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Medientage Mitteldeutschland 2019Public Value in Mitteldeutschland

21. Mai 2019, 18:36 Uhr

Die Zeit, in der Journalisten ihren Job ohne Rücksicht auf die Rezipienten machen konnten, scheint vorbei. Bei den Mitteldeutschen Medientagen wird klar: Das Publikum ist Teil der Medienwelt. Oder sollte es zumindest sein – und zwar längst.

von Johanna Kiesler und Anna-Lena Genz

Hört endlich auf das Publikum – Sascha Lobos Aufruf an die Medienpeople

Er wirkt in dieser neuen Location vielleicht sogar noch ein kleines bisschen glaubwürdiger als in der Media City, wo dieses Klassentreffen mitteldeutscher „Medienpeople“ bislang zu finden war: In der Leipziger Baumwollspinnerei, zwischen Stahlträgern, Kunst und Graffitti eröffnet Sascha Lobo die diesjährigen Medientage Mitteldeutschland mit einem brennenden Appell an seine Mitstreitenden: Journalisten sollten ihr Publikum doch bitte endlich ernst nehmen. Viel zu lange hätten viel zu viele nur gesendet, das Publikum als stillen Empfänger ihrer Inhalte verstanden und überrascht reagiert, als sie beim Kontakt mit der Onlinewelt plötzlich mit tatsächlichem Feedback konfrontiert waren. Er selber habe als Onlinejournalist sehr schnell gelernt, dass es „da draußen“ eigentlich immer jemanden gibt, der noch ein bisschen schlauer ist, als man selbst. Sich in einem Thema noch besser auskennt als die eigene Redaktion. Es sei ein Fehler, das Publikum zu unterschätzen. Glaubt man Lobo, so nimmt die Qualität von Kommentaren „dramatisch“ zu, je ernster man sie nimmt. Was nicht bedeute, unter jeden Kommentar „Danke für den tollen Kommentar“ zu schreiben, sondern tatsächlich zu verstehen zu versuchen, was die Botschaft, die Aussage, der Mehrwert der Nutzenden sei. Die „digitale Beziehung zum Publikum“ zu stärken und für sie zu kämpfen, das gibt Lobo seinen Zuhörenden als guten Rat mit auf den Weg durch zwei Tage Gespräche, Podien und Workshops quer durch die Medienwelt.

Ohne Beziehung und Vertrauen kein Podcast

Nicht nur für Fernsehmachende spielt die Beziehung zum Publikum die entscheidende Rolle. Podcasts gibt es schon seit den frühen 2000er Jahren, doch jetzt ist ein echter Hype um dieses Medium entstanden. In einer bunt gemischten Diskussionsrunde zum Thema sind sich die Teilnehmenden einig: Der Podcast als Format bietet eine besondere Nähe zu den Hörern und Hörerinnen und eine Möglichkeit zum Austausch mit dem Publikum. Yasemin Yüksel vom Spiegel schätzt besonders den „qualifizierten positiven Input“ aus der Kommentarspalte. Die vielen Freiheiten, die die Podcastproduktion mit sich bringt, werfen allerdings auch neue Fragen in den Raum: Kann es zu viele Podcasts auf dem Markt geben? Eine Antwort auf diese Frage hat Richard Wernicke von Deezer: „Es sind schon die die Gewinner in diesem Spiel, die das Handwerk beherrschen“. Qualität spielt also trotz der Möglichkeiten eine Rolle, denn den hundertsten „Laberpodcast“ brauchen nur Wenige. Was Podcasts besonders mache, sei in erster Linie die Authentizität. Was wiederum die Frage aufwerfe, was passiert, wenn Protagonisten anfangen, für Marken zu werben. Verlieren sie damit wieder ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit?

Germanys Next Topmodel mit Audiodeskription – ist das schon Public Value?

Parallel diskutieren ein Stockwerk höher Vertretende von ARD, ProSieben und RTL über den öffentlichen Wert, den Public Value also, den die Medien ihren Zuschauenden anzubieten haben. Dabei wird schnell klar, dass schon die Definitionen von Public Value auseinander gehen. Cornelia Holsten, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, setzt in ihrer Vorrede den öffentlichen Wert von Medien mit Verantwortung gleich und definiert Teilhabe, also auch Barrierefreiheit als ihren persönlichen Wert. Auch Dr. Hans-Jürgen Weiß, verantwortlich für die Fernsehprogrammforschung der Landesmedienanstalten, spricht vom „Wert der gesellschaftlich relevanten Vermittlung zwischen politischer- und Lebenswelt“. Öffentlicher Wert von Medien ginge über reine Inhalte hinaus, umfasse auch Ausbildung, Relevanz und Barrierefreiheit, heißt es im Podium. Insofern sei man sich auch in einem weiteren Punkt einig: „Keiner zweifelt mehr daran, dass auch private Angebote einen public Value haben“, sagt Annette Kümmel von ProSiebenSat1 und führt als Beispiel an, dass „Germanys Next Topmodel“ jetzt mit Audiodeskription gesendet würde. Dieses Argument stößt bei Dr. Susanne Pfab (ARD) auf wenig Verständnis: „Nur weil da mal ein Transgender-Model dabei ist, hat eine Sendung, die ansonsten ein katastrophales Frauenbild transportiert, noch keinen Public Value.“ Also geht es doch um den Inhalt? Nicht ausschließlich. Auch Massenwirksamkeit sei als Wert nicht zu unterschätzen, findet Claus Grewenig von RTL. Bei privaten Formaten stünde vielleicht nicht immer „Public Value“ auf der Stirn, trotzdem könne eine integrierende Unterhaltungssendung auf RTL wirksamer sein, als eine öffentlich-rechtliche Sendung zum Thema Integration.

Denn am Ende ist Public Value schließlich auch und vor allem „what the Public Wants“. Wer das ignoriert, braucht sich über fehlende Glaubwürdigkeit nicht zu wundern.