Eine künstlerische Weltraumdarstellung des Satelliten-Schwarm Starling in der nahen Erdumllaufbahn
Eine künstlerische Weltraumdarstellung des Satelliten-Schwarms Starling in der nahen Erdumlaufbahn Bildrechte: Blue Canyon Technologies/NASA

Raumfahrt Nasa testet autonomen Satelliten-Schwarm im Orbit

12. Juli 2023, 16:56 Uhr

Die Nasa will ab Freitag einen Schwarm von vier Cube-Satelliten in den Orbit bringen, wo sich die Raumfahrzeuge autonom vernetzen und steuern sollen. Das System soll Grundlagen liefern für Missionen in den Tiefraum.

Porträtfoto von Patrick Klapetz
Bildrechte: privat

Funksignale sind oft lange unterwegs zu Raumsonden, die andere Planeten oder Asteroiden im Sonnensystem erkunden. Mitunter vergeht über eine Stunde zwischen dem Absenden eines Signals von der Erde und dem Eintreffen der Antwort von der Sonde. Eine direkte Steuerung der Raumschiffe ist also sehr schwierig, daher steuern sich die Systeme schon immer teilautonom. Die Nasa will mit einem neuen Ansatz jetzt aber noch einen Schritt weitergehen und einen ganzen Schwarm von Satelliten aussenden, der sich selbst steuern soll.

Nasa testet die Schwarm-Satelliten-Intelligenz Starling 

Für den 14. Juli 2023 ist der Start eines autonom-agierenden Schwarms aus vier Kleinsatelliten (Cubesats) geplant. Jeder Einzelne von ihnen hat in etwa die Größe eines Schuhkartons (100 x 226,3 x 340,5 Millimeter; bei Cubesats entspricht es der Größenbezeichnung 6U).

Benannt sind die Cubes nach der Singvogelart Star, auf englisch Starling. Wenn sie ihre Flughöhe von 570 Kilometern erreicht und sich jeweils 65 Kilometer voneinander entfernt haben, sollen die Experimente beginnen. 

Zwei Stare sitzen auf einem Starenkasten.
Zwei Stare sitzen auf einem Starenkasten. Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Die Starling Experimente Die Mission soll sechs Monate andauern. Während dieser Zeit sollen vier Experimente zur Technologiedemonstration durchgeführt werden. Zum einen soll der Kommunikationsausfall mit einem der Satelliten getestet werden. Die Frage dahinter: Kann das dynamische Kommunikationsnetz wirklich aufgebaut und aufrechterhalten werden? Dieses Experiment heißt Manet (Mobile Ad-hoc Network; eng. Mobiles Ad-hoc Netzwerk).

Dann sollen die Satelliten mit dem StarFox-Experiment (Starling Formation-Flying Optical Experiment; engl. Optisches Experiment zum Formationsflug von Staren) verschiedene Formationen einnehmen, um mögliche Kollisionen zu vermeiden. Mit dem Romeo-Experiment (Reconfiguration and Orbit Maintenance Experiments Onboar; engl. Experimente zur Rekonfiguration und Wartung der Umlaufbahn an Bord) soll getestet werden, ob die Sterling-Satelliten ihr Ziel durch Autonomes Manövrieren erreichen können.

Das Experiment zur Messung der Ionosphärendichte (Distributed Spacecraft Autonomy; engl. Verteilte Autonomie der Raumfahrzeugen) wird das letzte von vier Untersuchungen sein. Mit ihm sollen interessante Orte autonom ausgewählt werden.

Cubesats sollen selbst organisiert miteinander ein Kommunikationsnetzwerk aufbauen

Die kleinen Satelliten sollen dann ihre Flugbahnen autonom aufeinander abstimmen und dabei die relativen Positionen und Flugbahnen der anderen Cubesats verfolgen. Zudem sollen sie Aktivitäten als Gruppe planen und ausführen – und das ohne die Anleitung von Fluglotsen aus der Bodenstation.  Außerdem soll der Aufbau und Erhalt eines Kommunikationsnetzes zwischen den Raumfahrzeugen getestet werden.

Fällt ein Kommunikationsknotenpunkt eines Raumfahrzeugs aus, soll sich das Netzwerk automatisch neu konfigurieren, um die volle Kommunikationsfähigkeit für die verbleibenden operativen Raumfahrzeuge im Schwarm aufrechtzuerhalten. Die autonome Steuerung soll die Mission auch dann weitergehen lassen, wenn die Kommunikation zwischen Satelliten und Bodenstation vorübergehend unterbrochen ist oder einer der Cubesats verloren geht. 

Können CubeSats über den erdnahen Orbit hinaus eingesetzt werden?

Im nahen Erdorbit gibt es bereits einige Satellitenschwärme, die beispielsweise nach Waldbränden Ausschau halten – wie das deutsche Unternehmen Ororatech – oder die Erde mit Internet aus dem Weltraum versorgen, wie Starlink von SpaceX. Diese auch Konstellationen oder Mega-Konstellationen genannten Schwärme bestehen oftmals aus Cubesats, weil sie klein, kompakt und kostengünstig sind. Allerdings sind die technischen Fähigkeiten der Geräte oft beschränkt.

Bei Missionen, bei denen Cubesats weiter entfernt von der Erde operieren sollten, hat das bereits zu Problemen geführt. Mit der Mondmission Artemis I wurden etwa zehn Kleinsatelliten entsandt, von denen einige ausfielen. Manche Missionen scheiterten vollständig, ohne wissenschaftliche Daten sammeln zu können.

KI gesteuerte Schwarm-Raumsonden können die Forschung revolutionieren

Aus finanzieller Sicht wäre der Einsatz von Cubesats im Tiefraum, also dem Weltraum jenseits den Umlaufbahnen um die Erde, aber sehr attraktiv. "Anstelle eines monolithischen Raumfahrzeugs, von dessen ordnungsgemäßem Betrieb man abhängig ist, kann man mehrere kleinere Raumfahrzeuge einsetzen, die kostengünstiger sind", erklärt Howard Cannon.

Cannon ist der Starling-Projektleiter am Nasa-Forschungszentrum Ames (Ames Research Center; ARC). Berühmt ist das Zentrum für seine Pioneer-Raumsonden, die zwischen 1958 und 1978 zur Erforschung des Mondes, der Sonne, des Jupiters, des Saturns und der Venus gestartet wurden. Wenn Starling ein Erfolg ist, "haben Schwärme das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Wissenschaft betreiben, zu revolutionieren".

Die Nasa-Wissenschaftler beim Zusammenbau des Starling-Cubesats, einem kleinen Satelliten
Die Nasa-Wissenschaftler beim Zusammenbau des Starling-Cubesats, einem kleinen Satelliten Bildrechte: NASA/Dominic Hart

Intelligente Satelliten schon im Einsatz - bisher aber nur im Erdorbit

Ganz neu sind autonome Steuerungssysteme von Satelliten nicht. Bereits die einzelnen Starlinks sind mit autonomen Navigations- und Kollisionsvermeidungsfunktionen ausgestattet. Dadurch können sie ohne menschliche Kontrolle im Weltraum manövrieren. Der verbaute Prozessor ist mit KI-Algorithmen und maschinellen Lernfähigkeiten ausgestattet. Die Satelliten können daher von Ereignissen in ihrer Umgebung lernen und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Zudem kommunizieren die Satelliten untereinander und mit jedem Start wächst Starlink zum größten je gebauten Satelliten-Schwarm an. 

Jedoch bewegen sie sich im nahen Erdorbit in einer Höhe von 550 Kilometer über der Erdoberfläche – ungefähr auf der Höhe des Weltraumteleskops Hubble. Wie sie im tiefen Weltraum agieren würden, ist unbekannt.

Starling: KI soll Verbindung mit GPS und Atmosphärenmessungen koordinieren

Auch beim Nasa-Projekt Starling wird künstliche Intelligenz eingesetzt. So sollen die Satelliten etwa ständig die Dichte der Ionosphäre in ihrer Nähe überwachen. Die Ionosphäre befindet sich zwischen unserer Atmosphäre und dem Beginn des Weltraums.

Für diese Aufgabe müssen die Starling-Raumfahrzeuge selbstständig die besten GPS-Signale für alle Starling-Sonden auswählen und dabei Regionen mit höherer oder niedrigerer Ionosphärendichte genau erfassen.

Start in der Nacht zum Samstag in Neuseeland

Die Mission soll in der Nacht von Fraitag auf Samstag gegen 01:30 Uhr (MESZ) von Neuseeland aus in den Weltraum aufbrechen. Gestartet wird mit einem Electron-Michrolauncher (Michrolauncher sind kleinere Raketen, die in diesem Fall 17 Meter lang ist) des privaten Raumfahrtunternehmens Rocket Lab.

Die kommerzielle Raumfahrtfirma gibt seinen Raketenstarts immer ausdrucksstarke Missionsname, so auch bei diesem: Baby Come Back (engl. Baby komm zurück). Als Launch-Startort wurde der Raketenstartplatz LC-1B an der neuseeländischen Küste bei Māhia Peninsula gewählt. 

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