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In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung hat Bundeskanzler Olaf Scholz auch vor Schein-Lösungen im Ukraine-Krieg gewarnt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

UN-VollversammlungScholz zur Ukraine: "Frieden ohne Gerechtigkeit nennt man Diktat"

20. September 2023, 07:18 Uhr

Bei der UN-Generaldebatte hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor einer Schein-Lösung des Krieges in der Ukraine gewarnt. Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland vor, auch viele andere Staaten zu bedrohen. UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer Aufspaltung der Welt. Neben dem russischen Angriff auf die Ukraine waren auch die Bedrohung durch den Klimawandel und eine Reform des UN-Sicherheitsrats Themen in New York.

  • Bundeskanzler Olaf Scholz fordert Reform des UN-Sicherheitsrates
  • Selenskyj vor den Vereinten Nationen: "Es geht nicht nur um die Ukraine"
  • UN-Generalsekretär Guterres sieht tiefe Gräben und will Reform des UN-Sicherheitsrates
  • US-Präsident Biden fordert Schutz der Ukraine und will wirtschaftsschwächeren Ländern mehr Gewicht geben
  • Brasiliens Präsident Lula fordert Geld für Klimaschutz und mehr Einsatz im Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat den Auftakt der diesjährigen UN-Generaldebatte bestimmt. Bundeskanzler Olaf Scholz stellte sich in seiner Rede hinter die internationalen Bemühungen um einen Frieden. Scholz sagte vor den Vereinten Nationen, es sei gut und richtig, dass sich die Welt auch an der Suche nach Frieden beteilige. Gleichzeitig warnte er aber auch vor Schein-Lösungen. Frieden ohne Gerechtigkeit nenne man Diktat, so der Kanzler. Das müsse nun endlich auch Moskau verstehen.

In seiner Rede forderte Scholz erneut auch Reformen, insbesondere beim UN-Sicherheitsrat. Die Vereinten Nationen müssten "die Realität einer multipolaren Welt abbilden". Dies sei aber bislang nicht der Fall, sagte Scholz. "Nirgendwo ist das so augenfällig wie bei der Zusammensetzung des Sicherheitsrats."

An der Struktur und Zusammensetzung des mächtigsten UN-Gremiums mit 15 Mitgliedern, in dem die fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA einen ständigen Sitz und damit ein Veto-Recht haben, gibt es schon lange Kritik. So ist der Sicherheitsrat im Ukraine-Krieg blockiert, weil Russland jede Resolution verhindern kann. "Letztlich liegt es in der Hand der Generalversammlung, über eine Reform des Sicherheitsrates zu entscheiden", sagte der Kanzler in seiner Rede.

Selenskyj: Russland bedroht nicht nur die Ukraine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland in seiner Rede vor den Vereinten Nationen vorgeworfen, auch viele andere Staaten mit seiner Aggression zu bedrohen. "Es geht nicht nur um die Ukraine", sagte Selenskyj. Teile von Moldau und Georgien seien besetzt, Russland habe sich Belarus fast einverleibt, bedrohe Kasachstan, die baltischen Staaten - und die internationale Ordnung. "Viele Sitze in der Halle der Generalversammlung könnten leer werden, wenn Russland mit seinem Verrat und seiner Aggression Erfolg hat."

Viele Sitze in der Halle der Generalversammlung könnten leer werden, wenn Russland mit seinem Verrat und seiner Aggression Erfolg hat.

Wolodymyr Selenskyj | Präsident der Ukraine

Moskau nutze im Krieg gegen die Ukraine nicht nur militärische, sondern auch andere Waffen - "und diese Dinge werden nicht nur gegen unser Land eingesetzt, sondern auch gegen Ihres", sagte Selenskyj an die Adresse der UN-Mitgliedstaaten. Russland setze Lebensmittelpreise und Energie als Waffe ein. Selenskyj mahnte außerdem, Moskaus Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen sei nicht das Angsteinflößendste an dem Krieg.

Der ukrainische Präsident nahm zum ersten Mal seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen sein Land im Februar 2022 persönlich an der UN-Generaldebatte in New York teil. Im vergangenen Jahr hatte er sich per Videoansprache an die Vereinten Nationen gewandt

Guterres: Welt gerät aus den Fugen

Zuvor hatte UN-Generalsekretär António Guterres angesichts zunehmender globaler Spannungen vor einer Aufspaltung der Welt gewarnt. Es gebe tiefe Gräben zwischen den größten Wirtschafts- und Militärmächten, zwischen Ost und West sowie zwischen reichen Staaten und Entwicklungsländern. "Wir nähern uns immer mehr einem großen Bruch der Wirtschafts- und Finanzsysteme sowie der Handelsbeziehungen", sagte Guterres zum Start der Generaldebatte: "Unsere Welt gerät aus den Fugen." Ohne eine Reform der internationalen Institutionen, auch des UN-Sicherheitsrates, könnten Probleme und Interessen nicht wirksam angegangen werden.

Wir nähern uns immer mehr einem großen Bruch der Wirtschafts- und Finanzsysteme sowie der Handelsbeziehungen.

António Guterres | UN-Generalsekretär

Biden fordert Schutz der Ukraine

US-Präsident Joe Biden rief zum Schutz der Ukraine auf: Wenn man zulasse, dass die Ukraine zerstückelt wird, sei auch die Unabhängigkeit anderer Nationen nicht sicher, sagte er im Beisein des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Biden warb außerdem dafür, wirtschaftsschwächeren Ländern mehr Mitsprache und Gewicht in internationalen Institutionen zu geben, und sprach sich ebenfalls für eine Reform des UN-Sicherheitsrates aus - um mehr ständige und nicht-ständige Mitglieder in die Runde aufzunehmen. "Wir brauchen mehr Stimmen und mehr Perspektiven am Tisch", mahnte er.

Weiterhin warnte Biden angesichts tödlicher Naturkatastrophen vor der Klimakrise als "existenzielle Bedrohung" für die gesamte Menschheit. Er nannte rekordverdächtige Hitzewellen in den USA und China, Waldbrände in Nord- und Südeuropa, Dürre am Horn von Afrika und die Überschwemmungen in Libyen als Anzeichen dafür, was die Welt erwarte, wenn sie ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nicht verringere. Die Welt müsse "klimasicher" gemacht werden, so Biden weiter.

Lula fordert 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz

Auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva rief zu einem entschlossenen Kampf gegen den Klimawandel auf, ebenso gegen eine wachsende soziale Ungleichheit. "Die Klimakrise klopft an die Tür und zerstört unsere Heimat", sagte der Staatschef des größten lateinamerikanischen Landes in New York. Er forderte die reichen Länder erneut dazu auf, wie zugesagt 100 Milliarden US-Dollar (etwa 93 Milliarden Euro) pro Jahr für Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitzustellen. Lula forderte zudem mehr Einsatz im Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen sowie eine Stärkung der Rechte von Homosexuellen und Behinderten.

Die Klimakrise klopft an die Tür und zerstört unsere Heimat.

Luiz Inácio Lula da Silva | Präsident Brasiliens

dpa, afp (mze)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 20. September 2023 | 07:00 Uhr