Mafia in DeutschlandDas Gefühl der latenten Bedrohung
Wie berichtet man über organisierte Kriminalität? Beim Netzwerk Recherche diskutierten Journalistinnen und Journalisten aus Deutschland und Italien, darunter Axel Hemmerling vom MDR Landesfunkhaus Thüringen. Über die Mafia zu berichten kann in Deutschland schwieriger als in Italien sein. Daher sind Kooperationen zwischen deutschen und italienischen Journalistinnen und Journalisten unerlässlich.
Dies ist das Fazit der Diskussion "Mafia in Deutschland – grenzübergreifende Berichterstattung über Organisierte Kriminalität" bei der diesjährigen Jahreskonferenz der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche in Hamburg. Anders als in Italien, wo die Mitgliedschaft in der Mafia einen Straftatbestand darstellt, ist die bloße Zugehörigkeit zur Mafia in Deutschland nicht verboten. "Wenn man hierzulande schreibt, jemand sei bei der Mafia, hat man gleich eine Klage am Hals", so die übereinstimmende Meinung.
Öffentlichkeit als Schutz
"Es gibt keine direkten Angriffe, wir sind auch vorsichtig", sagt Axel Hemmerling vom MDR, der in Deutschland zum Thema organisierte Kriminalität recherchiert. "Öffentlichkeit ist immer ein guter Schutz, man sollte auch immer möglichst transparent bei der Recherche vorgehen. Wir fragen zum Beispiel alle Beteiligte ganz offiziell und offen an und schnüffeln nicht auf irgendwelchen Hinterhöfen herum."
Leicht sind die Recherchen dabei natürlich trotzdem nicht: "Die finden uns echt störend und versuchen daher, uns auf juristischem Wege zu behindern", sagt Hemmerling: "Jede seriöse Berichterstattung wird angegriffen".
Mehr Möglichkeiten in Italien
Eine gute Möglichkeit, solchen Angriffen etwas von ihrer Wirkung zu nehmen, seien grenzüberschreitende Recherchen, sagte in Hamburg Margherita Bettoni von der Rechercheplattform Correctiv. Denn in Italien seien, aufgrund der grundsätzlichen Einstufung der Mafia als kriminelle Vereinigung, die Nennung von Namen, legalen Deck-Berufen und anderen Angaben zur Person möglich. "In Deutschland kann man nur sagen: Da sind zwei Typen, die schon mal wegen Mafia-Connections in Italien im Gefängnis waren und die jetzt in Deutschland in Immobilien machen", so Bettoni.
Mafia-Themen oft klischeebeladen
Für den Journalisten Sandro Mattioli, der auch für den Verein "Mafia, nein Danke" (www.mafianeindanke.de) arbeitet, macht die komplexe Story vieler Mafia-Recherchen die Krux aus: "Viele Redaktionsleitungen wollen übersichtliche, einfach zu erzählende Geschichten", so Mattioli in Hamburg. Doch Mafia-Recherchen, deren Inhalt und Narrativ oft auch in rechtlichen Grauzonen spielen, seien eher anspruchsvoll. Daher sei er dem MDR dankbar, dass durch dessen Recherchen das Phänomen weiter erhellt wird.
"Man muss sich bei vielen Medien immer noch gegen Klischees und Stereotypisierung wehren, nach dem Motto: Mafiosi sind südländische Männer in schicken Anzügen mit Sonnenbrillen. Nein, das sind Geschäftsleute mit zum Teil sehr guten Kontakten zu deutschen Unternehmern und Behörden." Er möge Recherchen zu diesem Themenkomplex, sagt Mattioli – "aber es ist kompliziert".
Latentes Gefühl der Bedrohung
Denn immer stehe auch das Gefühl einer latenten Bedrohung im Raum. Zwar datieren laut Giulio Rubino, von der italienischen Recherche-Organisation IRP, die letzten nachweisbaren Mafia-Morde an Journalisten auf Mitte der 1980er Jahre. Allerdings gab es allein 2017 zwei bislang nicht aufgeklärte Tötungsdelikte an Journalisten im Mittelmeerraum – ein Opfer war die Investigativ-Reporterin Daphne Caruana Galizia aus Malta. "Ein Mord an einem Journalisten müsste von ganz oben angeordnet werden", sagt Sandro Mattioli – "davor müssen wir keine Angst haben, denn es wäre auch für die Mafia wegen der großen Aufmerksamkeit wenig sinnvoll". Und Rubino ergänzt: "Deswegen sollte man direkt mit ihnen sprechen und klar machen: Wir sind Journalisten, keine verdeckten Ermittler oder ein konkurrierender Clan." Trotzdem: Solche Recherchen sind keinesfalls einfach. "Sie kommen zu einem und sagen 'Wir führen nichts Böses im Schilde' – und dann weiß man, was los ist."