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Das israelische Parlament, die Knesset, während der Abstimmung über das Kernelement der umstrittenen Justizreform. Bildrechte: IMAGO/UPI Photo

Klausel abgeschafftIsraels Parlament verabschiedet Kern der umstrittenen Justizreform

25. Juli 2023, 15:01 Uhr

Israels Parlament hat mit den Stimmen der rechts-religiösen Regierungsmehrheit das Kernstück der umstrittenen Justizreform verabschiedet. Dem Obersten Gericht ist es künftig untersagt, die "Angemessenheit" von Kabinetts- und Ministerentscheidungen zu überprüfen. Ministerpräsident Netanjahu verteidigte den Justizumbau als notwendig für die Demokratie. Das Auswärtige Amt in Berlin äußerte sich besorgt angesichts der sich vertiefenden Spannungen in Israel.

Ungeachtet massiver Proteste hat Israels Parlament einen zentralen Teil der umstrittenen Justizreform verabschiedet. 64 von 120 Abgeordneten stimmten für einen Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt.

Alle Knesset-Abgeordneten der rechts-religiösen Regierungsmehrheit von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stimmten nach tagelangen Debatten für die Abschaffung der sogenannten Angemessenheitsklausel. Die Opposition boykottierte die Abstimmung.

"Unangemessene" Regierungsentscheidungen unmöglich

Das Gesetz ist Teil eines größeren Reformpakets. Durch die Reform ist es dem Obersten Gericht künftig nicht mehr möglich, Entscheidungen der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" einzustufen und damit außer Kraft zu setzen. Kritiker stufen dies als Gefahr für Israels Demokratie ein. Sie befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten begünstigt.

Israel hat keine schriftliche Verfassung. Der israelische Staat fußt stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Daher kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.

Netanjahu: Justizumbau notwendig für Demokratie

Netanjahu verteidigte die Justizreform als "notwendigen demokratischen Schritt". Die "Angemessenheitsklausel" sei abgeschafft worden, damit die gewählte Regierung ihre Politik in Übereinstimmung mit der Entscheidung der Mehrheit der Bürger des Landes umsetzen könne. Die Netanjahu-Regierung hatte der Justiz vorgeworfen, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.

Die Bundesregierung äußerte sich besorgt über die angespannte Lage nach der jüngsten Knesset-Entscheidung und rief zum Dialog zwischen Regierung und Opposition auf. "Gerade nach der heutigen Verabschiedung des ersten Teils des geplanten Justizumbaus bleibt es wichtig, dass einer breiten gesellschaftlichen Debatte ausreichend Zeit und Raum gegeben wird, um einen neuen Konsens zu ermöglichen", hieß aus dem Auswärtigen Amt.

Verletzte bei Protesten am Abend

Bei Protesten gegen die Justizreform kam es am Montagabend zu Gewalt und Verletzten. Medienberichten zufolge wurden landesweit mindestens 34 Demonstranten festgenommen und mehrere Menschen unter anderem durch den Einsatz von Wasserwerfern verletzt. Bei einer Kundgebung in einem Ort nördlich von Tel Aviv raste ein Auto in die Menge. Drei Demonstranten wurden dabei laut Polizei verletzt, der Fahrer kam in Haft. Sein Motiv sei bisher unklar. Die Demonstranten hatten eine Fahrbahn blockiert.

Israels Ärztekammer kündigte Medienberichten zufolge einen Proteststreik für Dienstag an. Krankenhäuser arbeiten demnach nur mit minimaler Kapazität und behandeln nur Notfälle.

Justizreform spaltet Gesellschaft

Die Justizreform der Regierung Netanjahu spaltet seit einem halben Jahr weite Teile der israelischen Gesellschaft. Regelmäßig gehen zig Tausende Menschen auf die Straßen. Zuletzt drohten mehr als Zehntausend Reservisten, nicht zum Dienst zu erscheinen. Auch aus der Wirtschaft gab es Kritik.

Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechts stehende, die das Land je regiert hat. Die umstrittenen Gesetzesänderungen im Justizsektor erfolgen auch auf Druck von Netanjahus strengreligiösen Koalitionspartnern. Beobachter kritisieren, dass die Reform auch Netanjahu selbst in einem schon länger gegen ihn laufenden Korruptionsprozess helfen könnte.

AFP/dpa (dni)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 24. Juli 2023 | 14:30 Uhr