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Urlebens Gesundheitskiosk - überwiegend aus sibirischer Lärche Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Soziale InfrastukturUrleben hat den ersten Thüringer Gesundheitskiosk

03. November 2022, 20:18 Uhr

Urleben im Unstrut-Hainich-Kreis hat den ersten Thüringer Gesundheitskiosk. Er soll Angebote zu Pflege und Beratung in einer ländlichen Region bündeln.

von Claudia Götze, MDR THÜRINGEN

In der 400-Seelen-Gemeinde Urleben werden Angebote zu Pflege und Beratung in einem sogenannten Gesundheitskiosk gebündelt. Der Holzbau mit einem Raum, W-Lan und einer Toilette steht auf der Fläche einer abgerissenen Bushaltestelle. Auf insgesamt 20 Quadratmetern Fläche werden nicht nur Gesundheitsdienstleistungen angeboten, sondern auch Möglichkeiten geschaffen, soziale Isolation zu vermeiden.

So groß wie eine Bushaltestelle aus DDR-Zeiten, aber mit deutlich mehr Angeboten: Der erste Thüringer Gesundheitskiosk steht im kleinen Urleben. "Er ist voll funktionsfähig", freut sich der ehrenamtliche Bürgermeister Roland Schmöller. Nächste Woche könne es losgehen. Nach dem geplanten Abriss und Baustart im Frühjahr musste die Gemeinde zunächst mit Preissteigerungen kämpfen; dann war die große Glasscheibe in Spezialausfühung nicht lieferbar. Das hat die Eröffnung um zwei Monate verzögert.

Sibirische Lärche im Einsatz

Das auffälligste von insgesamt 140 Häusern im Dorf ist auch das jüngste: "Gesundheitskiosk" steht auf der großen Frontscheibe geschrieben. Die Buchstaben sind aus sibirischer Lärche, wie auch ein Großteil des Gebäudes. "Nordischer Charme mit Wohlfühleffekt", sagt Christopher Kaufmann vom Verein "Landengel" in der gemeindeübergreifenen Stiftung "Landleben". Sie hat es sich seit elf Jahren zur Aufgabe gemacht, ein neues Gesundheits-, Pflege- und Versorgungsnetzwerk in der Dorfregion Seltenrain im Unstrut-Hainich-Kreis aufzubauen.

Dazu gehören ein geplantes Landzentrum in Sundhausen mit Kita, Tagespflege, verschiedenen Gesundheitsangeboten und Dienstleistungen unter einem Dach. Und: Gesundheitskioske als Anlaufstelle und dezentrale Treffpunkte für Versorgungsfragen und Beratungen in den beteiligten Orten. "Gesundheitsminister Lauterbach plant deutschlandweit Gesundheitskioske - in Thüringen gibt es sie schon", sagt Bürgermeister Schmöller.

Der Kiosk in Urleben ist der erste von vier: der im Nachbarort Kirchheilingen ist auch fast fertig und doppelt so groß wie der Urlebener. Außerdem entstehen in Bruchstedt und Blankenburg solche Kioske. Ingsesamt 450.000 Euro sind investiert worden, 300.000 Euro davon Fördermittel des Landes. Entworfen hat die Kioske der Berliner Architekt Ralf Pasel. "Eine Familie" wie er sagt. Das IBA-Projekt passe zu jedem Ort; jedes Mal aus Holz, aber anders zugeschnitten.

Das Konzept Gesundheitskioske hat das Ziel, nicht nur Gesundheitsdienstleistungen anzubieten, sagt Christopher Kaufmann. Soziale Isolation soll vermieden und Pflege, Altenhilfe und Wohlfahrtswesen in ländlichen Regionen ermöglicht werden.

Die Gemeindeschwester und die Agathe-Beraterin haben hier Sprechzeiten. Über das Agathe-Programm werden ältere Menschen beraten, die einsam sind oder denen Einsamkeit droht. Es läuft seit 2021 in inzwischen neun Thüringer Regionen.

Neue soziale Infrastruktur fürs Landleben

Um diese neue soziale Infrastruktur räumlich sichtbar zu machen, entstehen die Gesundheitskioske an zentralen Bushaltestellen der Gemeinden. Dort, wo es wie in Kirchheilingen nicht machbar ist, wird ein anderer gut erreichbarer Platz gesucht. In Urleben ist der Gesundheitskiosk auch eine Bushaltestelle; dafür gibt es zwei Bänke an der Außenwand. Auf der Wunschliste von Roland Schmöller steht noch ein Zebrastreifen direkt vor dem Kiosk. Das 30er-Schild werde allzuoft ignoriert.

Kiosk soll auch Fahrdienste entlasten

Dass die Angebote ins Dorf geholt und nicht irgendwo in der Kreisstadt oder weiter weg sind, sei das Ziel, so Kaufmann. Der Verein "Landengel" unterstützt seit einigen Jahren vor allem ältere Menschen aus der Region, vor allem bei Arztbesuchen. Der Fahrdienst legt täglich 750 bis 800 Kilometer zurück, um bis zu 40 Menschen zu einem Arzt oder anderen Dienstleistung zu bringen. "Das Krankenhaus ist künftig nur noch für Akutfälle und Operationen da", so Kaufmann.

Deshalb wird der Teledoktor ins Dorf geholt. Dazu gibt es große Flachbildschirme an den Wänden. Vier Ärzte und Kliniken wollen ab kommendem Jahr Sprechstunden anbieten.

Der bundesweit erste Gesundheitskiosk war 2018 in Hamburg-Billstedt eingerichtet worden. Dort wollen sich jetzt Krankenkassen aus der Finanzierung zurückziehen, weil es aus ihrer Sicht die Angebote des Kiosk auch in der Nähe gibt.

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MDR (csr)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 03. November 2022 | 19:00 Uhr

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