FinanzenImmer mehr Menschen suchen Schuldnerberatung in Gotha auf
Immer mehr Menschen im Raum Gotha suchen Hilfe wegen finanzieller Schwierigkeiten. Die Leiterin der Schuldnerberatungsstelle nennt als Gründe die Corona-Pandemie, gestiegene Preise und den Krieg in der Ukraine.
Die Schuldnerberatungsstelle in der August-Creutzburg-Straße in Gotha ist kein Bürogebäude mit gläsernen Türen, sondern eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. "Und das ist gut so", sagt Leiterin Petra Gierke. "Da bleibt es anonym. Denn vielen Menschen kostet es Überwindung, zu uns zu kommen."
Dort treffe ich einen Mann, der anonym bleiben möchte. Er erzählt mir, dass er vor vielen Monaten einen Fehler gemacht hat. Weil seine Wohnung voller Schimmel war, überwies er seinem Vermieter nur noch fünf Euro Miete - weil dieser sich den Angaben des Mieters zufolge nie darum gekümmert hatte, das zu ändern.
Heute weiß der Mieter, dass dies ein Fehler war. "Ich hätte wie die anderen Mieter das Geld auf ein anders verwaltetes Konto überweisen müssen." Nun sind 13.000 Euro Schulden aufgelaufen. Dazu kamen Krankheit und eine Trennung. Mit Hilfe der Beratungsstelle kämpft er sich nun aus seinen Problemen. "Ohne die wäre ich vor den Baum gelaufen."
Schulden trotz Job
Es ist ein bundesweiter Negativtrend. Wegen der Pandemie, der Preisexplosionen und des Ukraine-Kriegs wachse den Menschen die Schulden gerade über den Kopf, schreibt die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände auf ihrer Internetseite.
Allein in Gotha gab es laut Petra Gierke von Januar bis April 44 Prozent mehr Betroffene als im Vorjahreszeitraum. Das Durchschnittsalter der Verschuldeten liegt ihren Angaben zufolge bei 44 Jahren.
Im vergangenen Jahr hätten fast 1.200 Familien und Einzelpersonen Hilfe bei der Schuldnerberatung gesucht. Bei der Hälfte der Fälle ging es um eine Insolvenz. Viele Betroffene konnten laut Gierke wegen der gestiegenen Preise Kredite nicht mehr vollständig bedienen.
Preiserhöhungen und ihre Folgen
Ein Beispiel: Vor der Corona-Pandemie und den Preiserhöhungen hat eine Familie mit mittleren Einkommen locker einen Baukredit für 350.000 Euro bekommen. Wenn es für sie finanziell dünn gestrickt war, blieben vielleicht noch 200 Euro für Rücklagen übrig. Die sind jetzt nicht nur aufgebraucht, sondern die Familie ist ins Minus gerutscht. Kommen dann noch Krankheit oder eine Scheidung dazu, baut sich der Schuldenberg immer weiter auf. Bis der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht.
Wenn kurz vor der Rente der Partner stirbt
Vor allem ältere Menschen schämen sich Gierke zufolge, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Da brauche es viel Mut und Vertrauen. Viele Rentner hätten während der Corona-Pandemie ihre Mini-Jobs verloren oder ihre Rücklagen schon zuvor den Kindern und Enkelkindern gegeben. "Und wenn zwei Ehepartner das Haus zusammen noch abzahlen müssen und plötzlich wird einer krank oder stirbt, dann ist das Problem vorprogrammiert."
Aber: "Schulden sind nicht das Ende," sagt Anja Wolf von der Thüringer Landesarbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungen. Die Beratungsangebote sind thüringenweit kostenfrei.
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MDR (mm)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 25. Mai 2023 | 18:00 Uhr
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