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KommentarWarum Kants Ideen so aktuell sind

22. April 2024, 10:27 Uhr

Vor 300 Jahren wurde der Philosoph Immanuel Kant geboren. Von den großen deutschen Denkern ist er der heute noch relevanteste. Seine Gedankenwelt aus dem Geist der Aufklärung ist die Basis unseres demokratischen Gemeinwesens. Zentral ist auch sein Appell, die unbedingte Wahrheit zu suchen – gerade im aktuellen Zeitalter der Populisten mit ihren vermeintlich einfachen Antworten. Ein Kommentar.

Von allen großen deutschen Philosophen ist Immanuel Kant derjenige, der uns heute noch am meisten zu sagen hat. Nicht Hegel, nicht Marx und auch nicht Nietzsche sind für die Problemlage, in der die Menschheit in den 20er-Jahren des 21. Jahrhunderts steckt, derart relevant, wie die Ideen, die uns Kant mit auf den Weg gegeben hat.

Und das, obwohl er schon vor 300 Jahren in Königsberg geboren wurde und ebendort vor 220 Jahren gestorben ist. Unter allen Philosophen der Aufklärung ragt er heraus, auch weil er den Slogan seiner Epoche am griffigsten formuliert hat: "Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen" ist der Wahlspruch der Aufklärung.

Basis des demokratischen Gemeinwesens

Die Forderung, mache aus dir einen mündigen Bürger, war damals schon politisch und ist es bis heute geblieben. Sie ist die Basis für unser demokratisches Gemeinwesen, das davon lebt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auf der Basis von Fakten über Fragen des öffentlichen Lebens ein begründetes Urteil bilden.

Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.

Immanuel Kant

Kant-Denkmal in Königsberg (heute Kaliningrad) Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Zum anderen geht Kants Appell einher mit einer scharfen Kritik all derjenigen, die die Menschen geistig abhängig halten wollen. Damals waren das die Vertreter des Gottesgnadentums und der ungerechten ständischen Ordnung. Heute sind es Populisten und Autokraten, die das Internet mit ihren Lügen fluten, um sich Macht und Einfluss zu sichern.

Lasst Euch nicht für dumm verkaufen und überprüft alle Informationen, lautet Kants Forderung, die im Zeitalter der künstlichen Intelligenz aktueller nicht sein könnte.

Grundidee der Vereinten Nationen

Kant misstraut allen Autokraten. Dauerhaft Frieden, sagt er, kann es nur geben, wenn überall auf der Welt demokratische Verhältnisse herrschen. Und: wenn sich die Staaten zu einer großen Gemeinschaft zusammenschließen. Kant schrieb dazu: "Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein. Dies wäre ein Völkerbund …" So hat Kant bereits 1795 einen Plan für die Bildung der Vereinten Nationen vorgelegt.

Zeitgenössische Zeichnung des Philosophen Immanuel Kant. Bildrechte: IMAGO / Gemini Collection

Die Bedingungen, die er in seiner Schrift "Zum Ewigen Frieden" formuliert, sind immer noch nicht erfüllt. Es sind – nicht nur, aber meistens – die Diktatoren dieser Welt, die Kriege anzetteln. Und – wie Putin das vorexerziert hat – bevor diese Machthaber einen Krieg anfangen, schaffen sie zuerst die Freiheitsrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger ab.

Kant schreibt hingegen: "Freiheit, sofern sie mit jedes anderen Freiheit zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen, Kraft seiner Menschheit, zustehende Recht."

Freiheit als universelles Menschenrecht

Kant ist derjenige Philosoph, der die Freiheit als ein universell geltendes Menschenrecht theoretisch begründet hat. Die Freiheitsrechte sollen für jeden Einzelnen und überall auf der Welt gelten.

Dieser Anspruch wird von den Autokraten dieser Welt, von China über den Iran bis nach Mali, bekämpft. Was eigentlich nichts Neues ist.

Neu ist hingegen, wie stark die Feinde der Freiheit von Links und Rechts auch im eigenen Land geworden sind. Für die Rechts- und Links-Identitären ist die Herkunft einer Person das entscheidende Identitätsmerkmal. Das Volk oder die ethnische Gruppe gilt ihnen mehr als der Einzelne, dessen Recht auf Selbstbestimmung sie in Frage stellen. Unsere freie, offene Gesellschaft ist bedroht.

Aufklärung tut Not. Immanuel Kant hilf!

Quelle: MDR KULTUR (Stefan Nölke);
Redaktionelle Bearbeitung: op

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 22. April 2024 | 06:40 Uhr