LebensmittelDas Geheimnis guten Brotes: Wie die "Teigmacher" in Bad Tabarz das Bäckerhandwerk neu erfinden
Vor einigen Jahren verließ der junge Bäcker Max Stiebling Thüringen, um sich in der Welt umzusehen und noch mehr zu lernen. Dann kam er zurück nach Bad Tabarz im Kreis Gotha, weil er gutes Brot backen wollte. Inzwischen ist der 34-Jährige Chef der "Teigmacher".
Am Anfang steht eine Irritation. Der weiße Schriftzug "Fleischerei" auf der Tür ist durchgestrichen, darunter prangt in pinken Lettern "Bäckerei". Dann geht die Tür auf - und tatsächlich: Regale voller Brote. Roggenkruste, Hanfkruste, Viersaatenbrot, Wurzelbrot, Französisches Landbrot. Dazu Doppel-Brötchen, Körnerbrötchen, Roggenbrötchen, Nussecken, Zimtschnecken und und und.
Auf den ersten Blick ist die Bäckerei im Zentrum von Bad Tabarz im Landkreis Gotha eine wie jede andere, auf den zweiten Blick gibt es mehrere Besonderheiten. Die Brote, die hier verkauft werden, sind alle aus Sauerteig - einem Roggen- oder Weizensauerteig - hergestellt. Im Großen und Ganzen bestehen sie aus Mehl, Wasser und Salz - und Zeit.
"Bis bei uns ein Brot zum Verkauf im Regal liegt, vergehen 36 bis 48 Stunden, bei einem industriell hergestellten Brot sind es vier Stunden", sagt Max Stiebling. Er ist 34 Jahre alt, Bäckermeister und Chef des kleinen Unternehmens "Die Teigmacher", das das Geschäft betreibt.
Entscheidung für ein kleines Sortiment
Die Teigmacher setzen bewusst auf ein kleines Sortiment, von den Rohstoffen werden so viele wie möglich von regionalen Anbietern bezogen. "Die Qualität des Sauerteigs muss stimmen", sagt Max Stiebling. Das bedeutet auch, dass die Brote und Brötchen der Teigmacher teurer sind als bei der Konkurrenz. Max Stiebling sagt: "Der Markt gibt das her. Die Kunden kommen."
Das Geschäft in Bad Tabarz gibt es erst seit November vergangenen Jahres. Für Max Stiebling ist die Branche allerdings nicht neu. Er ist in eine Bäckerfamilie hineingeboren - in Schwarzhausen, einem Ortsteil von Waltershausen. Eine Handwerksbäckerei mit vier Filialen.
Als Schüler half er dort in den Ferien öfter mit. Bäcker sein, das erfuhr Max Stiebling schnell, das bedeutete auch: mitten in der Nacht aufzustehen, arbeiten bis zum Mittag, ein Schläfchen zwischendurch, weiter arbeiten, gegen 20 Uhr ins Bett gehen.
Der Arbeitstag beginnt morgens 6 Uhr
Bei den Teigmachern ist das anders. Hier beginnt die Arbeit von dienstags bis sonntags in der Backstube morgens um 6 Uhr, montags bleibt der Laden geschlossen. Zuerst backt einer der Bäcker Brot und Brötchen, der andere bereitet die Teige für den nächsten Tag vor, die dann in einer Klimakammer reifen müssen. Der Laden öffnet um 7 Uhr. Über den Tag wird dann gebacken, was gebraucht wird.
"Für die Teige bringt es mehr Aroma, Verträglichkeit und Geschmack und für die Mitarbeiter mehr Zeit", erklärt Max Stiebling sein Konzept. Den Arbeitstag später zu beginnen, sei dann möglich, wenn an dem Ort, wo verkauft auch gebacken wird. Fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Vollzeit sowie ein Pool an Aushilfen stemmen derzeit das Geschäft.
Dabei ärgert es Max Stiebling eigentlich, dass der Bäckerberuf landläufig auf das frühe Aufstehen reduziert wird: "Ich würde mir wünschen, dass die Kunden bei dem Beruf zuerst an eine richtig leckere Brotzeit denken: frisches Brot, krosse Kruste, aufgeschnitten, saftige Krume. Ein bisschen Butter. Ein bisschen Salz. Vielleicht ein bisschen Olivenöl. Vielleicht eine Scheibe frische Wurst oder Käse oder einen Aufstrich. Oliven dazu. Das ist geil. Das ist lecker. Das Bild möchte ich vermitteln."
In einer Stunde 10.000 Baguettes
Bis es zu diesem Urteil kommen konnte, musste ein bisschen Zeit vergehen. "Nach dem Abitur hatte ich keine andere Idee, was ich beruflich tun wollte", erzählt Max Stiebling. Also machte er eine Ausbildung zum Bäcker, später in Olpe im Sauerland den Meisterbrief. "In meinen 20er-Jahren", wie er sagt, war er viel außerhalb Thüringens unterwegs, in den USA, in Bingen, Idar-Oberstein, Bonn und Stuttgart. Dort lernte Max Stiebling alle Betriebsformen seines Handwerks kennen.
Er arbeitete in mehreren Bio-Bäckereien und in einem Unternehmen an einer Anlage, die in der Stunde 10.000 Baguettes ausspuckt. Und er ging zu einem Einzelhandelsunternehmen, das schließlich bis auf 50 Backfilialen anwuchs: Als Regionalleiter war er dort für 13 Standorte zuständig. "Was es dort zu kaufen gab, mochte ich irgendwann nicht mehr essen. Das Kilo Brot kostete 1,11 Euro."
Max Stiebling wollte zurück in die Heimat. Bad Tabarz, das 4.000 Einwohner zählende Kneipp-Heilbad, beliebter Ausgangspunkt für viele Wander- und Radtouren, auch zum Inselsberg – das schien ihm zu passen. Die Natur vor der Haustür sei ihm wichtig – vor allem wegen seines Hobbys, dem Laufen. Der Ort hat zwei Reha-Kliniken, Ärzte, zwei Schulen. "Hier gibt es eine Infrastruktur und die Landeshauptstadt ist eine halbe Autostunde entfernt. Wo ist das schon so?", sagt Max Stiebling.
Eine Lösung für die Lesehalle
Im Jahr 2020 wusste Max Stiebling, dass er "gutes Brot" backen will. "Ich brauchte wenigstens eine Garage mit Starkstromanschluss. Es sollte was Kleines werden." Gemeinsam mit dem Tourismuskaufmann Norman Linke, den er über das Laufen kennenlernte, begannen die beiden Männer ein Konzept für ein Unternehmen zu entwerfen. Beim Bürgermeister von Bad Tabarz, David Ortmann, fragte Max Stiebling nach einem Raum.
David Ortmann hatte eine Idee. Er erinnert sich: "Die Lesehalle ist ein Relikt aus weit vergangenen Zeiten. Einst lasen die Kurgäste hier die Tageszeitungen, später fanden dort Trauungen statt, zeitweise war dort eine Bücherausleihstation untergebracht. Die Halle machte einen ruinösen Eindruck. Bis wir sie auch mithilfe von EU-Fördermitteln sanieren lassen konnten."
Dann erstrahlte die Lesehalle weiß im grünen Theodor-Neubauer-Park. "Wir wollten keinen Schnellschuss, sondern jemanden, der hinsichtlich seines Konzepts und seiner Leistungsfähigkeit überzeugt", sagt der Bürgermeister. Eine Umnutzungsgenehmigung lag vor und so konnte es im September 2021 los gehen.
Die Saison dauert von Ostern bis Oktober
Allerdings ließen sich in der Lesehalle eine Verkaufstheke und ein Café unterbringen, aber keine Backstube. Max Stieblings Eltern halfen und so konnte er bei ihnen in Schwarzhausen unterkommen. Tagsüber backte er, donnerstags bis sonntags öffnete die Lesehalle von 13 bis 17 Uhr, danach stellte Max Stiebling bis 21 Uhr seine Teige her. Zu zweit mit einer Aushilfe traten sie an. "Wir haben uns drei Monate gegeben, um zu schauen, ob das Ganze funktioniert. Es funktionierte", sagt Max Stiebling.
Im Winter öffneten sie nur an den Wochenenden und ab Februar wieder länger. Da die Lesehalle nicht beheizbar ist und nur eine Elektroanlage hat, stiegen die Kosten enorm – und das während der Energiekrise.
Eine neue Lösung musste her. Die Saison in der Lesehalle dauert nun von Ostern bis Oktober. Dafür sind die Teigmacher nun auch beim vom Kuramt organisierten Tabarzer Musiksommer dabei.
Von Juni bis September spielt jeweils an einem Wochenende auf einem öffentlichen Platz, in einer Kneipe, einem Café oder Restaurant ein Musiker oder eine Band. Für die Gäste ist der Eintritt kostenfrei. Dazu wollen die Teigmacher eigene Abendveranstaltungen anbieten. Daher haben sie die Verkaufstheke etwas umgestaltet und eine Bar eingebaut. Anstelle der Regale für die Brote. Die gibt es ja nun drüben im Laden.
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MDR (co)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 05. Mai 2023 | 06:00 Uhr
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