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BildungspolitikEltern im Landkreis Greiz wollen ihre Kinder in Sachsen einschulen

14. März 2024, 07:16 Uhr

Bildung ist in Deutschland Ländersache. Das heißt: 16 Länder, 16 Konzepte. Und das heißt auch: Die Landesgrenze, zum Beispiel die zwischen Thüringen und Sachsen, kann zur Bildungsgrenze werden. Wenn die nächstgelegene Schule also hinter der Landesgrenze liegt, brauchen Eltern bei der Anmeldung ihrer Kinder als Gastschüler starke Nerven. Ein Beispiel aus dem Landkreis Greiz.

Juliane Pfeil-Vrotscher ist die Anspannung anzumerken. Die 32-Jährige will ihre Tochter im Sommer einschulen. Eigentlich liegt das kleine Cossengrün im Einzugsgebiet der Grundschulen in Greiz. Doch die meisten Eltern hier wollen ihre Kinder im benachbarten Elsterberg in die Schule schicken. Das Problem: Elsterberg gehörte bis 1992 zu Thüringen und wechselte dann nach Sachsen. Damit liegt auch die Grundschule in einem anderen Bundesland.

Juliane Pfeil-Vrotscher und die anderen Eltern haben Gastschulanträge gestellt. Denn bis nach Elsterberg sind es gerade mal fünf Kilometer, die die Kinder mit dem Bus zurücklegen müssen. Zehn Minuten Fahrzeit gegenüber 40 Minuten für eine Fahrt nach Greiz. Auf vielen Verbindungen müssten die Abc-Schützen auch noch in Elsterberg umsteigen. Damit verlängert sich die Fahrzeit auf über eine Stunde. Hinzu kommt, dass die Schülerinnen und Schüler in der ersten Klasse noch nicht lesen können und sich damit am zentralen Umsteigeplatz in Greiz gar nicht zurechtfinden würden.

Staatsvertrag regelt "Grenzverkehr" von Schülern

Das Land Thüringen hat den Gastschulanträgen stattgegeben. Und auch in Sachsen lief das Prozedere jahrelang reibungslos, seit die Grundschule in Cossengrün 2010 geschlossen wurde. "Die Einschulung der Thüringer Kinder in sächsischen Schulen ist auch Teil des Staatsvertrages, der beim Wechsel von Elsterberg in den Nachbarfreistaat geschlossen wurde", sagt Thomas Müller, Schulleiter in Elsterberg.

Die Kosten für Gastschüler trägt laut Thüringer Bildungsministerium jedes Bundesland selbst. Eine Erstattung gibt es nicht. Aktuell lernen 1.485 Thüringer Schülerinnen und Schüler an öffentlichen sächsischen Schulen. Umgekehrt besuchen 1.167 sächsische Schüler eine staatliche Schule in Thüringen. Den größten Anteil in beiden Bundesländern machen Berufsschüler aus. Trotzdem gibt es vor allem im grenznahen Bereich eine nennenswerte Zahl von Schülern in allgemeinbildenden Schulen.

Die Fahrt von Cossengrün nach Elsterberg dauert nur wenige Minuten – nach Greiz dagegen bis zu einer Stunde. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Sachsen fordert, dass Thüringen zusätzliche Lehrer schickt

In diesem Jahr haben sich für die Grundschule Elsterberg 25 sächsische Kinder und 14 Kinder aus Thüringen angemeldet. Mit insgesamt 39 Kindern müsste laut sächsischem Recht eine weitere erste Klasse gebildet werden. "Räumlich und personell ist das kein Problem", sagt Schulleiter Thomas Müller. Doch laut Kultusministerium werden dadurch zusätzliche Kosten verursacht. Und seit zehn Jahren gilt die Regel: Muss eine neue Klasse gebildet werden, nimmt Sachsen nur dann Schüler aus Thüringen auf, wenn Thüringen die Lehrer stellt. Mit Verweis auf den Lehrermangel lehnt das Bildungsministerium in Erfurt das Ansinnen ab und verweist darauf, dass in Greiz ja genügend Plätze verfügbar sind.

Für die Eltern stellt das wegen der langen Fahrzeiten und dem Alter der Kinder keine Alternative dar. Und auch der Elsterberger Bürgermeister Axel Markert plädiert für eine Einschulung der Kinder in seiner Grundschule - auch wegen der jahrzehntelang gewachsenen Ortsbeziehungen in der Region, bevor Elsterberg nach Sachsen wechselte.

In der Grundschule Elsterberg lernen seit vielen Jahren Gastschüler aus Thüringen. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Ferienzeiten unterscheiden sich

Der Greizer CDU-Landtagsabgeordnete Christian Tischner versteht die Kleinstaaterei im Bildungswesen nicht und kämpft seit etwa neun Monaten mit den Eltern darum, dass ihre Kinder in Sachsen zur Schule gehen dürfen. Das würde auch andere Probleme lösen, wenn bereits Geschwisterkinder in Elsterberg zur Schule gehen. Christian Tischner fordert von der Politik eine einheitliche Lösung für alle Grenzregionen. Die Eltern brauchten Planungssicherheit, so der Politiker.

"Die Ferienzeit überschneidet sich in Sachsen und Thüringen zwar teilweise", sagt Gabi Kühn. "Aber in den Herbstferien werden es nicht nur zwei Wochen, die ich abdecken muss, sondern drei." Gabi Kühn hat eine elfjährige Tochter in der Elsterberger Regelschule. In zwei Jahren will sie ihre zweite Tochter in der Grundschule anmelden.

Die Eltern befürchten auch, dass Freundschaften im Ort leiden, wenn Kinder unterschiedliche Schulen besuchen oder im Bus nach Greiz sitzenbleiben müssen, während ihre Freunde in Elsterberg aussteigen.

Der Greizer Landtagsabgeordnete Christian Tischner (CDU) setzt sich für die Eltern ein, damit ihre Kinder in Sachsen zur Schule gehen dürfen. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Martin Schutt

Lösung nur für Einzelfall in Sicht

Im Thüringer Bildungsministerium ist man vorsichtig optimistisch. Nach vielen Gesprächen läuft wohl alles darauf hinaus, dass Thüringen für die Gastschüler einen finanziellen Ausgleich an Sachsen zahlt. Das sei aber nur für diesen Einzelfall, heißt es aus Erfurt. In Elsterberg gäbe es eine besondere geografische Situation. Damit hätten zumindest die Cossengrüner Kinder eine Perspektive in der Elsterberger Grundschule. Die Eltern und der Landtagspolitiker wollen aber weiter dafür kämpfen, dass es in ganz Thüringen eine einheitliche Lösung für alle Gastschüler gibt.

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MDR (ole)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 13. März 2024 | 19:00 Uhr

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