres gelangen die elektronischen Krankschreibungen automatisch an die Arbeitgeber. Doch die Technik sei nicht ausgereift, sagt der Arzt. Für die Übermittlung der Daten müsse er deutlich länger vor dem Computer sitzen als bisher.

Er habe den Eindruck, dass im Gesundheitswesen "nix ordentlich digital" funktioniere. Es sei beispielsweise einfacher, sich irgendwo im Ausland ein Ticket für eine Sehenswürdigkeit zu besorgen, als mit den eigenen Kollegen digital Patientenfälle zu besprechen. Da greife man noch immer auf das Fax zurück.

Wenn das weitergeht, sehe ich ein arges Problem.

Ulf Zitterbart | Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Thüringer Hausärzteverbands

Medikamente fehlen in Thüringer Apotheken

Ein weiteres Problem, das zu lösen sei, sei der gegenwärtige Medikamentenmangel. Ganze Stoffgruppen seien in den jüngsten Wochen nicht lieferbar gewesen, Erkältungsmittel für Kinder oder das Herzmedikament Digitoxin. Das habe er so noch nie erlebt, sagt der Arzt. Betroffen seien etwa auch Blutverdünner oder Medikamente, die Schlaganfall verhindern. "Wenn das so weitergeht, dass Medikamente gar nicht mehr lieferbar sind, dann sehe ich da ein arges Problem."

Pandemie: Mehr Anerkennung für Hausärzte gewünscht

Hoffnungsfroh sei er angesichts der Corona-Entwicklung. Er denke, sagt Zitterbart, dass Corona-Infektionen künftig als Erkältungskrankheit betrachtet werden sollten. Ein paar Sachen sollten aus der Erfahrung der Pandemie beibehalten werden. Wenn jemand erkältet sei, dann sollte es normal sein, eine Maske zu tragen, um andere zu schützen.

Aber die Zeit der gesamtgesellschaftlichen Maßnahmen sei wohl vorbei. Rückblickend denke er, dass in der Pandemie für die Hausärzte "ein bisschen" die Wertschätzung gefehlt habe. Die Krankenhäuser oder auch die Pflegekräfte hätten stets im Fokus der Öffentlichkeit gestanden.

Es fragt uns keiner, es wird was entschieden und dann ist es halt so.

Ulf Zitterbart

Sie seien, zu Recht, vom Staat mit Prämien gewertschätzt worden. Bei den Praxen habe das gefehlt, obwohl Hausärzte einen Großteil der Corona-Patienten in den zwei Jahren versorgt hätten. Das habe, so denke er, den Ärzten "ein bisschen wehgetan".

Überhaupt wünsche er sich von der Politik eine bessere Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten. Zitterbart nennt als Beispiel die Expertenräte der Bundesregierung zu Corona oder zur Ambulantisierung von Leistungen. Praxisärzte seien dort nicht vertreten, dabei deckten sie einen Großteil der medizinischen Versorgung ab. "Es fragt uns keiner, es wird was entschieden und dann ist es halt so."

Angesprochen - Ausgesprochen: Mehr zur Podcast-Serie

MDR (jn/mw)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 06. Januar 2023 | 06:10 Uhr

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