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Mehrere Zehntausend Thüringer gehen trotz Rente zur Arbeit, die meisten sind geringfügig beschäftigt. (Symbolfoto) Bildrechte: imago/Westend61

ArbeitsmarktWie viele Menschen trotz Rente in Thüringen arbeiten

28. März 2024, 13:38 Uhr

In Thüringen arbeiten immer mehr Menschen im Rentenalter. Das zeigt eine MDR-Analyse von Arbeitsmarktdaten der Agentur für Arbeit. In Zukunft könnte diese Zahl weiter wachsen, denn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will zusätzliche Anreize zur Arbeit neben der Rente schaffen.

von Duc Hai Le, MDR Data

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In Thüringen sind im vergangenen Jahr fast 32.000 Menschen im Rentenalter einer Arbeit nachgegangen. Das geht aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit mit Stichtag im Juni hervor, die der MDR ausgewertet hat. Damit waren knapp 3,6 Prozent der landesweit 875.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rentenalter. Dies entspricht dem bundesweiten Durchschnitt von 3,6 Prozent im Jahr 2023.

Ihre Zahl ist seit 2018 um fast 16 Prozent gewachsen. Damals waren es noch gut 25.000 Menschen. Lediglich während der Corona-Pandemie war die Zahl zwischenzeitlich gesunken.

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Im Gegensatz zum allgemeinen Arbeitsmarkt sind Menschen im höheren Alter vor allem in sogenannten Minijobs angestellt - und zwar in 79 Prozent der Fälle. Das heißt: Ihre Verdienstgrenze liegt seit 2024 bei 538 Euro im Monat. Darauf müssen sie keine Sozialabgaben leisten.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen ist dagegen geringer. Unter Umständen können auch Selbstständige in diese Beschäftigungsart fallen, etwa wenn sie im Handwerk oder als freiberufliche Lehrkräfte tätig sind.

Politik will Anreize für Arbeit schaffen

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) möchte in Zukunft Anreize schaffen, um die freiwillige Arbeit neben der Rente attraktiver zu machen. Trotz Kritik vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sollen Gespäche mit Gewerkschaften und Arbeitgebern stattfinden. Konkrete Vorschläge werden im Sommer erwartet.

Eine Möglichkeit: Beträge der Arbeitgeber zur Renten- und Arbeitslosenversicherung könnten als zusätzliches Gehalt ausgezahlt werden. Unterstützung findet diese Idee auch bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Hintergrund zu dem VorschlagBeschäftigte Altersrentner sind rentenversicherungsfrei - Arbeitgeber zahlen für sie heute aber den Beitragsanteil für die Rentenversicherung in derselben Höhe wie für rentenversicherungspflichtig Beschäftigte. Auch bei der Arbeitslosenversicherung besteht ab Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherungs- und damit Beitragsfreiheit. Der Arbeitgeber hat auch hier allerdings seinen Beitragsanteil zu zahlen. Diese Beiträge könnten stattdessen also den Rentnern ausgezahlt werden.

Ebenso können Rentenreformen die Arbeit im Alter fördern. So entfiel bereits zum 1. Januar 2023 die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten. Seitdem können auch diese Rentnerinnen und Rentner parallel zu ihrer Rente unbegrenzt viel verdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird.

Stadt-Land-Gefälle bei Rentenbezug

In Thüringen lag der durchschnittliche Wert für Netto-Renten Ende 2022 bei 1.227 Euro. Allerdings unterscheidet sich die Höhe innerhalb Thüringens. Es wird bei den Rentenhöhen ein Stadt-Land-Gefälle deutlich. Vor allem in den fünf kreisfreien Städten gibt es mehr Rente, wie Zahlen der Rentenversicherung Mitteldeutschland zeigen.

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Am meisten gibt es in Jena: 1.336 Euro Netto-Rente erhielten Rentnerinnen und Rentner hier im Durchschnitt. Darauf folgen die Städte Suhl (1.280 Euro) und Gera (1.278 Euro). Die Landeshauptstadt Erfurt belegt Platz vier mit 1.275 Euro. Auch in Weimar gibt es mehr als im Durchschnitt, nämlich 1.268 Euro.

Dagegen sind die Rentenbezüge in Nordthüringen am niedrigsten. Schlusslicht ist der Unstrut-Hainich-Kreis mit 1.172 Euro. Aber auch im Eichsfeld (1.174 Euro) und im Kyffhäuserkreis (1.180 Euro) beziehen die Menschen eine unterdurchschnittliche Rente.

Wie sieht es im bundesweiten Vergleich aus?

Deutschlandweit liegt Thüringen bei den Netto-Renten über dem bundesweiten Schnitt. Der betrug bei den Netto-Renten 2022 nur 1.099,20 Euro. Das liegt vor allem daran, dass die verwendeten Zahlen zu Netto-Renten alle Altersrenten berücksichtigen. Das bedeutet, damit sind auch Bezüge mit der Mindestversicherungszeit von nur fünf Jahren enthalten. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern waren Frauen durchschnittlich länger berufstätig. Im Westen war ein einzelnes Einkommen pro Haushalt deutlich geläufiger. Oft haben Frauen in der Bundesrepublik deshalb kürzer in die Rentenversicherung eingezahlt. Das macht sich im Durchschnitt bemerkbar.

Die Betrachtung von langen Versicherungszeiten zeigt dagegen ein anderes Bild: Wer in Deutschland mindestens 35 Versicherungsjahre hat, also mindestens 35 Jahre eingezahlt hat, bekam 2022 laut Rentenatlas im Durchschnitt 1.384 Euro. Hier sind die durchschnittlichen Renten in den westdeutschen Bundesländern höher - sie liegen bei 1.420 Euro. In den neuen Bundesländern beträgt die Netto-Rente mit mindestens 35 Versicherungsjahren durchschnittlich 1.299 Euro.

Zum 1. Juli sollen die Rentenbezüge noch eimal um 4,57 Prozent steigen. Das teilte das Bundessozialministerium mit. Es wäre die dritte Erhöhung in Folge um mehr als vier Prozent.

Erwerbsquote der Rentner in Südthüringen besonders hoch

Besonders auffällig ist, dass vor allem in Südthüringen viele Menschen im höheren Alter noch arbeiten. Laut Daten von 2022 waren hier durchgehend mehr als vier Prozent aller Erwerbstätigen im Rentenalter. In ganz Thüringen waren es damals 3,6 Prozent, was auch in etwa dem bundesweiten Durchschnitt von 3,5 Prozent im Jahr 2022 entsprach.

Hildburghausen wies hierbei den höchsten Wert auf. 5,1 Prozent der Erwerbstätigen waren im Rentenalter. Ähnlich hohe Quoten gab es auch in Suhl und Schmalkalden-Meiningen (beide 4,9 Prozent). In Greiz waren es 4,6 Prozent.

Im Gegensatz dazu kommt in Jena zu den landesweit höchsten Renten auch eine niedrige Erwerbsquote für Menschen im hohen Alter. Nur 1,9 Prozent der Erwerbstätigen befanden sich hier im rentenfähigen Alter. Das ist mit Abstand der niedrigste Wert.

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Dennoch sind ältere Menschen überproportional von Armut gefährdet. Rentenforscher Dr. Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung schätzt, dass etwa 20 Prozent der Menschen im Rentenalter von Altersarmut bedroht sind.

Auch Daten des Statistischen Bundesamtes belegen das. So waren 2022 in Thüringen 18,5 Prozent der Über-65-Jährigen von Armut gefährdet. Dieser Wert ist höher als im Bundesdurchschnitt (16,7 Prozent).

Geld nicht immer vordergründig für Arbeit im Alter

Allerdings seien die Gründe zum Arbeiten im hohen Alter vielseitig, berichtet Geyer. Nicht immer liege es an einer akuten Gefährdung durch Armut. Laut dem Experten spielt zusätzliches Geld bei etwa 40 Prozent eine wichtige Rolle - es gehe vielen Betroffenen darum, ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten.

Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Bildrechte: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Die Erwerbsquote bei niedrigem Haushaltseinkommen sei zwar höher, doch das Gleiche gelte auch für Menschen mit hoher Bildung. Es sind auch andere Faktoren von Bedeutung: "Fragt man nach den Motiven, so spielen bei den Erwerbstätigen häufig nicht-monetäre Gründe eine wichtige Rolle, also das Bedürfnis nach Kontakten, nach einer sinnvollen Tätigkeit."

Hinweis zu verwendeten Zahlen

Die genannten Zahlen für Erwerbstätige berufen sich auf Angaben der Bundesagentur für Arbeit. Dabei wurden sozialversicherungspflichtige und ausschließlich geringfügig Beschäftige berücksichtigt. Kurzzeitig Beschäftigte wurden ausgeschlossen.

Das sagen unsere User

Sascha "Dieses Rentensystem in Deutschland ist, wenn man es ehrlich betrachtet, unsolidarisch. Warum macht man es nicht wie in Dänemark: Mehrwertsteuer auf Einkauf erhöhen, und das gesamte Sozialsystem darüber finanzieren." Darauf camper21 "Weil die Leittragenden dann die Ärmsten der Armen sind, die keine oder wenige Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen." Er meinte "Es gibt Menschen für die ist Arbeit eine Erfüllung und keine Belastung. Ich gehöre auch dazu und ich hoffe, ich kann noch viele Jahre arbeiten", was aber sicher nicht für allzuviele gelte, kritisierte Matthi "Es gibt genug körperlich anstrengende Berufe, wo man froh sein kann, wenn man bis zur Rente durchhält“, was aus Sicht von martin ebenfalls nicht verallgemeinert werden dürfe "In den von Ihnen benannten Arbeitsbereichen gibt es mittlerweile eine Menge Maschinen, die den Anteil der harten körperlichen Arbeit deutlich absenken. Die Arbeit im Harvester ist deutlich weniger körperlich anstrengend, wie die Forstarbeit mit der Kettensäge. Allerdings möchte ich einen Bereich hinzufügen, in dem die körperliche Entlastung für die meisten dort Arbeitenden nicht weit fortgeschritten ist: DIe Pflege."

Katy schilderte "Ich gehe auch noch arbeiten. Seit 2021 arbeite ich in einer Raststätte. Nach 43 Jahren als Erzieherin wollte ich einen anderen Beruf ausüben. Da es mir gesundheitlich gut geht,wofür ich sehr dankbar bin, dachte ich, wag doch mal was vollkommen anderes.Ich bin heute nach drei Jahren immer noch froh, dass ich diesen Mut hatte." Dafür gab es zwar fast durchgehend Anerkennung, aber auch die andere Erfahrung von Peter Pan "Ich würde gern auf den Minijob verzichten, aber das gibt die Rente nicht her. Ansonsten wüsste ich mit meiner Zeit etwas Besseres anzufangen. Aber die Niedriglöhne in Thüringen haben dafür gesorgt, das man nicht zuviel Rente bekommt."

Matthi Sicher wird es Rentner geben die aus Spaß an der Freude weiter srbeiten, aber viele arbeiten weiter um sich überhaupt noch was im Rentenalter leisten zu können." Gründe dafür sind für part "Billiglöhne und Leiharbeit sowie Doppelbesteuerung haben besonders im Osten ihre Schneisen hinterlassen. Im Pflegeheim angekommen findet dann die vollkommene Enteignung statt bei einer Nichtanpassung der Renten an die reale Inflation."

MDR (dhl)

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Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. März 2024 | 07:00 Uhr

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