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Palästinenser tragen nach israelischem Luftangriff verletztes Kind aus Haus in Gaza-Stadt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Mohammed Abu Elsebah

UN-SicherheitsratUN-Generalsekretär prangert Verstöße gegen Völkerrecht in Gaza an

24. Oktober 2023, 20:59 Uhr

UN-Generalsekretär Guterres hat "Verletzungen des humanitären Völkerrechts" im Gazastreifen angeprangert. Er erneuerte seine Forderung nach einer Waffenruhe und betonte zugleich, die Hamas-Angriffe würden keine kollektive Bestrafung der Palästinenser rechtfertigen. Israels Vertreter griffen Guterres wegen seiner Gaza-Rede scharf an. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warb im UN-Gremium für "humanitäre Fenster" zur Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

UN-Generalsekretär António Guterres hat Israel wegen seiner Angriffe auf den Gazastreifen deutlich kritisiert. Bei einer offenen Sitzung des Weltsicherheitsrates in New York sagte er: "Der Schutz der Zivilbevölkerung bedeutet nicht, mehr als eine Million Menschen zur Evakuierung in den Süden zu befehlen, wo es keine Unterkünfte, keine Nahrung, kein Wasser, keine Medikamente und keinen Treibstoff gibt, und dann den Süden selbst weiter zu bombardieren." Guterres bekräftigte seine Forderung nach einer humanitären Waffenruhe im Nahost-Krieg.

Kritik an beiden Konfliktparteien

Ohne Israel und die islamistische Hamas namentlich zu nennen prangerte Guterres in seiner Rede auch "eindeutige Verletzungen des humanitären Völkerrechts" im Gazastreifen an. Keine Partei eines bewaffneten Konflikts stehe über dem internationalen humanitären Recht, betonte er. Offensichtlich an die Adresse der Hamas gerichtet, verurteilte der UN-Generalsekretär den Missbrauch von Unbeteiligten als menschliche Schutzschilde.

Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen auf. Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Ariel Schalit

Guterres verurteilte auch die Angriffe der islamistischen Hamas auf Israel erneut auf das Schärfste. Diese seien durch nichts zu rechtfertigen. Die Hamas-Angriffe könnten jedoch die "kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes nicht rechtfertigen". Es sei auch "wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden", sagte der UN-Generalsekretär. Das palästinensische Volk sei 56 Jahre lang einer erdrückenden Besatzung ausgesetzt. Es habe miterlebt, wie sein Land durch Siedlungen dezimiert, wie Menschen vertrieben und Häuser zerstört wurden.

Israels Außenminister greift Guterres an

Israels Außenminister Eli Cohen griff Guterres angesichts seiner Äußerungen bereits während der offenen Sitzung des UN-Sicherheitsrates direkt an. Später sagte er auch ein Treffen mit dem UN-Generalsekretär ab. Auf X schrieb Cohen: "Ich werde den UN-Generalsekretär nicht treffen. Nach dem 7. Oktober gibt es keinen Platz mehr für eine ausgewogene Position." Ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem bestätigte die Absage. Ein UN-Sprecher konnte die Absage zunächst nicht bestätigen. Zuvor hatte Cohen auch eine Feuerpause im Gazastreifen mit drastischen Worten und unter Verweis auf Hamas-Verbrechen abermals abgelehnt.

Der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan rief Guterres bei X gar zum Rücktritt auf. Die Aussage, dass "der mörderische Terrorangriff der Nazi-Hamas nicht im luftleeren Raum stattfand", sei eine Rechtfertigung von Terror und Mord. Guterres habe eine "verzerrte und unmoralische Sicht" des am 7. Oktober von Hamas-Terroristen in Israel verübten Massakers, schrieb Erdan in seinem X-Post.

Baerbock fordert "humanitäre Fenster"

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warb im UN-Sicherheitsrat für "humanitäre Fenster" zur Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Es müsse alles dafür getan werden, dass die humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza jetzt endlich auch ankomme, sagte die Grünen-Politikerin. "Damit wir die Menschen, die unschuldigen Frauen und Kinder in Gaza erreichen können, braucht es jetzt humanitäre Fenster." Ein paar Lkws mit humanitärer Hilfe würden nicht ausreichen. Unter anderem müsse die Trinkwasserversorgung wieder hergestellt werden, wofür Treibstoff nötig sei, forderte Baerbock. Die deutsche Außenministerin unterstrich das Selbstverteidigungsrecht Israels. Für die Sicherheit Israels einstehen heiße aber zugleich auch, das Leid der Palästinenser in Gaza vor Augen zu haben.

Palästinenser werfen Sicherheitsrat Untätigkeit vor

Der palästinensische Außenminister Riad al-Maliki warf dem Weltsicherheitsrat angesichts der eskalierenden Gewalt in Nahost Untätigkeit vor. Es falle dem Rat schwer, seiner Aufgabe ohne Selektivität oder Doppelmoral nachzukommen. Der Weltsicherheitsrat hatte sich bislang nicht auf eine gemeinsame Linie im Nahost-Krieg einigen können. So war ein brasilianischer Resolutionsentwurf mit Fokus auf humanitäre Hilfe am Veto der USA gescheitert, was Washington den Vorwurf doppelter Standards in der Außenpolitik eingebracht hatte.

Die Gewalt im Nahen Osten war nach einem Großangriff der im Gazastreifen herrschenden Hamas am 7. Oktober eskaliert. Nach israelischen Regierungsangaben wurden dabei etwa 1.400 Israelis getötet und mehr als 220 als Geiseln genommen. Bei israelischen Gegenangriffen auf den Gazastreifen starben nach Angaben der dortigen Hamas-geführten Regierung bislang mehr als 5.700 Menschen.

dpa/AFP (dni)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 24. Oktober 2023 | 17:30 Uhr