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Das Theaterhaus Jena wurde mit dem Theaterpreis des Bundes ausgezeichnet und nimmt die mit 100.000 Euro dotierte Auszeichnung entgegen. Die Jury hatte positiv hervorgehoben, wie das Theater die Stadtbevölkerung in seine Stücke integriert. Bildrechte: Dorothea Tuch

Auszeichnung für Theaterhaus JenaTheaterpreis des Bundes für kollektives Theater

12. Oktober 2023, 05:01 Uhr

Das Theaterhaus Jena ist mit dem Theaterpreis des Bundes 2023 ausgezeichnet worden. Kulturstaatsministerin Claudia Roth überreichte die mit 100.000 Euro dotierte Auszeichnung in der Kategorie "Stadttheater und Landesbühnen" am Mittwochabend in Berlin. Die Jury hatte positiv hervorgehoben, wie das Theater die Stadtbevölkerung in seine Stücke integriert. Ein Einblick in die ihre Arbeit.

Proben für das neue Stück am Theaterhaus Jena. Der Titel: "Die Hundekot-Attacke". Schauspielerin Anna K. Seidel testet gerade aus, wie es klappt, mit in schwarze Farbe getränkten Haaren auf weißem Papier zu malen. Alle anderen an der Produktion Beteiligten, sitzen im Zuschauerbereich und diskutieren darüber, ob sich die Farbe wohl wieder aus dem Stoff heraus waschen lässt. Für jede Vorstellung neuen Stoff benutzen, kommt nicht in Frage.

"Das Budget ist am Theaterhaus immer ziemlich niedrig. Also haben wir nicht den Luxus immer alles zu machen, was wir gerne wollen. Deshalb ist das Geld wirklich sehr herzlich willkommen", sagt Walter Bart, der beim Stück "Die Hundekot-Attacke" Regie führt. Als Teil des niederländischen Theaterkollektivs "Wunderbaum" hat Bart in den vergangenen Jahren zum künstlerischen Kern in Jena gehört. Die 100.000 Euro Preisgeld sind für die Truppe eine kleine Belohnung kurz vor dem Abschied - zum Ende dieser Spielzeit verlässt das Ensemble das Haus.

Das Budget ist am Theaterhaus immer ziemlich niedrig. Also haben wir nicht den Luxus immer alles zu machen, was wir gerne wollen.

Walter Bart, Regisseur am Theaterhaus Jena

Jenaer Theatertruppe ist als Kollektiv organisiert

Ideen das Preisgeld zu verwenden, gebe es genug, sagt Haus-Dramaturgin Hannah Baumann. "Wir schauen jetzt gerade innerhalb unseres Kollektivs, wofür wir das Geld einsetzten wollen. Beispielsweise haben wir jetzt die Möglichkeit, Geld in die Ausstattung zu stecken oder uns auch mal für Livemusik zu entscheiden", sagt sie.

Die Jenaer Truppe ist ein Kollektiv ohne Hierarchien. Einen Intendanten oder eine Intendantin gibt es nicht. Ihre Stücke entwickeln die Theaterschaffenden immer selbst - dabei haben sie schon Themen, wie Freundschaft oder Tod erforscht, einen Abend über Mutterschaft zusammen mit Laiendarstellerinnen entwickelt oder für eine Arbeit zu einer von Neonazis unterwanderten Kleingartensiedlung in Jena recherchiert. Diese Nähe zur Stadtgesellschaft hat die Jury des Theaterpreises des Bundes überzeugt. Mit dieser Form sich als Theater zu öffnen, sei Jena im besten Sinn nah am Zeitgeist, heißt es in der Jury-Begründung.

Die Auszeichnung wurde von Kulturstaatsministerin Claudia Roth überreicht. Bildrechte: Dorothea Tuch

Marco Goeckes Hundekot-Attacke auf Journalistin wird Thema

In ihrer neusten Produktion knöpft sich das Theaterhaus Jena den Fall Marco Goecke vor. Der ehemalige Ballettdirektor an der Staatsoper Hannover hatte einer Kritikerin Hundeokot ins Gesicht geschmiert - ein Ereignis, das im vergangenen Februar große Diskussionen um Pressefreiheit und die demokratische Kultur ausgelöst hatte. "Wir finden das Thema auch deshalb interessant, weil wir glauben, dass es da nicht nur um die Theater-Bubble geht. Da stecken Dynamiken drin, die es in unserer ganzen Gesellschaft gibt", erläutert Regisseur Walter Bart.

Sechs Spielerinnen und Schauspieler stehen auf der Bühne und verkörpern - quasi analog zur Realität - eine Theatergruppe, die ein Stück zu der besagten Hundekot-Attacke probt und in einen Streit gerät. Dabei kommt vieles auf den Tisch. Verhandelt werde etwa Cancel Culture, aber auch der Umgang mit Kritik und die Fähigkeit, sich in jemand anderen hineinzuversetzen, erzählt Walter Bart. Dramaturgin Hannah Baumann ergänzt: "Eine Frage, die uns jetzt zuletzt sehr beschäftigt hat, ist: Wie sieht eigentlich eine richtige Entschuldigung aus und was kann sie bewirken?".

"Die Hundekot-Attacke" ist Auftakt der letzten Spielzeit der deutsch-niederländischen Truppe am Theaterhaus Jena. Die regelmäßigen Wechsel, das immer wieder Platz machen für Neues, gehören zum Konzept des Hauses. Aber bis dahin wird die Truppe hoffentlich nochmal zeigen, wie es geht: freches, kluges und irre witziges Theater, das man nicht vergisst.

Angaben zum Stück:"Die Hundekot-Attacke"
Eine Vorstellung über Finsternis, Schönheit und Vergebung, basierend auf einer wahren Begebenheit.

Premiere am 27. Oktober 2023 im Theaterhaus Jena

Konzept/Regie: Walter Bart (Wunderbaum)
Von und mit: Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Leon Pfannenmüller, Anna K. Seidel
Bühne: Maarten van Otterdijk
Kostüm: Carolin Pflüger
Dramaturgie: Hannah Baumann
Choreografie: Edoardo Cino

Eine Koproduktion mit Wunderbaum.

Quellen: MDR KULTUR, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Fonds Darstellende Künste
Redaktionelle Bearbeitung: hro, lig

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 11. Oktober 2023 | 06:15 Uhr

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