Der Saturn aufgenommen von der Raumsonde Cassini am 2. Januar 2010.
Der Saturn aufgenommen von der Raumsonde Cassini am 2. Januar 2010. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Astronomie in unserem Sonnensystem König der Monde: Saturn hat 145 Begleiter – und seine Ringe könnten (bald) verschwinden

17. Mai 2023, 10:09 Uhr

Unser Ringplanet Saturn verblüfft im Mai 2023 gleich mit zwei Entdeckungen von zwei verschiedenen Forschungsteams. Zum einen konnte sich Saturn die Krone für die meisten Monde im Sonnensystem zurückholen. Zum anderen sind seine Ringe vermutlich viel jünger als bisher angenommen und sie könnten nur ein vorübergehendes Phänomen sein.

Der Saturn hat die Nasenspitze wieder vorn im Wettrennen um die meisten Monde in unserem Sonnensystem. In den letzten Jahren haben sich nämlich Saturn und Jupiter ein regelrechtes Kopf-an-Kopf-Rennen um die Mond-Krone geliefert – eigentlich nicht nur im Sonnensystem, sondern sogar im gesamten bekannten Universum. Denn bisher haben wir noch keinen Exoplaneten mit mehr Monden als unseren Gasriesen entdeckt. Was natürlich nicht heißen mag, dass die Krone doch irgendwann an einen anderen (Exo-)Planeten geht. 

Das Rennen um die Krone der meisten Monde im Universum

Besonders in den letzten Jahren war das Wettrennen um die Monde recht spannend. Erst im Sommer 2018 haben Forschende zwölf neue Jupitermonde entdeckt. Damit war der Gasriese mit insgesamt 79 bekannten Monden an die Spitze geklettert. Ein Jahr darauf hatten Forschende 20 neue Monde beim Saturn entdeckt. Nun hatte der Ringplanet mit 83 Monden wieder die Nase vorne. Und wie sollte es anders sein: Anfang 2023 wurden weitere Jupitermonde entdeckt und der größte Planet unseres Sonnensystems hatte damit 92 bestätigte Monde

Jetzt hat eine internationale Forschungsgruppe insgesamt 63 neue Monde am Saturn bestätigt – einer von ihnen (S/2019 S1) wurde bereits im Jahr 2021 offiziell vorgestellt. Die 62 weiteren Saturnmonde sind im Mai 2023 bestätigt wurden. Damit hat Saturn insgesamt 145 Monde.

Auf den ersten Blick scheint es unwahrscheinlich, dass bald ähnlich viele neue Monde beim Jupiter entdeckt werden.

Anzahl der Monde von Planeten
(in unserem Sonnensystem)

  1. Saturn: 145 Monde
  2. Jupiter: 92 Monde
  3. Uranus: 27 Monde
  4. Neptun: 14 Monde
  5. Mars: 2 Monde
  6. Erde: 1 Mond
  7. Venus & Merkur: keine Monde

Jedoch vermutet die Fachwelt, dass der Gasriese mehr als 600 irreguläre Monde von mindestens 800 Metern Durchmesser besitzen kann. Das Wettrennen ist damit noch nicht beendet. Doch was sind irreguläre Monde? Und gibt es dann auch reguläre Monde?

Mond ist nicht gleich Mond: Irreguläre und reguläre Monde

In der Astronomie werden Monde in zwei Kategorien eingeteilt, in die der regulären und der irregulären Monde. Die regulären Monde umkreisen ihren Wirtsplaneten in engen und nahezu kreisförmigen Umlaufbahnen. Zudem bewegen sie sich prograd um den Planeten – sie umkreisen ihn also in derselben Richtung, die er für eine Umrundung seines Sterns verwendet. Ihre Neigung ist dabei um nur wenige Grad geneigt. Zumindest ist dies das grundlegende Verständnis eines regulären Mondes. 

Irreguläre, auch unregelmäßige Monde genannt, zeichnen sich dagegen durch ihre großen, elliptischen und geneigten Bahnen aus. Sie befinden sich meist auch weiter von ihrem Wirtsplaneten entfernt. Das führt dazu, dass beispielsweise unsere Sonne einen größeren Einfluss auf ihre Rotationsachse ausübt, als es der Wirtsplanet tut. Solche irregulären Monde wurden bereits bei all unseren Gasplaneten entdeckt. 

Grafik zu den Monden von Saturn
In dieser Grafik ist die Umlaufbahn von vier neu entdeckten Monden des Saturns (schwarzer Punkt in der Mitte) dargestellt. Die farbigen Punkte markieren die Sichtungen der einzelnen Monde. Bildrechte: Q/R: Edward Ashton (Taiwan's Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics), Brett Gladman (Department of Physics & Astronomy at the University of British Columbia), Mike Alexandersen (Harvard Smithsonian Center for Astrophysics), Jean-Marc Petit (Observatoire de Besancon), Matthew Beaudoin (University of British Columbia)

Bei den 145 Mondes des Saturns gehören lediglich 24 zu den regulären und damit 121 zu den irregulären Monden. "Die neuen Entdeckungen bedeuten, dass der Saturn nicht nur seine Krone als Planet mit den meisten bekannten Monden zurückerobert hat, sondern auch der erste Planet mit über 100 entdeckten Monden ist", heißt es in der Pressemitteilung der University of British Colombia (Kanada). 

Intuis, Gallier und Nordmänner umkreisen den Saturn

Die irregulären Monde neigen dazu, sich aufgrund ihrer Umlaufbahnen zu Gruppen zusammenzuschließen, erklären die Forschenden. Beim Saturn sind es drei Kategorien: die der Inuit-Gruppe, die gallische Gruppe und die viel bevölkerungsreichere nordische Gruppe.

Drei der neuentdeckten Monde fallen laut dem Forschungsteam in die Kategorie der Inuit-Gruppe: "S/2019 S1, S/2020 S1 und S/2005 S4 haben sehr kleine Bahnen, die ähnlich geneigt sind wie die der bereits bekannten größeren irregulären [Monde] Kiviuq und Ijiraq." Bisher gehörten noch die Monde Paaliaq, Siarnaq und Tarqeq zu dieser Gruppe. Die Monde der Inuit-Gruppe umkreisen den Saturn in einem Abstand von 11,1 bis 17,9 Millionen Kilometern. Ihre Bahn ist um 45,1° bis 49,9° Grad geneigt. 

Die bisherigen vier Monde der gallischen Gruppe (Albiorix, Bebhionn, Erriapus und Tarvos) umkreisen ihren Wirtsplaneten in einem Abstand von 16,2 bis 18,0 Millionen Kilometern. Ihre Bahn ist zwischen 33,8° und 35,0° Grad geneigt. 

Die meisten entdeckten Monde – auch die neuen – gehören aber zur nordischen Gruppe, deren Bahnneigung zwischen 145,2° und 177,5° Grad liegt. Bisher haben sich die nordischen Monde in einem Abstand von 12,9 und 25,1 Millionen Kilometer um den Ringplaneten bewegt. 

"Je weiter man an die Grenzen moderner Teleskope vordringt, desto mehr Hinweise finden wir, dass ein mittelgroßer Mond, der den Saturn rückwärts umkreist, vor etwa 100 Millionen Jahren auseinandergesprengt wurde", sagt Brett Gladman vom Institut für Physik und Astronom an der kanadischen Universität von British Columbia. Die große Anzahl der kleinen Monde bewegt sich deswegen wohl auf rückläufigen Umlaufbahnen. Der Ursprung all der kleinen Monde scheint daher von einem einzigen (mittlerweile zerstörten) unregelmäßigen Mond zu stammen.

Überlappende Bilder gaben die Antwort

Auch das Verfahren Shift and Stack (engl. verschieben und stapeln) zur Bestimmung der Monde ist interessant. Die entdeckten Monde sind nämlich sehr klein und auf einzelnen Aufnahmen kaum oder gar nicht zu erkennen. Wenn die Einzelbilder jedoch übereinandergelegt werden, verstärkt sich das Mondsignal. Die Methode wurde bereits bei der Suche nach Monden in der Umgebung von Neptun und Uranus erfolgreich eingesetzt.

"Die bloße Entdeckung eines Objekts in der Nähe von Saturn am Himmel reicht jedoch nicht aus, um mit Sicherheit sagen zu können, dass es sich um einen Mond handelt", erklären die Autoren Edward Ashton und Matthew Beaudoin. Theoretisch – wenn auch unwahrscheinlich – könnte es sich auch einfach um einen gerade vorbeifliegenden Asteroiden handeln. "Um absolut sicher zu sein, muss das Objekt mehrere Jahre lang verfolgt werden, bevor man feststellen kann, dass es den Planeten tatsächlich umkreist." Und genau das hat die Forschungsgruppe gemacht.  

Frühjahrsputz: Viel zu junger Staub

Eine andere Forschungsgruppe hat sich dagegen mit den Ringen des Saturns beschäftigt. Sie kam zu dem Schluss, dass diese viel jünger sind, als bisher angenommen wurde. Bisherige Theorien gehen davon aus, dass die Ringe gemeinsam mit dem Planeten vor rund 4,5 Milliarden Jahren entstanden sind. Das Alter der Saturnringe legen die Forschenden auf höchstens 100 bis 400 Millionen Jahre fest.

Dafür haben sie sich Staubkörner angeschaut, die von der Raumsonde Cassini zwischen 2004 und 2017 in der näheren Umgebung des Saturns eingesammelt wurden. Es waren zwar nur 168 Körner, doch mit diesen konnte das Jahrhunderte alte Geheimnis um das Alter der Saturnringe gelüftet werden. 

Heute wissen die Wissenschaftler, dass der Saturn sieben Ringe besitzt, die aus unzähligen Eisbrocken bestehen. Die meisten von denen sind nicht größer als ein Felsbrocken auf der Erde und erstrecken sich bis zu einer Entfernung von ungefähr 280.000 Kilometern von der Planetenoberfläche weg. Insgesamt ist das gesamte Eis in dieser Gegend etwa halb so schwer wie der Saturnmond Mimas. 

Stellen Sie sich die Ringe wie den Teppich in Ihrem Haus vor. Wenn Sie einen sauberen Teppich auslegen, müssen Sie nur warten. Der Staub wird sich auf dem Teppich absetzen. Das Gleiche gilt für die Ringe.

Sascha Kempf, University of Colorado Boulder, Erstautor der Saturnring-Studie

Jedoch können diese Ringe nicht mit Saturn zusammen entstanden sein. Dafür sind die Saturnringe nämlich viel zu sauber, erklärt Sascha Kempf. Er ist Physiker an der Universität von Colorado in Boulder.

Detailaufnahme eines zentralen Bereichs im Saturn-Ring B, die zahlreiche regelmäßige und unterschiedlich dicke Linien zeigt.
Detailaufnahme eines zentralen Bereichs im Saturn-Ring B, die zahlreiche regelmäßige und unterschiedlich dicke Linien zeigt. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Ringe zu 98 Prozent aus reinem Wassereis bestehen. Sie enthalten nur winzige Mengen an Gestein. "Es ist fast unmöglich, etwas so Sauberes zu finden", erklärt Kempf. 

Wir können uns glücklich schätzen, die Saturnringe überhaupt zu sehen

Das Team schätzte, dass dieser interplanetare Schmutz jedes Jahr weit weniger als ein Gramm Staub auf jeden Quadratmeter der Saturnringe bringt – eine leichte Prise, aber genug, um sich mit der Zeit zu summieren. 

Hobby-Astronominnen und Astronomen wissen, dass sie nicht viel brauchen, um die Ringe des Saturns zu sehen. Ein gutes Fernglas oder ein einfaches Teleskop reichen manchmal bereits aus. "Die Leute staunen immer, wenn sie zu uns in die Sternwarten kommen, sie durch ein Fernrohr zum Saturn schauen und sie dann seine Ringe erkennen", erklärt Dirk Schlesier vom neu eröffneten Planetarium in Halle gegenüber MDR WISSEN. "Sie denken dann, man hätte ihnen ein Dia vorgehalten, weil das so plastisch aussieht – auch schon mit einem kleinen Fernrohr." 

Eine Weltraum-Kollage mit Dirk Schlesier, dem Leiter des Planetariums in Halle (Saale), im Vordergrund. 14 min
Eine Weltraum-Kollage mit Dirk Schlesier, dem Leiter des Planetariums in Halle (Saale), im Vordergrund. Bildrechte: MDR, Planetarium Halle/Dirk Schlesier, Nasa, SpaceX

Der Planetariumsleiter empfiehlt übrigens, den Saturn besonders in den Monaten August und September 2023 zu beobachten. In unserer astronomischen Jahresvorschau verrät Schlesier noch ein paar weitere Tipps für dieses Jahr. 

Dass wir die Saturnringe überhaupt sehen, grenzt laut Kempf vielleicht an ein Wunder. In einer früheren Studie berichteten Nasa-Wissenschaftler, dass das Eis langsam auf den Planeten herabregnet und in weiteren 100 Millionen Jahren ganz verschwinden könnte.

Dass diese flüchtigen Merkmale zu einer Zeit existierten, als Galileo Galilei und die Raumsonde Cassini sie beobachten konnten, scheint fast zu schön, um wahr zu sein, so Kempf. Vielleicht lösen sich die Ringe gerade nach und nach auf. Wie sie entstanden sind, das bleibt vorerst ein weiteres Rätsel der Wissenschaft. 

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