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In der Gastronomie gelten unterschiedliche Steuersätze. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sina Schuldt

Der Redakteur | 02.02.2024"Zum Hieressen, oder Mitnehmen?": Zwei Steuersätze, aber ein Preis - Ist das rechtens?

02. Februar 2024, 18:28 Uhr

Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Speisen in Hotels, Kneipen und Restaurants wurde von der Bundesregierung bis 31. Dezember 2023 begrenzt. Mit Beginn des neuen Jahres werden auch dort wieder die sonst üblichen 19 Prozent veranschlagt. Der Preis für die Speisen zum Mitnehmen und zum "Hieressen" ist aber immer gleich. MDR THÜRINGEN-Hörerin Denise Illig aus Gera fragt sich: Ist das rechtens?

Das Umsatzsteuerrecht ist des Deutschen Ersatz-Dschungel. Verschlungen, kaum zu durchdringen, voller Fallen und Gefahren. Dabei hat es "der Professor aus Heidelberg", wie Altkanzler Schröder ihn einst titulierte, 2011 einmal versucht. Neben anderen Steuergesetzen wollte er auch Umsatzsteuerrecht entmüllen. Immerhin war Paul Kirchhof Richter am Bundesverfassungsgericht und ist ein profunder Kenner der Materie. Warum sein "Bundesteuergesetzbuch" keine Partei als Diskussionsbasis auf die Tagesordnung setzt, ist in der aktuellen Diskussion um überbordende Bürokratie unverständlich. Es könnte ganze Branchen hörbar aufatmen lassen.

Dirk Ellinger, Hauptgeschäftsführer vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Thüringen, hat reihenweise Beispiele, die nicht nur seiner Meinung nach keinen Sinn ergeben: Warum das Schnitzel im Restaurant mit 19 Prozent besteuert wird, trägt es der Kunde in der Aluschale nach Hause, sind es nur noch sieben Prozent. Überlegt es sich jedoch auf der Treppe anders und setzt sich in den Außenbereich, was ist das dann? Steuerhinterziehung? Oder nur Beihilfe? Muss der Gastwirt den Steuersünder dann vertreiben und wie weit? Reichen zehn Meter oder sollte er nicht besser außer Sichtweite sein? Spielt es eine Rolle, wem der Tisch da draußen gehört, an den er sich "widerrechtlich" setzt? Mit solchen Fragen werden in Deutschland Gerichte konfrontiert.

Müssen die Speisen zum Mitnehmen nicht billiger sein?

Diesen Unterschied "Verzehr vor Ort = 19 Prozent Umsatzsteuer" und "einpacken und mitnehmen = sieben Prozent" gibt es schon lange. Das war schon vor der kurzzeitigen coronageschuldeten Senkung auf generell sieben Prozent so. Besonders auffällig ist das Problem bei den Fastfoodketten. Der Burger kostet 2,99 Euro, egal, ob man ihn mitnimmt oder nicht. Die Antwort auf die Frage des Personals "Mitnehmen oder hier essen?" bestimmt den Steuersatz. Bedeutet: Der Nettopreis des Burgers muss jeweils ein anderer sein und diesen festzulegen, ist Ergebnis der Kalkulation und die unternehmerische Freiheit des Gastronomen.

Das ist grundsätzlich im Preisangabenrecht möglich, der Gastronom muss den Endpreis dem Kunden gegenüber angeben und der muss die Umsatzsteuer enthalten.

Dirk Ellinger, Hauptgeschäftsführer Dehoga Thüringen

Damit ist die Frage beantwortet, ob das Vorgehen der Gastronomen rechtens ist. Sie dürfen das so machen, müssen nur die ausgewiesen Steuer ordnungsgemäß abführen. Gleichwohl stellen sich weitere Fragen. Die erste: Warum? Antwort: Es ist halt so. Unser Umsatzsteuerrecht ist historisch gewachsen und mit Ausnahmen durchzogen. Die "Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände" im Umsatzsteuergesetz liest sich wie die Vorlage für ein Kabarettprogramm.

Prof. Kirchhof hatte es aber nicht nur auf die Abschaffung dieser Ausnahmen abgesehen, die eben dazu führen, dass Mineralwasser in der Flasche mit 19 Prozent besteuert wird, Trinkwasser aber mit sieben Prozent. Er hat auch die grundsätzliche Umstellung auf eine wirklich "Mehrwertsteuer" angedacht, die wirklich nur der Endverbraucher zahlt. Aktuell schlagen ja alle beteiligten Unternehmen der Wertschöpfungskette die Umsatzsteuer drauf, um sie sich vom Finanzamt wieder erstatten zu lassen. Erst der Endkunde hat diese Möglichkeit nicht und zahlt tatsächlich. Dieses System sei aufwendig, kompliziert, teuer und missbrauchsanfällig, so Kirchhof.

Ändert sich vielleicht doch noch was?

Hinter jeder Ausnahme steht eine Lobby. Das gehört auch zur Wahrheit. Deswegen hilft eigentlich nur der große Wurf. Forderungen, den Nahrungsmittelbereich komplett auf den ermäßigten Satz umzustellen, gibt es immer wieder. Salopp gesagt: Alles, was der Ernährung dient sind sieben Prozent. Auch der Alkohol, dessen Schädlichkeit wird nicht über die Mehrwertsteuer, sondern über eine Verbrauchssteuer eingepreist, wie es sie ja unter anderem mit Brandweinsteuer, Sektsteuer auch schon gibt.

Nur auch hier könnte man eben vieles vereinheitlichen, so Prof. Kirchhof einst. Eine solche Systemumstellung würde viel Umsetzungs-, Kontroll- und Verfolgungsressourcen einsparen. Aktuell kämpfen die Gastronomen jedoch nur darum, über den Bundesrat wenigstens noch die sieben Prozent auf Gastronomiedienstleistungen durchzusetzen, also zurück auf die Ausnahme-Liste zu kommen. Mehrere Bundesländer haben entsprechende Beschlüsse gefasst, so Ellinger, auch Thüringen. 

Es gibt eine geringe Hoffnung beim Wachstumschancengesetz, dass das noch einmal zur Diskussion gestellt wird.

Dirk Ellinger, Hauptgeschäftsführer Dehoga Thüringen

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Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 02. Februar 2024 | 16:40 Uhr

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