Die Konzert- und Gastspieldirektion der DDRVom Staat genehmigt: Musik für den Sozialismus
Sie allein entschied, wer vor Tausenden Gästen im Palast der Republik oder nur auf einem Dorffest im hintersten Winkel der DDR spielen durfte: die Konzert- und Gastspieldirektion der DDR. Und die Künstleragentur entschied, welcher DDR-Künstler ins Ausland reiste und welche West-Stars in der DDR auftreten durften. Vom Dorffest bis zum Auftritt im Palast der Republik. Die KGD und die Künstleragentur hatten das Staatsmonopol über den Einsatz der Künstlerinnen und Künstler in der DDR.
Die Konzert- und Gastspieldirektion (KGD) mit ihren Vertretungen in jedem Bezirk hat sich bis zu 99 Prozent um nichtöffentliche Veranstaltungen gekümmert. Nur etwa ein Prozent waren öffentliche Events, also echte Konzerte mit Kartenverkauf. Aufgrund der vielen Ehrentage in der DDR gab es aber immer etwas zu feiern. Sei es Feiertage für verschiedene Berufsgruppen, für die NVA, der 1. Mai, Betriebsfeste, Geburtstage kommunistischer Helden, Jahrestage. "Ständig hat irgendjemand irgendwas gefeiert", erzählt Peter Chalupsky, ab 1982 Chef der Leipziger Konzert- und Gastspieldirektion.
20 Millionen DDR-Mark, aber kein eigenes Konto
Eine Betriebsfeier hier, ein Dorffest dort - und alles lief über die KGD. "Wenn man ein ehrlicher Mensch war, ging das in der DDR nur mit der KGD. Sie hatte das staatliche Vermittlungsmonopol und wickelte grundsätzlich alle Verträge, Aufträge und Auftritte ab", so Chalupsky weiter. Wirtschaftlich gesehen waren die KGDs bei den Räten der Bezirke angesiedelt und hatten nicht einmal ein eigenes Konto. Die Vermittlungsprovisionen von Künstlern gingen direkt zur Abteilung Kultur beim Rat des Bezirkes. Gängig waren fünf bis 20 Prozent Provision von der Honorarsumme, was sich im Laufe eines Jahres summierte. So hatte die KGD Leipzig 1989 insgesamt 20 Millionen DDR-Mark erwirtschaftet.
Wir wollen nicht zum zehnten Mal den selben Jongleur, wir wollen auf der Bühne unseres Kombinates die erste Reihe der DDR Unterhaltungskünstler. Weil wir als Betrieb auch die erste Reihe von Produkten herstellen.
Beschwerde eines DDR-Betriebs an den KGD
Die bunten Tourneeprogramme, die das Geld einbrachten, gaben vielen unbekannten Künstlern die Chance, Aufträge zu bekommen. Bis 1960 kümmerte sich die KGD um die Auslandsaufträge und Auftritte von DDR-Künstlern. Diese Aufgabe übernahm dann die neu gegründete "Künstleragentur der DDR" mit Sitz in Berlin. Auch tageweise wurden Künstler vermietet. In Leipzig war dieses Geschäft aufgrund der Messe recht umfangreich und etablierte sich im Laufe der Jahre mit Programmen wie der "Goldene Löwe" mit Fips Fleischer. Eine Spezialität waren die Nachtbars der Stadt. Ganzjährig wurde hier ein kleines Varietéprogramm mit wechselnden Nummern geboten, häufig auch mit osteuropäischen Bands bestückt, vor allem aus Polen und Ungarn.
Musiker in der DDR: Pro Auftritt 120 Mark
Es gab damals eine zentrale Honorarordnung, welche die Verdienstmöglichkeiten der Künstler festlegte. Ein Anfänger-Artist bekam pro Auftritt schon mal 120 Mark. Wenn es ein gutes Veranstaltungswochenende war, konnte er auf fünf bis sechs Auftritte kommen. In der Summe des Monats lag dann sein Nebenverdienst weit über dem DDR-Durchschnittseinkommen. Moderatoren wurden wesentlich höher honoriert. Sie konnten 380 Mark pro Auftritt bekommen, mussten aber immer bis zum Ende des Programms bleiben. Schnell kam man so auf über eintausend Mark an einem Wochenende.
Teilweise verdienten die Unterhaltungskünstler nebenberuflich mehr als ein DDR-Minister.
Peter Chalupsky | Chef der Leipziger Konzert- und Gastspieldirektion ab 1982
Viele der freischaffenden Künstler gingen normal arbeiten und hatten mit der KGD einen Zweitvertrag für die Wochenenden. So gab es Vorfälle, dass der Einsatz im Betrieb arg zu Wünschen übrig ließ, weil man am Wochenende fit sein wollte.
Wie Sängerin Nana Mouskouri fast einen Auftritt platzen ließ
Quasi alle bekannten Ost-Stars sind einmal in Leipzig aufgetreten. Aber auch viele bekannte Künstlerinnen und Künstler aus Westdeutschland waren in der Messestadt. Vom Wohlwollen der buchenden Künstleragentur in Berlin war abhängig, wen man in der so genannten Provinz empfangen durfte. So kamen Roy Black, Rex Gildo, Adamo, Chris Roberts, Heidi Brühl, Lena Valeites, Mary Roos, Joy Flemming, Juliane Werding, Nana Mouskouri, Marianne Rosenberg oder Louis Armstrong.
Naturalien für Lieder in der DDR
Kein West-Künstler hat für einen Auftritt in der DDR seine Gage nur in DM erhalten. Es wurde individuell der Anteil von Valuta und DDR-Mark ausgehandelt und ist in fast allen Fällen bis heute geheim. Meist wollten die Westkünstler aber kein DDR-Geld sondern besondere Warenwerte als Gegenleistung. So war es zum Beispiel der Wunsch der griechischen Schlagersängerin Nana Mouskouri einen Blüthner-Flügel zu bekommen. Der konnte sogar besorgt werden. Allerdings war es ein gebrauchter, den sie dankend ablehnte und deshalb fast den Auftritt platzen ließ.
Konzerte in der DDR: Fans gegen Funktionäre
In den 1980ern war auch Hermann van Veen mehrmals in Leipzig. Der niederländische Liedermacher hatte hier ein großes Fanpublikum. Für ein Konzert gab es insgesamt 1600 Karten. Aber in den öffentlichen Verkauf kamen damals nur 600 Tickets, weil Funktionäre von SED- und FDJ-Bezirksleitung, vom Rat des Bezirkes und vom Rat der Stadt maßlos abgezweigt hatten. Unter denen, die sich die ganze Nacht nach Karten angestellt hatten, brach ein Tumult aus, als bekannt wurde, dass es nur wenige Karten im Freiverkauf gab. Die Fans erkämpften dann eine Liveübertragung in einen Nebenraum der Konzerthalle. Aber trotzdem waren vor Konzertbeginn mehr als 100 Leute im Saal, die keine Karten hatten. Der Feuerwehrchef von Leipzig verkündete damals, dass es kein Van Veen Konzert gibt, solange die hundert Leute nicht den Saal verlassen. Allerdings war auch der Polizeichef der Stadt anwesend, privat. Und dieser verfügte schließlich von seinem Sitz-Platz aus: wenn man so einen hochkarätigen Künstler schon mal da hat, wird die Veranstaltung auch beginnen.
Musiker Peter Maffay: Darf er oder darf er nicht spielen?
1987 ändert sich in Berlin der Tenor der Kulturpolitik. Allerdings gilt die langsame Öffnung für Westkünstler nicht für die Provinz. "Das nicht stattgefundene Konzert von Peter Maffay in Leipzig ist die unangenehmste Geschichte meiner Amtszeit", resümiert Peter Chalupsky die damalige Farce der Konzertvereitelung. 1987 gab es ein Auftrittspaket von Maffay mit Rostock und Leipzig. Es gab einen Vertrag, den Chalupsky ausnahmsweise selbst angeleiert hatte. Maffay hatte sich vor Ort bereits alles angeschaut und war von Leipzig begeistert. Aber plötzlich sickerte durch: kein Maffay in Leipzig - Leipzig ist zu renitent - Leipzig ist als Veranstaltungsort nicht gewollt. Die offizielle Begründung hieß dann: "Es findet eine FDJ-Konferenz zum Termin in der Stadt statt und man hätte nicht genügend Ordnungskräfte, um beide Veranstaltungen abzusichern."
Zentrale Gesangsorganisation scheitert
Ab 1987 kam die zentralistisch organisierte Struktur zwischen Künstleragentur, Konzert- und Gastspieldirektion und den Künstlern ins Rutschen. "Der Beginn dieser schlechten Entwicklung war die 750-Jahr-Feier von Berlin 1987. Dort herrschte juristisch gesehen absolutes Chaos. Alles, was halbwegs laufen und singen konnte, war dort im Einsatz", erzählt Chalupsky. Er habe sich damals gefühlt wie das Orchester auf der Titanic. "Überall, wo wir hin kamen, herrschte noch für den Moment gute Laune, auch wenn der Verfall und Untergang schon sichtbar und fühlbar war."
(Der Text wurde im August 2019 erstmals veröffentlicht.)
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise - Singen für den Sozialismus! | 31. Juli 2022 | 22:00 Uhr