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BildungswesenLaptop, Tablets und WLAN: Der lange Weg der Schulen in Thüringen zur Digitalisierung

26. Mai 2022, 05:00 Uhr

Die einen wollen sie, die anderen haben sie, die nächsten können sie nicht nutzen - die Rede ist von Laptops und Tablets an Thüringer Schulen. Im Zuge des Digitalpakts wurden in den vergangenen drei Jahren mehr als 900 Schulen mit knapp 50.000 von solchen Geräten ausgestattet. Thüringen hat bislang 41 Millionen Euro in die Digitalisierung an den Schulen gesteckt. Dazu gehört auch die Ausstattung mit WLAN.

von Juliane Maier-Lorenz und Andreas Kehrer, MDR THÜRINGEN

Die technische Ausstattung an den Schulen im Freistaat ist auch abhängig von der Schulform. So sind weiterführende und berufsbildende Schulen weitaus digitaler als es Grundschulen sind. Und auch bei den Pädagogen selbst gibt es unterschiedliche Voraussetzungen, sich mit digitalem Unterricht auseinander zu setzen.

Immerhin sollen bis Ende Juni alle Lehrer an staatlichen Schulen mit Laptops ausgestattet sein, teilte das Thüringer Bildungsministerium mit. Doch weit gefehlt, wer dann glaubt, ab sofort braucht es weder Papier noch Stift im Unterricht.

Laptops mit stark eingeschränkten Nutzungsrechten

An der Staatlichen Regelschule "Wilhelm Hey" in Ichtershausen im Ilm-Kreis könnten die Laptops seit gut einem Monat genutzt werden. Wie? Da seien die Pädagogen mehr sich selbst überlassen statt angeleitet worden, so Schulleiter Thomas Umbreit. Hinzu komme ein weiteres Problem. "Das sind eigentlich sehr gute Geräte. Das Problem ist aber, dass die Nutzerrechte stark eingeschränkt sind", sagt Umbreit. So könnten die Lehrer beispielsweise keine eigenen Programme aufspielen und müssten mit der Software auskommen, die bereits vorinstalliert ist.

Doch diese Software verweigere sich zum Teil Standard-Dateiformaten: "Ich arbeite schon länger im Unterricht mit den Tafeln digital und habe meine Schulstunden entsprechend vorbereitet. Der Lehrer-Laptop kann die Dateien aber nicht lesen oder formatiert sie falsch", erzählt Sebastian Kief, der seit anderthalb Jahren in Ichtershausen Ethik, Geschichte und Informatik unterrichtet.

2013 bekam die Schule die erste interaktive Tafel, bestehend aus Whiteboard, Laptop und einem Beamer mit Soundanlage. Die Schule ist mit 245 Schülerinnen und Schülern nicht gerade groß. Zwölf Klassen führen zweizügig von der fünften bis zehnten Klasse. Trotzdem dauerte es sechs Jahre, um alle Räume mit den interaktiven Tafeln auszustatten - geradezu sinnbildlich für die schleppende Digitalisierung im Thüringer Bildungssektor.

WLAN immer noch nicht überall ausgebaut

Doch allein mit der Ausstattung von Schulen mit Laptops, Beamern und Tablets ist es nicht getan, denn vielen Einrichtungen in Thüringen fehlt es weiter an kabellosem Internet. Eine nicht repräsentative Umfrage des Thüringer Lehrerverbands (TLV) unter Lehrerinnen und Lehrern an 80 Schulen in Thüringen ergab, dass es in gerade einmal in einem Drittel der befragten Einrichtungen WLAN gibt.

Und dieses sei oft nur der Schulverwaltung vorbehalten. "Da werden viele Milliarden aus dem Digitalpakt abgerufen, doch an der Umsetzung scheitert es", moniert Tim Reukauf, Digitalisierungsexperte und Sprecher des jungen TLV. Der TLV fordert daher, zunächst in die Infrastruktur zu investieren.

Das hat auch die Regelschule in Ichtershausen getan - und zwar nicht mit Geldern aus dem Digitalpakt, sondern mehr oder weniger in Eigenregie. Die Internetverbindung besteht seit etwa zehn Jahren über eine Richtfunkstrecke aus dem nahe gelegenen Gewerbegebiet am Erfurter Kreuz.

Das schulinterne WLAN wurde einst mit Geldern des Schulfördervereins aufgebaut. Erst viel später wurde durch den Landkreis ein DSL-Anschluss gelegt - allerdings nur für die Schulverwaltung. Ohne die Richtfunkverbindung aus dem Gewerbegebiet gäbe es also bis heute kein Internet für den Unterricht an der Regelschule.

Warten auf Schüler-Tablets

Doch wer glaubt, damit habe sich die Schule einen Gefallen getan, der irrt abermals. Denn genau diese Richtfunkverbindung ist jetzt der Grund dafür, dass die Regelschule noch immer keinen Glasfaseranschluss hat. Und der wiederum ist eine Förderbedingung für Schüler-Tablets. Der Antrag liegt längst beim Breitband-Beauftragten des Ilmkreises. Doch andere Schulen seien noch viel schlechter dran, heißt es. Deswegen muss Ichtershausen jetzt warten. Auch auf die Schüler-Tablets, die im Unterricht aber durchaus benötigt würden.

"Die Schüler haben zwar noch ein Lehrbuch in Papierform, aber das gibt es eben auch digital mit Unterrichtsfilmen zu jeder Lektion", sagt Sophia Wirsing, die seit fünf Jahren in Ichtershausen Englisch unterrichtet. Die Filme aus dem Lehrbuch zeigt sie deshalb vorn an der Tafel. Schon vor Jahren hat Wirsing eine Lehrerfortbildung zum Thema "iPad-Klassen" gemacht und war damit vielen ihrer Kollegen einen Schritt voraus. 

Unterschiedliche Ansichten über digitale Fortbildungen

Ein Arbeitsblatt einscannen, dieses in die Schulcloud hochladen und dann von den Schülern ausdrucken und bearbeiten lassen - das sei kein digitaler Unterricht, sagt Tim Reukauf vom TLV. Er begrüßt regelmäßige Fortbildungen dazu, wie Laptops und Tablets im Unterricht eingesetzt werden. Diese bietet unter anderem das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM) an.

In zentralen Veranstaltungen als auch mit regionalen Fachberatern könnten die Pädagogen sich zur digitalen Medienbildung schulen lassen. Doch von den Schulungen gebe es zu wenig, diese seien zu schnell ausgebucht und gingen oft am Bedarf der Lehrerinnen und Lehrer vorbei, so das Resümee der Umfrage des Lehrerverbands.

Dem widerspricht das ThILLM vehement und verweist auf knapp 2.400 Veranstaltungen mit mehr als 23.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in den vergangenen zwei Jahren. Die fänden zum Teil online statt, seien also einer unbegrenzten Menge an Interessierten zugänglich.

Wunschdenken und Wirklichkeit

"Dem ThILLM liegen keine Erkenntnisse vor, dass die angebotenen Fortbildungen nicht ausreichen oder am Bedarf der Schulen vorbeigehen würden", teilte ein Sprecher MDR THÜRINGEN mit. Auch die Schulträger selbst könnten den Bedarf an den jeweiligen Schulen ermitteln und Weiterbildungen anbieten.

Dennoch bleibt vieles an Thüringer Schulen Stückwerk - trotz der vielen investierten Millionen. So eben auch an der Wilhelm Hey-Regelschule in Ichtershausen - wo Glasfaser vor der Schule liegt, aber nicht angeschlossen ist. Wo Lehrerin Sophia Wirsing zwar die Fähigkeit hat, Schülerinnen und Schüler am Tablet zu unterrichten, aber die Geräte nicht da sind. Und wo Lehrer-Laptops gängige Dateiformate nicht öffnen können.

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 26. Mai 2022 | 07:00 Uhr

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