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Wenn Jana Rogge ein Thema für sich entdeckt hat, will sie wirklich alles darüber wissen. Bildrechte: Anatoli Oskin

Projekt "Stargate"Warum sich eine Thüringer Unternehmerin mit "Remote Viewing" beschäftigt

03. August 2022, 14:50 Uhr

Jahrzehntelang erforschte der US-Geheimdienst die Fernwahrnehmung und setzte sie mehr oder weniger erfolgreich zur Spionage ein. "Stargate" hieß das geheime Projekt. Die Weimarer Unternehmerin Jana Rogge hat die Technik des "Remote Viewing", die dabei angewendet wurde, jetzt für sich entdeckt. Gelernt hat sie unter anderem bei einem der beteiligten Militärs von damals, Paul H. Smith.

Eigentlich ist Jana Rogge eher ein Fakten-Mensch. Die Eltern - Mathe- und Physiklehrer - haben ihr logisches Denken und die Frage nach handfesten Beweisen quasi in die Wiege gelegt.

Wie ist sie dann ausgerechnet auf Fernwahrnehmung gekommen? "Kennengelernt habe ich die Technik auf einer Buchmesse. Mein Standnachbar hat Lehrbücher zum Thema 'Remote Viewing' präsentiert und was er erzählte, ließ mich neugierig werden, vor allem der wissenschaftliche Hintergrund", erzählt sie. Dass viele Bekannte diese Fernwahrnehmung für Parapsychologie oder Esoterik halten, stört sie dabei nicht.

Seit Jahren beschäftigt sich Jana Rogge jetzt schon mit "Remote Viewing". Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Jana Rogge ist 44 Jahre alt, Grafikdesignerin und Unternehmerin, leitet eine Kommunikations- und Designagentur sowie zwei Verlage. Dort hat sie unter anderem Biografien zu den in vielen Städten verlegten "Stolpersteinen" publiziert, Politiker-Porträts und ein Buch von Eva Schloss über die Erinnerung an ihre Stiefschwester Anne Frank. Und Jana Rogge ist inzwischen Thüringens bekannteste "Remote Viewerin".

Informationen sammeln per Fernwahrnehmung

"Remote Viewing" ist eine Technik, die von zwei Laserphysikern entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, das eingesetzt wird, um auf nicht-konventionellem Wege an Informationen zu kommen. Nicht-konventionell bezieht sich auf die Mittel, mit denen Informationen erlangt werden. Konventionelle Mittel sind z.B. Internetrecherche, Interviews, direkte Beobachtung usw.

Eine kleine "Aufwärmübung" von Jana Rogge. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Nicht-konventionelle Mittel bedeutet, man erlangt die Informationen z.B. durch Hellsehen oder Telepathie, also auf paranormalem Wege. Für viele gehört das "Remote Viewing" deshalb auch eindeutig in den Bereich der Legenden.

Laut Jana Rogge jedoch kann jeder Mensch das "Remote Viewing" erlernen: "Das ist wie mit dem Klavierspielen. Nicht jeder wird ein Mozart, aber mit etwas Übung bekommt man 'Alle meine Entchen' hin."

Nicht jeder wird ein Mozart, aber mit etwas Übung bekommt man 'Alle meine Entchen' hin.

Jana Rogge

Und sehr viele Menschen, sagt sie, haben ja auch schon Erfahrungen mit solchen Phänomenen gemacht: "Fast jeder kennt Déjà-vus, viele kennen Präkognition - es fehlen halt immer die Beweise." Und das ist auch das Problem mit dem "Remote Viewing". Echte Beweise fehlen, es gibt keine deutschen Studien, die belegen, dass die Technik funktioniert. Für Jana Rogge hebt sich das "Remote Viewing" dennoch deutlich vom Wahrsagen und Kaffeesatzlesen ab.

Unterschied zum "Hellsehen"

Der größte Unterschied zu anderen Techniken ist laut Jana Rogge, dass der "Viewer" die eigentliche Frage nicht kennt. Er bekommt lediglich eine Zahl, mit der er dann sein Unterbewusstsein arbeiten lässt.

Eine solche Session dauert etwa eine Stunde, an einer Fragestellung arbeiten immer mehrere "Remote Viewer". Ihre Ergebnisse, manchmal Notizen, manchmal Skizzen, füllen am Ende mehr als 20 Seiten pro Person und eine nicht beteiligte Person wertet diese Papiere am Ende aus. So sollen Interpretationen ausgeschlossen werden.

Jana Rogge erzählt, dass sehr oft auch die Polizei "Remote Viewing" in die Ermittlungen einbeziehe. Allerdings nicht in Deutschland. "Zumindest nicht offiziell", ergänzt sie.

Anfragen aus sehr verschiedenen Bereichen

Das Spektrum der Anfragen ist breit. Von Personal-Entscheidungen in Unternehmen über vermisste Personen bis hin zu Börsen-Entwicklungen reichen sie. "Auch die Archäologie ist ein großes Thema. Wenn ein Artefakt gefunden wird, kann ich versuchen, herauszufinden, wozu der Gegenstand benutzt wurde."

Diese Arbeit für Archäologen und Kriminalisten wird nicht bezahlt: "Wir freuen uns dann wirklich, wenn wir zur Lösung beitragen konnten. Aber da fließt kein Geld." An anderer Stelle natürlich schon. Wenn sich Unternehmen beraten lassen oder wenn es um Börsenkurse geht, ist das nicht billig. "Es gibt einige wenige 'Viewer', die ausschließlich davon leben können", so Jana Rogge.

"Auflösung" erst Monate später

Ob ein Einsatz erfolgreich war, erfahren die "Viewer" erst viel später. "Ich habe mal an einem Fall für die Polizei in Übersee gearbeitet, da hatte ich am Ende eine Zeichnung von einem Mann, der ein Kind an der Hand hatte. Ich habe Häuser gesehen und Straßen und einiges mehr. Monate später habe ich dann erfahren, dass es um eine Kindesentführung ging und das Kind gefunden werden konnte."

Wie sie darauf gekommen ist, kann sie nicht beschreiben: "Keine Ahnung. Ich hatte ja, wie gesagt, nur eine Nummer und hätte genausogut den schiefen Turm von Pisa aufzeichnen können:" Und natürlich hat die Polizei auch herkömmliche Ermittlungsmethoden angewendet.

Die Kurse im "Remote Viewing" sind immer sehr klein. Bildrechte: Anatoli Oskin

Wie viele Menschen aktiv das "Remote Viewing" praktizieren, kann Jana Rogge nicht sagen. Sie schätzt, dass die Zahl weltweit höchstens dreistellig ist. Jana Rogge selbst hat inzwischen viel zum Thema geforscht. "Jetzt sind es genau 50 Jahre, dass das 'Stargate'-Projekt gestartet wurde. Da gibt es jede Menge Material zu durchforsten" sagt sie. Sie selbst ist mittlerweile von vier Lehrern ausgebildet, zwei davon gehörten damals zu den sogenannten PSI-Spionen.

Jana Rogges Arbeit zum Remote Viewing

  • Ausbildung bei verschiedenen Quellen wie Manfred Jelinski, David Morehouse, Gunther Rattay und Paul H. Smith
  • Mitgliedschaft in der International Remote Viewing Association (IRVA), der Society of Scientific Exploration (SSE),der Deutschen Gesellschaft für Anomalistik (GfA) und des Rhine Research Center
  • Chefredakteurin des englischsprachigen Fachmagazins "Aperture", das von der International Remote Viewing Association (IRVA) herausgegeben wird
  • Verschiedene Projektleitungen im Bereich des Remote Viewing, wie die PSI unit, das PSI.vision Institute und lokale Arbeitsgruppen
  • Gründungsmitglied und Vorsitzende des Institute of Element Studies
  • Wissenschaftliche und historische Publikationen über Remote Viewing und anomalistische/parapsychologische Forschung

Projekt "Stargate" war Realität

Die CIA wollte zwischen 1972 und 1995 im Projekt "Stargate" auf der Grundlage solider, wissenschaftlicher Methoden das Potenzial parapsychologischer Fähigkeiten für militärische Zwecke nutzen. Ziel war, die Grenzen menschlicher Fähigkeiten im Experiment auszuloten, vermisste Personen im Ausland zu finden, Angriffe des Feindes vorherzusehen. "Remote Viewing" wurde gelehrt, getestet und trainiert.

Paul Smith bei einem Kurs in "Remote Viewing" in Weimar. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Einer der an dem Projekt beteilgten Militärs ist Paul H. Smith. Das Ende von "Stargate" stoppte sein Interesse am "Remote Viewing" aber nicht - im Gegenteil. Er trainiert weiter, arbeitet als "Viewer" und unterrichtet weltweit Menschen in dieser Technik.

Jana Rogge hatte Smith eingeladen und er hat kürzlich im Eckhaus-Verlag zwei Wochen lang Menschen aus Thüringen, Berlin, Dresden und Österreich im "Remote Viewing" unterrichtet. Und natürlich erzählte er auch über seine Arbeit bei "Stargate", über Erfolge und Misserfolge. "Denn natürlich gelingt nicht alles, es gibt immer wieder auch Fehler."

Smith und seine Kollegen suchten nach Waffen, nach vermissten Personen, versuchten Angriffspläne auszuspionieren: "Wir haben alles gemacht, was unsere Geheimdienste damals brauchten", erzählt er. Belege zu den Treffern sind aus seiner Sicht schwer zu erbringen. Mehr über seine Zeit im "Stargate"-Projekt erzählt Paul Smith im Audio.

Die US-amerikanischen Bundesbehörden, darunter auch die CIA und später die DIA, beteiligten sich am "Remote-Viewing"-Projekt von 1972 bis 1995. Danach wurden viele der ehemals geheimen Akten öffentlich zugänglich gemacht. Im Electronic Reading Room der CIA sind sie online einsehbar. Mit der Novellierung des "Freedom of Information Act" von 1974 begann nämlich die schrittweise Veröffentlichung von Dokumenten staatlicher Behörden.

Akten inzwischen freigegeben

Die CIA hat 13 Millionen Seiten aus ihrem Fundus ins Netz gestellt. Geheimdienstliche Tatsachen, sauber gesammelt und protokolliert. Bestandteil dieser Sammlung sind diejenigen knapp Zehntausend Dokumente, die aus dem "Stargate"-Projekt hervorgegangen sind.

Thema für Psychologen und Parapsychologen

Während "Remote Viewing" also eine Technik ist, die sich parapsychologischer Mittel bedient, ist Parapsychologie ein Forschungsfeld oder eine Disziplin. "Remote Viewing" ist also ein Gegenstand der Parapsychologie.

'Remote Viewing' ist eine Technik, die das Ausschalten unterschwelliger Überlagerungen trainiert.

Dr. Gerhard Mayer | Uni Freiburg

Dr. Gerhard Mayer unterrichtet am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene der Universität Freiburg und beschäftigt sich schon länger mit diesem Thema: "Das relativ gute Funktionieren des Remote Viewings - erfahrene Viewer sprechen von etwa 70 Prozent Erfolgsquote - kann man ja nur im Kontext von anderen Techniken sehen, die auf unkonventionelle Mittel zurückgreifen."

Zugriff auf unterbewusste Inhalte

Das "Remote Viewing" ist aus seiner Sicht deutlich komplexer als diese anderen Techniken. Beim "Remote Viewing" spielen demnach viele subjektive Komponenten eine Rolle. Dennoch gebe es erstaunliche "Treffer", bei denen schon per Augenschein klar sei, dass dies kein Zufall sein könne, so der Psychologe.

"Meiner Ansicht nach liegt der Erfolg des 'Remote Viewing' darin, dass diese Technik versucht, den Filter des rationalen Denkens so gut wie möglich auszuschalten oder zumindest zu kontrollieren und dadurch leichter auf unterbewusste Inhalte zugreifen zu können."

Meiner Ansicht nach liegt der Erfolg des 'Remote Viewing' darin, dass diese Technik versucht, den Filter des rationalen Denkens so gut wie möglich auszuschalten

Dr. Gerhard Mayer | Uni Freiburg

20 Jahre lang wurde das Projekt "Stargate" in den USA finanziert. Aber während die einen das als Beleg dafür sehen, dass das "Remote Viewing" funktioniert, beweist es für die anderen genau das Gegenteil. Denn schließlich ist das Programm ja am Ende eingestellt worden.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 29. Juli 2022 | 16:40 Uhr

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