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Bei DigiSucht erhalten Betroffene schnelle und unkomplizierte Hilfe. Bildrechte: MDR/ Benjamin Pfeiler

SuchtHilfe für Abhängige im Internet: Pilotprojekt DigiSucht wird kaum genutzt

14. Mai 2023, 11:35 Uhr

Seit einem halben Jahr können sich Abhängige in Thüringen im Netz Hilfe bei Suchtproblemen holen. Doch bisher hat kaum einer das Programm DigiSucht genutzt. Der Grund: Es kennt keiner.

von Juliane Maier-Lorenz, MDR THÜRINGEN

Es sind nur wenige Klicks, bis Abhängige in Thüringen Hilfe bei ihrer Sucht erhalten. Name, Alter, Geschlecht, Angaben zur Sucht und die Postleitzahl - mehr braucht es nicht, um sich auf der neuen zentralen Onlineseite www.suchtberatung.digital zu registrieren. Anonym wird der Betroffene dann an eine der drei Beratungsstellen in Gera, Eisenach oder Sondershausen verwiesen und erhält binnen einer Woche einen ersten Kontakt und Hilfe.

Vielen ist das Projekt überhaupt nicht bekannt.

Marcus Willing | Novalis Diakonie Suchtberatungsstelle in Sondershausen

Doch was so einfach klingt, haben in der Praxis bisher wenige Abhängige gemacht. Seit November ist Thüringen eines der wenigen Bundesländer, in denen das Pilotprojekt DigiSucht gestartet ist. Doch während die Gesundheitsminister in Bayern und Schleswig-Holstein eine erste Erfolgsbilanz ziehen, so kennt im Freistaat kaum einer die neue Seite. "Vielen ist das Projekt überhaupt nicht bekannt. Sie wissen gar nicht, dass es DigiSucht gibt", fasst Marcus Willing, Berater der Novalis Diakonie Suchtberatungsstelle in Sondershausen, zusammen.

Marcus Willing, Berater der Novalis Diakonie Suchtberatungsstelle in Sondershausen Bildrechte: MDR/ Benjamin Pfeiler

Konsumtagebuch und Notfallangebote als Hilfemodule

Nachdem sich Betroffene einmal auf der Seite, auf Wunsch auch anonym, kostenfrei registriert haben, treten die Berater mit ihnen entweder per Chat, Mail oder Video in Kontakt. Dann stehen den Beratern verschiedene Module wie ein Konsumtagebuch und ein Notfallangebot zu Verfügung, um den Betroffenen helfen zu können.

Doch ob das überhaupt für den Einzelnen das Richtige ist, oder ob es eben andere Module braucht, das wissen die Beraterinnen und Berater in den drei Pilotberatungsstellen nicht. "Es fehlen schlichtweg die Zugänge, damit auch wir Erfahrungswerte sammeln können, um dieses Projekt stetig zu verbessern", sagt Willing. Nicht mehr als eine Handvoll Klienten hatten die Stellen in Gera, Eisenach und Sondershausen bisher, und das, obwohl sie Thüringen in drei Teile aufgeteilt haben und somit für eine Vielzahl an Regionen zuständig sind.

"Sondershausen ist zum Beispiel für den ganzen Norden Thüringens und Erfurt verantwortlich. Dass es dort keine Betroffenen gibt, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen wollen, können wir uns einfach nicht vorstellen", fasst Willing die Gedanken seiner Kollegen zusammen. Sie alle wurden extra für das Projekt geschult. Die dafür nötige Technik wurde lediglich von der Glücksspirale und der Deutschen Rentenversicherung finanziert. Zusätzliche finanzielle Hilfen gab es nicht.

Die Bedienung der Seitei ist intuitiv gehalten - hier können Abhängige einfach ihre Sucht anklicken. Bildrechte: MDR/ Benjamin Pfeiler

Pilotprojekt für solche, die sich nicht trauen, Beratungsstelle aufzusuchen

Gleich zu Beginn des Projekts, im Oktober 2022, taten sich bei dem Projekt Sicherheitslücken auf. Deshalb wurde auf großangelegte Werbung verzichtet. Doch jetzt läuft DigiSucht und Visitenkarten sind das einzige Werbemittel. Flyer sind in Planung, aber eben auch nicht binnen kurzer Zeit gedruckt.

Über so ein anonymes, niedrigschwelliges Angebot kann man viel besser den ersten Schritt wagen.

Heike Werner | Thüringer Gesundheitsministerin

Dabei liegen die Vorteile von DigiSucht auch für Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) klar auf der Hand: "Wir wollen genau die Menschen erreichen, die momentan eben nicht in Beratungsstrukturen ankommen, sondern sich nicht trauen, sich an jemanden zu wenden. Über so ein anonymes, niedrigschwelliges Angebot kann man viel besser den ersten Schritt wagen." Das Ministerium will jetzt in den sozialen Medien für DigiSucht werben.

Das Thüringer Gesundheitsministerium von Heike Werner will die Seite jetzt aktiver bewerben - zumindest in sozialen Medien. Bildrechte: imago images/Jacob Schröter

Alkohol immer noch häufigste Abhängigkeitsform

Mehr als 11.500 Abhängige haben laut der aktuellen Suchtstatistik allein 2021 eine Suchtberatungsstelle in Thüringen aufgesucht. Zwei Drittel davon waren Männer. Noch immer ist Alkohol eine der häufigsten Abhängigkeitsformen.

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MDR (dst)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 14. Mai 2023 | 19:00 Uhr

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