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Die Stadt Gotha liegt zwischen den beiden geplanten Oberzentren Erfurt und Eisenach - und befürchtet dadurch Standortnachteile. Bildrechte: MDR/Thomas Fettien

StandortpolitikWarum Thüringer Kommunen "Oberzentrum" werden wollen

18. März 2023, 09:08 Uhr

In Thüringen kämpfen gleich mehrere Kommunen um den Status als "Oberzentrum". Damit benennt das Landesentwicklungsprogramm (LEP) Städte, die besonders auf ihre Umgebung ausstrahlen. Das waren bisher Erfurt, Jena und Gera. Nun soll ein neues LEP aufgelegt werden - doch am Entwurf des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft gibt es Kritik. Einige Städte befürchten, benachteiligt zu werden.

von Thomas Kalusa, MDR THÜRINGEN

Was ist ein Oberzentrum? Das fragen sich viele angesichts der Diskussionen um das neue Landesentwicklungsprogramm, kurz "LEP".  In der alten Version aus dem Jahr 2014 war die Sache klar und übersichtlich: Erfurt, Gera und Jena waren als Oberzentren benannt. Wegen ihrer jeweils mehr als 100.000 Einwohner. Aber auch die Verkehrsanbindung, die Wirtschaftskraft, Forschung, Kultur und ansässige Landesbehörden spielen eine Rolle.

Im neuen LEP des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL) soll es nun mehr um die Landesentwicklung und um die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse gehen - nicht einfach nur um die großen Städte. So wurde das Kriterium Einwohnerzahl im neuen Entwurf ganz gestrichen.

Zum Aufklappen: Was ist ein Oberzentrum?

Oberzentren werden gemeinhin als zentrale Orte bezeichnet - in der Regel sind es Großstädte oder Stadtverbände. Der Begriff stammt aus der Raumplanung und wird in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. In der Regel strahlen Oberzentren auf ihre Umgebung ab, indem sie Hochschulen, Veranstaltungshallen oder bedeutende Einrichtungen und Behörden beheimaten. Als Richtschnur galt einst die Zahl von 100.000 Einwohnern.

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Thüringen: Land der Klein- und Mittelstädte

Dass die Einwohnerzahl kein Maß mehr ist, liegt wohl auch daran, dass gerade Thüringen ein auffällig homogen besiedeltes Land ist. Hier dominieren kleine und mittlere Städte. 30 ehemalige Residenzstädte der alten Fürsten gibt es. Dazu die beiden freien Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen. Sie sind eine Besonderheit von Thüringen. Schon immer haben diese Städte für die Umgebung Funktionen übernommen: Ausbildung, Krankenhäuser, Märkte.

Im neuen Landesentwicklungsprogramm sind neben der bisherigen Oberzentren Erfurt, Jena und Gera nun auch Eisenach sowie das "funktionsteilige Oberzentrum Südthüringen" genannt. Die Städte Suhl, Zella-Mehlis, Schleusingen und Oberhof bilden also als Ganzes ein sogenanntes Oberzentrum.

Das hat gleich nach Veröffentlichung des ersten Entwurfs im November die Städte Gotha, Nordhausen und im Saalebogen Rudolststadt, Saalfeld und Bad Blankenburg auf den Plan gerufen. Sie sagen: Unsere Wirtschaftskraft, unsere Lage und unsere Bedeutung für das Umland sind mit der von Eisenach und dem des "Oberzentrums Südthüringen" vergleichbar.

Es geht um die Zukunft, nicht um Titel

Die Stadt Gotha befürchtet, dass Ansiedlungsentscheidungen etwa für Verwaltungsstandorte, hochkarätige Bildungseinrichtungen, öffentliche sowie private Investitionsentscheidungen und Mittelverwendungen zum eigenen Nachteil ausfallen. Gotha könnte zwischen den beiden künftigen Oberzentren Erfurt und Eisenach zerrieben werden, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt.

Anders ist die Lage in Nordhausen. In der Thüringer Planungsregion Nord gibt es kein einziges Oberzentrum, obwohl Nordhausen und auch Mühlhausen sogenannte oberzentrale Funktionen erfüllen. Nordhausen hat mit der Hochschule, mit dem Theater und mit der Verkehrsanbindung der A38 auf der Achse Ruhrgebiet-Leipzig hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten. Die würden von der Landespolitik oft nicht genug wahrgenommen, klagt man in Nordhausen.

Zweiter Entwurf in Planung

Natürlich können Einstufungen als Oberzentrum auch Ansiedlungen beeinflussen, so die Meinung in den Städten, die jetzt gegen den Entwurf des LEP protestieren. Es könnte sich in höheren Fördersätzen oder auch im kommunalen Finanzausgleich auswirken. Alle Städte, im Fall Nordhausen auch der Landkreis und viele Bürger und Institutionen haben jetzt Stellungnahmen zu dem ersten Entwurf abgegeben. Die Frist lief am 17. März ab.

Laut Thüringer Infrastrukturministerium werden die Stellungnahmen nun gesichtet. Aus dem Ministerium hieß es dazu schon jetzt: Im Fall Nordhausen könnte ein Oberzentrumsverbund mit Sondershausen vielversprechender sein. Dazu gebe es aber bisher keine Anhaltspunkte. Bis Mai soll ein zweiter Entwurf vorliegen, der dann erneut diskutiert werden könne. Noch in diesem Jahr soll dann eine Entscheidung fallen und das neue LEP soll spätestens 2027 in Kraft treten.

Entwicklungsprogramme sind Ländersache

Bei den Landesentwicklungsprogrammen gilt: Jedes Bundesland kann sein LEP selber ausgestalten. Weil beispielsweise Bayern von der Vorgabe 100.000 Einwohner als Kriterium für ein Oberzentrum abgerückt ist, war es Thüringen wichtig, dem in Südthüringen etwas entgegenzusetzen. Das TMIL schreibt dazu: "Mit der Aufnahme des funktionsteiligen Oberzentrums Südthüringen entsteht auf zentralörtlicher Ebene ein erkennbares Gegengewicht zu den nahegelegenen Oberzentren auf bayrischer Seite und eine Stärkung des Südthüringer Raums."

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MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 18. März 2023 | 17:30 Uhr

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