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SehenswertOrte der Geschichte: Diese drei Friedhöfe in Görlitz sind einen Besuch wert

24. November 2023, 17:37 Uhr

Görlitz bietet mehr als Görliwood und seine Kulissen für große Hollywood-Produktionen. In der Stadt an der Neiße gibt es auch drei alte Friedhöfe, die nicht nur Historiker begeistern: Der Nikolaifriedhof, der städtische Friedhof und der jüdische Friedhof lassen auch die Herzen von Naturfreunden höher schlagen. Görlitz' Friedhöfe sind nicht nur Ruhestätten, sondern Orte mit großer geschichtlicher Bedeutung und Stätten stiller Einkehr.

von Jessica Ramczik, MDR KULTUR

Nikolaifriedhof: Renaissance, Barock und Natur

Der Nikolaifriedhof ist ein Ort für Naturfreunde und Kunsthistoriker. Im 12. Jahrhundert wurde er eingeweiht und ist damit der älteste Friedhof der Neiße-Stadt. Direkt hinter der Nikolaikirche betritt man den Friedhof in Hanglage. 1633 wurde der Friedhof erweitert, um der Masse an Toten der Pestepidemie Herr zu werden. Mit der Eröffnung des städtischen Friedhofes fanden Begräbnisse hier nur noch in Ausnahmefällen statt.

Die von Bäumen gesäumten Wege, Grabfelder und weitläufigen Wiesen machen unweigerlich klar: Dieser Platz gehört der Natur. Eine Vielzahl von Wildbienen, Singvögeln, aber auch Eichhörnchen findet hier ihr Zuhause. Doch nicht nur das: Ein regelrechter Schatz von über 600 Grabmälern und Grabstätten aus der Renaissance und dem Barock schmückt den Friedhof.

Besondes stechen die 16 majestätischen Gruftkapellen bedeutender Görlitzer Familien heraus, die zwischen dem frühen 17. und der Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut wurden. Jedes Grabmal ist stilistisch einmalig und geprägt durch die unterschiedlichen Einflüsse des Barocks, des Rokokos und des Klassizismus. Etwas "neuere" Grabmale lassen sich der Romantik und dem Historismus zuordnen. Bemerkenswert: Deren umfangreiche Inschriften und Betrachtung des Lebens nach dem Tod.

Die Atmosphäre des Bergfriedhofs lässt sich zu Recht als mystisch beschreiben. Inmitten wildromantischer Vegetation finden sich hier die Gräber bedeutender Görlitzer Bürger, darunter das des wohl bedeutendsten Sohnes der Stadt, des Theosophen Jacob Böhme (1575–1624).

Weitere Informationen (zum Ausklappen)

Nikolaifriedhof
Bogstraße
02826 Görlitz

Öffnungszeiten
April - Oktober: 6:30 - 21 Uhr
November - März: 6:30 - 18 Uhr
Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag: 6:30 - 20 Uhr

Führungen
Termine:
7. und 21. Oktober 2023
Beginn jeweils um 16 Uhr

Städtischer Friedhof: Ruhestätte großer Persönlichkeiten

Ganz in der Nähe des Nikolaifriedhofes befindet sich der städtische Friedhof von Görlitz. Im Jahr 1847 wurde er als "Neuer Nicolai-Friedhof" unmittelbar an der Mitternachtsseite des jetzigen Nicolai-Kirchhofs errichtet und besteht bis heute. Mit einer Größe von 28 Hektar ist er der größte Friedhof der Stadt. Die Geschichte des Friedhofes ist bewegend: Nach mehreren Erweiterungen zwischen 1858 und 1945 sowie einer Teilentwidmung im Jahr 1983 besteht er heute mit einer großen Anzahl historischer Grabstätten fort. Auch hier fanden bedeutende Personen der Stadtgeschichte ihre letzte Ruhestätte.

Zu den wichtigsten Grabstätten gehören die des Oberbürgermeisters Gottlob Demiani, dessen Grab das erste auf dem Friedhof war. Es existiert noch heute an der historischen Friedhofsmauer. Neben den Gräbern bekannter Personen aus Wirtschaft, Kunst und Kultur befindet sich hier auch die Grabstätte von Minna Herzlieb, einer Muse Goethes. Der große Dichter widmete ihr Sonette und machte sie als Ottilie in den "Wahlverwandtschaften" unsterblich.

Zentrale Punkte des Friedhofes sind die Feierhalle aus dem Jahr 1847 sowie das Krematorium. Letzteres wurde 1913 als erste Feuerbestattungsanlage im Jugendstil der Provinz Schlesien eingeweiht. Im Jahr 2003 wurde das Krematorium durch einen modernen Anbau erweitert.

Der Friedhof beherbergt außerdem eine Reihe von Kriegsgräbern, darunter Gräber griechischer Soldaten, die allerdings nicht Opfer des Krieges, sondern der spanischen Grippe waren. Weitere Denkmäler erinnern an die deutschen-deutschen und deutsch-französischen Kriege sowie den Ersten Weltkrieg. Ein Mahnmal erinnert an den Kapp-Putsch von 1920. Zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges wurde ein Denkmal für die deutschen Gefallenen errichtet, das von Hinterbliebenen finanziert wurde.

Weitere Informationen (zum Ausklappen)

Städtischer Friedhof
Schanze 11b
02826 Görlitz

Öffnungszeiten
November - März: 6:30 - 18 Uhr
April - Oktober: 6:30 - 21 Uhr

Jüdischer Friedhof: Ort trauriger Geschichte

Die erste Eintragung in das Sterbebuch der Stadt Görlitz stammt aus dem Jahr 1848 und wurde mit Bleistift geschrieben. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine jüdische Gemeinde. Erst 1850 gründete sich offiziell eine Synagogengemeinde, welche auch in ihrem Namen Begräbnisse durchführte. Die Geschichte des jüdischen Friedhofs Görlitz ist nicht nur eine Geschichte des Abschieds von verstorbenen Angehörigen, sondern auch eine Geschichte von Flucht und Vertreibung.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde 1934 eine Einebnung des Friedhofes erwogen, jedoch scheiterte diese am geltenden preußischen Gesetz. Zwischen 1933 und 1945 wurden sämtliche Metallteile von den Gräbern entfernt. 1948 schließlich lebten noch fünf jüdische Bürger in der Stadt, daher war die Bildung einer jüdischen Gemeinde nicht mehr möglich. Seither wird der Friedhof von der jüdischen Gemeinde Dresden verwaltet.

Lange Zeit war der jüdische Friedhof von Görlitz verwildert. Das "Project Mitzvah" verhalf ihm im Sommer 2023 zu neuem Glanz. Bildrechte: IMAGO / Imagebroker

Der jüdische Friedhof ist ein trauriger und dennoch sehr friedvoller Ort. Gras wuchert zwischen den weit über 100 Jahre alten verwitterten Grabsteinen. Manche Grabsteine neigen sich gen Boden oder sind umgestürzt. Das Besondere am jüdischen Friedhof von Görlitz: Seine imposanten Grabmale, die fast an Gruftgebäude erinnern und ihn deutlich von anderen jüdischen Friedhöfen in Sachsen unterscheiden. Aus der Gründungszeit des Friedhofes sind keine Grabsteine mehr erhalten. Dafür ist die Umgestaltung aus den 1860er-Jahren zu einem großzügig angelegten Parkfriedhof gut erkennbar.

Lange Zeit verfiel der jüdische Friedhof. Die Initiative "Project Mizvah" der Wahl-Görlitzerin Lauren Leiderman führte dazu, dass der geschichtsträchtige Ort nicht weiter verfällt, sondern seine Würde zurückerhält: Grabsteine wurden freigelegt und gereinigt, der Friedhof von Unkraut befreit. Wer sich selbst ein Bild vom neuen Glanz des Friedhofs machen will, kann dies in aller Ruhe tun. Da sich kaum Touristen und Besucher hierher verirren, ist man bei einem Besuch oft allein. Prädikat: Sehenswert.

Weitere Informationen (zum Ausklappen)

Jüdischer Friedhof
Biesnitzer Straße
02826 Görlitz

Öffnungszeiten
Sonntag - Donnerstag: 7 - 18 Uhr
Freitag: 7 - 14 Uhr
Samstag sowie an jüdischen Feiertagen

Jüdische Feiertage 2023 - Friedhofsöffnungen
(Alle Feiertage beginnen mit Sonnenuntergang des Vorabends)

  • Rosch HaSchana 5784 16./17. September 2023: Friedhof geschlossen
  • Jom Kippur 25. September 2023: Friedhof geschlossen
  • Sukkot 30. September - 6. Oktober 2023: Friedhof geschlossen am 30.9., 1.10., 5.10.
  • Hoschanna Rabba 6. Oktober 2023: Friedhof geschlossen
  • Schemini Azeret 7. Oktober 2023: Friedhof geschlossen
  • Simchat Thora 8. Oktober 2023: Friedhof geschlossen
  • Chanukka 8. - 15. Dezember 2023: Friedhof offen
  • Tu Bischwat 6. Februar 2024: Friedhof offen
  • Purim 7. März 2024: Friedhof geschlossen
  • Pessach 6. - 13. April 2024: am 6./7. April und 12./13. April Friedhof geschlossen
  • Jom HaSchoa 5. Mai 2024: Friedhof offen
  • Jom HaAzmaut 14. Mai 2024: Friedhof offen
  • Schawuot 12./14. Juni 2024: Friedhof geschlossen
  • Tisch BeAw 12. August 2024: Friedhof offen

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 19. Juni 2023 | 17:48 Uhr