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NÄCHSTE GENERATIONAnimationsfilme über Menstruation: Wenn man sich wie ein Alien fühlt

10. Juni 2021, 04:00 Uhr

Die Dresdner Animationskünstlerin Alma Weber findet, es wird Zeit, dass wir offener über die Periode sprechen – und produziert deshalb witzige Clips, in denen "Aliens" zu Wort kommen und über ihre Tage reden.

von Sabrina Gebauer, MDR KULTUR

Alles darüber im Video erfahren:

Über das Format NÄCHSTE GENERATION:

In unserem Format MDR KULTUR – NÄCHSTE GENERATION stellen wir junge Künstlerinnen und Künstler vor, die unsere Gesellschaft kritisch in den Blick nehmen, Debatten anregen und gleichzeitig Ideen für die Zukunft entwerfen wollen. Jeden zweiten Montag, stellen wir diese Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor – die Themen reichen von der Frage, ob es okay ist, das Elternsein zu bereuen, ob die 40-Stunden-Woche noch angemessen ist, bishin zu Klimaschutzfragen oder Patriotismuskritik.

Ein grüner haariger Körper, ein großes lila Auge, und pinke Stiefel. So sieht eins der Aliens von Alma Weber aus. Die Dresdner Trickfilm-Künstlerin sitzt auf dem geblümten Vintage-Sofa in ihrem Atelier und zeichnet Skizzen für ihr aktuelles Projekt mit dem Titel "Menstrualiens" – eine Mischung der Wörter Menstruation und Aliens.

Skizze für eines ihrer "Menstrualiens", eine Mischung aus Menstruation und Alien, weil sich viele Frauen während ihrer Periode komisch, anders, allein fühlen. Das englische Wort "Alienation" bedeutet auf Deutsch "Entfremdung". Bildrechte: Sabrina Gebauer/MDR

Aliens deshalb, weil man sich alleine fühlt und außerirdisch, weil viele denken, mit ihnen stimmt irgendwas nicht, weil ihr Zyklus nicht so läuft nach diesem Schema, das man irgendwie gelernt hat.

Alma Weber, Animationskünstlerin

Ihre Zeichnungen überträgt die 28-Jährige mit einem elektronischen Stift auf den Computer. In ihrem Atelier in Dresden-Mitte nahe des Bahnhofs steht der große Monitor, auf dem sie ihre Figuren zum Leben erweckt. Hier animiert sie das große Auge des Aliens, das nach rechts und links rollt, während es spricht. Und hier legt sie die Tonspur unter die Trickanimation.

Ausschnitt aus "Menstrualiens" von Alma Weber. Bildrechte: Alma Weber

Im Vorfeld hat sie Gespräche mit Menstruierenden geführt, die ganz offen darüber gesprochen haben, wie sie dabei ihren Körper empfunden haben: "Manchmal war das so extrem, dass ich eine Ibuprofen oder sowas genommen habe, aber das hat sich bei mir auch relativ schnell geändert, dass ich das eigentlich gar nicht wollte. Irgendwie wollte ich das spüren, dass ich meine Menstruation habe (...)."

Alma Weber animiert ihre Aliens. Sie legt ihnen Interview-Ausschnitte von Menstruierenden in den Mund, mit denen sie über ihre Tage gesprochen hat. Für viele sei das sehr befreiend gewesen und das erste mal, dass sie so intensiv darüber geredet haben. Bildrechte: Sabrina Gebauer/MDR

Ihre Außerirdischen will sie symphatisch darstellen – und damit auch unterhalten. "Mir ist es zuwider, Dinge so mit dem Zeigefinger anzusprechen und das alles so direkt darzustellen, da geht mir der Spaß auch irgendwie verloren dabei."

Gegen die Menstruation als Tabu: Pinky Gloves und Co.

Mit ihren Kurzfilmen will Alma Weber dagegen ankämpfen, die Menstruation als Tabu zu behandeln. Bereits in der Schule sei das Thema nur verkürzt dargestellt worden und immer ein Kicherthema gewesen, über das man nicht gesprochen habe.

Ich glaube das war auch bisschen das Problem, dass da nicht mehr drüber gesprochen wurde und dass es auch als sowas Ekliges abgetan wurde – und auch noch wird, wie dieses Beispiel mit den Pinky Gloves wieder gezeigt hat.

Alma Weber, Animationskünstlerin

Vor einigen Wochen hatten zwei Männer ihre "Pinky Gloves" als Geschäftsidee vorgestellt: Pinke Gummihandschuhe, mit denen man diskret seine Tampons entfernen und entsorgen sollte. Das Thema hat für große Kritik im Netz gesorgt – bis die Idee schließlich auf Eis gelegt wurde. "Das reproduziert auch so ein Weiblichkeitsbild davon, der weibliche Körper ist eklig, und alles was darin vorgeht ist unheimlich und sollte nicht an die Oberfläche gelangen und sollte nicht gezeigt werden", kommentiert die Künstlerin.

Ausschnitt des Trickfilms "Woe is me" von Alma Weber. Bildrechte: Alma Weber

Blut zeigen? Ja, solange es kein Menstruationsblut ist

Sie habe auch ein sehr einprägsames Erlebnis bei einem Filmfestival gehabt: "Da habe ich mir eine Reihe von Kurzfilmen angeguckt und es lief ein Film, in dem ganz martialisch Leute umgekommen sind und Köpfe abgehackt, es floss viel Blut und anschließend kam ein Film, in dem passierte nicht sehr viel, außer dass ein Mädchen ihre Menstruationstasse entleert hat in ein Waschbecken und da schrie der ganze Kinosaal auf und die Leute haben das nicht ertragen, diese Szene zu sehen. Also Blut: Ja kein Ding, solange es kein Menstruationsblut ist." Das empfindet sie als absurd – und deshalb sei es wichtig, immer wieder über Thema zu sprechen, auch in der Kunst, solange bis es kein Tabuthema mehr sei.

Das Intro zum Trickfilm "Menstrualiens" ist eine Stop-Trick-Animation, bei der blaue Tinten-"Blut"-Kleckse auf Klopapier immer größer werden. Blau, weil es Aliens sind und weil Alma Webermit der Darstellung von Menstruationsartikeln in der Werbung spielt. Dort wird nie Blut gezeigt, sondern mit einer fast schon klinischen blauen Flüssigkeit gezeigt, wie saugfähig Tampons und Binden sind. Bildrechte: Sabrina Gebauer/MDR

Gesellschaftlich gemacht: Mädchen trauen sich weniger zu

Gleichberechtigung und Feminismus waren schon früh Themen für Alma Weber. Geboren wurde sie 1992 in Halle und ist in Weimar aufgewachsen. Ihre Mutter, selbst Künstlerin, hörte Musik von starken Frauen wie Nina Hagen, Stereo Total oder Francoise Cactus, die auch zu Vorbildern der Tochter wurden.

"Ich hatte als Kind das Glück, dass ich da viel gefördert wurde und Schlagzeugunterricht nehmen konnte, und ich war aber auf jeden Fall das einzige Mädchen in meinem Umfeld, das Schlagzeug gespielt hat" Das habe auch gesellschaftliche Gründe – dass Jungs laut und wild sind, sei ganz normal, Mädchen sollten eher leise sein.

"Also man sieht es irgendwie andauernd an ganz vielen Ecken, dass nach wie vor Frauen kleingehalten werden und das reproduziert sich so, dass Mädchen dann auch selber denken, sie können irgendwas nicht oder trauen sich was nicht zu."

Alma Weber am Schlagzeug. Bildrechte: Sabrina Gebauer/MDR

Aktuell spielt sie in zwei Frauen-Bands: The Shna und Gránátèze. Beim Schlagzeugspielen geht es ihr in erster Linie um den Spaß – aber wenn sie dadurch auch andere Frauen ermutigt, etwas auszuprobieren, freue sie sich natürlich. Um Rollenbilder aufzubrechen, ist das Schlagzeug aus ihrer Sicht ein sehr geeignetes Instrument.

Filme zum Wut rauslassen und lachen

Zum Animations- und Trickfilmstudium ging sie dann von Weimar nach Kassel, wo sie sich engagierte – und beispielsweise einen feministischen Lesekreis gründete. Desto mehr Alma Weber sich mit Thema Gleichberechtigung beschäftigte, desto mehr Situationen fielen ihr im Alltag auf, in denen Frauen unfair behandelt werden. Ungleiche Bezahlung, Angst haben müssen, nachts alleine nach Hause zu laufen, ständige Verniedlichung von Mädchen.

Ausschnitt des Trickfilms "Pink Cuts Pink" von Alma Weber. Bildrechte: Alma Weber

In ihren Arbeiten thematisiert sie diese Themen: In "Pink Cuts Pink" wird einem blonden Mädchen das Haar gebürstet und gebürstet, bis es rot anläuft, vor Wut schreit, ihre Haare zerzaust und wild herumläuft. Danach wird sie wieder auf ihren Stuhl gesetzt und weiter gebürstet. "Haare sind auf jeden Fall ein Symbol für Weiblichkeit, mit dem man auch viel spielen kann und das man auch gut brechen kann, und womit man auch irritieren kann. In dem Film wollte ich aber auch diesen Backlash darstellen, also dass man immer wieder zurückgeworfen wird."

Ausschnitt des Films "Don't": In diesem Film thematisiert Alma Weber das Thema Haareschneiden. Lange Haare sind ein Weiblichkeitssymbol, mit dem man in der Kunst spielen kann, findet sie. Bildrechte: Alma Weber

"Menschen sollen nicht mehr voreinander Angst haben müssen"

Ihre Filme werden in kleinen Programmkinos vor den Hauptfilmen gezeigt. Alma Weber produziert aber auch Musikvideos, Erklärvideos und gibt Workshops. Starke Frauen spielen immer wieder eine Rolle in ihren Arbeiten.

Trickfilmerin Alma Weber wurde 1992 in Halle geboren und wuchs in Weimar auf. Dort wurde sie von ihrer Mutter schon früh an feministische Themen herangeführt. Ihre Mutter ist für Alma ein großes Vorbild. Bildrechte: Sabrina Gebauer/MDR

Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit Feministin zu sein. Nicht nur jede Frau, alle Menschen sollten Feminist:innen sein. Ich glaube, viele sind es auch, ohne das so zu benennen. Weil letztlich heißt es ja, dass man dafür ist, dass alle Menschen gleichberechtigt sind, egal welches Geschlecht oder Sexualität oder Herkunft sie haben.

Alma Weber, Animationskünstlerin

Für die Zukunft wünscht sie sich, einen respektvolleren Umgang miteinander. Dass Menschen keine Angst mehr voreinander haben müssen. "Zum Beispiel mein kleiner Bruder: Wenn er experimentiert mit Geschlechterrollen und im Kleid durch die Stadt geht, dass er keine Angst haben muss irgendwie angegriffen werden oder so, wo ich denke, das müsste doch selbstverständlich sein, ist es aber noch nicht. Das würd ich mir aber wünschen – dass Leute sein dürfen, wer sie wollen und dass das ganz selbstverständlich ist."

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