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Interview mit Fernsehrät*in Jenny Luca Renner"Mein Ziel ist die Normalisierung des Besonderen"

31. Januar 2022, 09:58 Uhr

Jenny Luca Renner ist seit 2016 Mitglied des ZDF-Fernsehrats, entsandt von der Thüringer Landesregierung für den Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), und vertritt die Interessen des LGBTQI+-Publikums. Mit MEDIEN360G unterhält sie sich über ihre Arbeit und wie sich darin Diversität, Gendern und Normalität verbinden.

von Charlotte Schulze

Jenny Luca Renner:

Auch weiße, heterosexuelle, alte Männer - das allseits beliebte Beispiel - möchten gerne vorkommen: im Film, in Print, in der Lebensrealität, in der Darstellung von Lebensrealität. Das wollen wir alle. Und das ist kein Sonderrecht, was wir einfordern. Sondern wir wollen einfach nur das Gleiche wie alle anderen auch, weil wir nichts Besonderes sind, sondern wir sind genauso Menschen wie alle anderen auch.

Weil immer gesagt wird: "Na, ihr müsst euch ja immer so zur Schau stellen." Ich würde das gerne nicht mehr tun, wenn ich nicht mehr diskriminiert werde, wenn ich überall vorkomme. Ich habe nämlich ganz, ganz viele andere Sachen auch noch zu tun.

Kurz vorgestellt:

Mein Name ist Jenny Luca Renner. Ich höre auf den Namen Luca. Ich bin ZDF-Fernsehrät*in seit 2016 jetzt, benannt durch den Freistaat Thüringen, über das zivilgesellschaftliche Mandat. Gleichzeitig bin ich seit drei Jahren im Arte-Deutschland-Beirat und bin letztes Jahr wieder durch den Freistaat Thüringen über das zivilgesellschaftliche Mandat, also über den LSVD Thüringen, in den Fernsehrat erneut entsandt worden und dort auch seit letztem Jahr stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Programmdirektion.

Also Pronomen bei mir, trotz dessen, dass ich mich als non-binär definiere - d. h. weder als Mann noch als Frau, sondern als ich, sozusagen - mit dem Pronomen "sie", da ich doch am meisten und häufig weiblich gelesen werde. Und damit das nicht ganz so schwer ist für mein Gegenüber habe ich mir überlegt, ich bleibe erst einmal bei den Pronomen "sie" und "ihr" bis sich in der deutschen Sprache etwas findet, was sich für mich auch gut anfühlt.

Die Arbeit einer Fernsehrät*in

Was ich auf jeden Fall mache, so wie alle anderen Fernsehrät*innen auch, ist, dass ich das Programm beobachte und dem Sender sozusagen Rückmeldungen gebe, je nachdem, welches Format auf der Tagesordnung ist in den Ausschüssen. Wir arbeiten wie ein Parlament, d. h. wir haben Ausschüsse und ein Plenum. Des Weiteren wählen wir die Intendanz, das haben wir in diesem Jahr auch getan. Das ZDF bekommt ab nächstem Jahr einen neuen Intendanten (Anm. der Red.: Ab März 2022 tritt Norbert Himmler sein Amt als ZDF-Intendant an). Und wir besprechen aber auch mit dem ZDF die Programmleitlinien für die nächsten Jahre. Es nennt sich Selbstverpflichtungserklärung des Senders, wo wir die Schwerpunkte mit dem Sender beraten und dann für zwei Jahre sozusagen eine Art Regierungsprogramm für die Intendanz besprechen, was denn in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll. Das sind die offiziellen Aufgaben. Und die allerwichtigste, finde ich, auch für die MDR Zuhörer*innen: Wir bearbeiten als Fernsehrat auch die Programmbeschwerden der Zuschauenden.

Eine wichtige Aufgabe - Diversität

Also zwei Sachen: Das eine ist, dass diese Selbstverpflichtungserklärung an den Stellen, wo es notwendig war, jetzt mit geschlechtergerechter Sprache versehen ist, sodass sie alle Geschlechter mitnimmt. Was wie ich finde, ein Wahnsinnsschritt ist.

Und das zweite ist, dass sich das Thema Diversity in Gänze durch die ganze Selbstverpflichtungserklärung zieht. Und als ich das erste Mal diese mit besprechen durfte, wurde mir noch gesagt seitens des Hauses, dass es ja nicht notwendig sei, die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt als Querschnittsthema und überhaupt als Thema da explizit mit hinein zu schreiben. Das hat sich tatsächlich geändert. Da bin ich auch sehr stolz drauf, weil der Sender auch gesehen hat: "Okay, das ist eine relevante Bevölkerungsgruppe und dementsprechend muss sie auch bedacht werden in sämtlichen Formaten." Und da bin ich schon sehr froh und auch sehr stolz, dass das nun da auch Niederschlag gefunden hat.

Gendergerechte Sprache im Programm

Also das schlägt sich derzeit im Programm so nieder, dass den Redaktionen freigestellt ist, wie sie geschlechtergerechte Sprache anwenden. Was ich auch richtig finde, dass es keinen Zwang gibt, sondern dass die Redaktion die Freiheit hat für sich und ihre Zielgruppe, ihr Publikum selbst zu entscheiden, welche Sprache sie mit Blick auf Geschlecht verwenden.

Und um Ihre Frage direkt zu beantworten: Natürlich kommt das Thema nicht in allen Sendungen vor. Das wäre auch schlimm. Das kommt da vor, wo es vorkommen soll. Das ist sozusagen ein Querschnittsthema, d. h. es kommt in der Abbildung der gesellschaftlichen Realität - wie es so schön im Staatsvertrag heißt - vor. Aber natürlich nicht in jeder Sendung, weil es natürlich auch nicht in jede Sendung passt. Und es ja auch noch viele andere Themen gibt, die auch relevant und wichtig sind. Und das ist so der derzeitige Stand dazu.

Normalisierung des Besonderen

Wir reden ja einmal vom Film. Da ist es natürlich wahnsinnig wichtig, finde ich, und da würde ich schon sagen, dass es überall vorkommen kann und sollte, dass auch sämtliche Geschlechter angesprochen werden. Das muss aber nicht immer Hauptthema sein, sondern - ich sage immer: "Mein Ziel ist die Normalisierung des Besonderen." Und das betrifft nicht nur queere Menschen, sondern das betrifft auch Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Migrationsgeschichte, auch Frauen etc. pp. Einen Film divers zu gestalten, ist mehr als da einen schwulen Barbesitzer mit reinzunehmen oder eine lesbische Frau, die gerade versucht, unbedingt ein Kind zu bekommen und auf der Suche nach Sperma ist. Das sind immer so die gern erzählten Geschichten. Das ist mehr als das - Diversität im Film. Auch verschiedene Körper darzustellen: große, kleine, dicke, dünne, sie normal werden zu lassen und nicht ein bestimmtes Bild zu vermitteln, was angeblich ideal ist.

Dann sind wir im Sport. Der nächste Bereich, wo ich sage ja, auch im Sport gibt es queere Menschen und auch in der Sportberichterstattung sollten diese, genauso wie sie auch im Sport vorkommen, vorkommen. Da gibt es sicherlich Dokumentationen - wenn ich jetzt an Katar denke, die kommende Fußball-Weltmeisterschaft, wo es sicherlich gut wäre, auch mal einen Blick auf die Situation von queeren Menschen dort zu werfen. Aber man kann halt auch einfach mal mitlaufen lassen. Wenn da ein Mannschaftskapitän einer Fußball-Nationalmannschaft eine Regenbogenflagge, also mit der Armbinde, aufläuft, dann kann man das erwähnen. Aber hauptsächlich geht es da um Fußball. Aber auch das ist Darstellung von Vielfalt, weil natürlich nicht alle Mannschaftskapitäne das machen werden.

Und dann sind wir im Bereich von Nachrichten, wo ich denke, dass auch Themen der queeren Community vorkommen sollen und müssen, aber auch in dem Rahmen, wie sie auch in der Lebensrealität einfach stattfinden. Und dass es nicht nur darum geht jetzt einmal im Jahr, wenn in Berlin der große Christopher-Street-Day ist oder in Erfurt der Christopher-Street-Day Thüringen da zu berichten, sondern auch, wenn es andere relevante Themen gibt, die diese Community betreffen. Das sind auch Zuschauer*innen und das sind auch Menschen, die Rundfunkbeitrag zahlen und die sollten sich da auch wiederfinden. Es ist also sehr, sehr vielfältig und deswegen, glaube ich, kann man das nicht so verallgemeinern.

Mehr Diversität bei Arte, KIKA und Phönix

Also jeder, der öffentlich-rechtliche Sendungen schaut, weiß, dass Arte einer der Vorreiter ist, was Darstellung von vielfältigen Menschen und Themen angeht. Ich finde Arte ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie es gehen kann, ohne viel Aufregung. Und ich bin da wahnsinnig glücklich. Da gibt es hier und da auch Dinge, wo man noch einmal einen Finger draufhalten kann und sollte. Aber grundsätzlich, finde ich, macht Arte die Sache wahnsinnig gut.

Dann gibt es ja noch den Sender KIKA. Die haben tatsächlich letztes Jahr einen Diversity-Tag gemacht, wo sie alle Redaktionen geschult haben zu allen Facetten von Diversity. Haben das auch aufgenommen mit den Speaker*innern einfach um zu sensibilisieren für Vielfalt. Und Vielfalt ist zum Beispiel auch - weil immer alle sagen "ihr mit euren queeren Regenbogen-Themen, ich kann es nicht mehr hören" -: Wie viele Menschen mit Brillen und ohne Brillen kommen denn zum Beispiel vor? Das ist auch Vielfalt. Darüber wird aber nie gesprochen. Und wichtig ist bei solchen Diversity-Tagen einfach auf die Leerstellen, auf die dunklen Flecken hinzuweisen und zu sagen: "Warum kommen hier eigentlich so wenige Menschen vor mit asiatischer Migrationsgeschichte zum Beispiel oder wenige Figuren, die eine sichtbare oder vielleicht auch eine unsichtbare Behinderung haben? Und was macht denn das dann auch mit den Zuschauenden, in dem Fall den Kindern?" Genau, also KIKA, großartige Sache. Da gibt es auch regelmäßigen Austausch. Da geht es auch wirklich voran. Die nehmen da auch richtig Geld in die Hand.

Bei Phoenix, das gehört ja auch zum ZDF dazu, ist es tatsächlich so, dass sie massiv in den letzten Jahren ihre Frauenquote in den Expert*innen-Runden erhöht haben, was ich wahnsinnig gut finde. Da ist die Programmgeschäftsführung auch echt dahinter, die aber auch queere Inhalte, queere Spots einfach mitlaufen lassen, ohne das als immer etwas Besonderes darzustellen, sondern einfach es auch als Teil der Normalität mitlaufen lassen. Ganz, ganz großartige Sache, aber vor allem auch mehr Frauen. Weil wir ja immer noch das Problem haben, wenn Männer etwas erklären - und das mache ich nicht den Männern zum Vorwurf, um Gottes Willen -, dann ist es immer doch sehr, sehr glaubwürdig, weil wir einfach auch in dieser Gesellschaft so erzogen wurden. Und wenn die dann noch ein bisschen älter sind, weiße Haare haben, geht das noch viel besser und weiß sind. Es gibt aber auch viele tolle Wissenschaftler*innen. Es gibt viele tolle Spezialist*innen in ihren Themen, und warum sollen die nicht auch Platz haben? Und da gab es viele Jahre immer bei allen Sendern die Ausrede: "Na, es gibt ja so wenig Frauen." Und dann hat man mal gefragt, warum kommt ihr denn nicht? Und dann hat man festgestellt, weil die Care-Arbeit, d. h. die Arbeit für Kinder, Familie, Haushalt, ja doch meistens immer noch blöderweise an den Frauen hängen bleibt und sie natürlich deswegen ein bisschen gehemmt sind bzw. gebremst werden und nicht selber sich bremsen in der Flexibilität.

Also hat man gesagt: "Okay, wir machen, egal für welches Geschlecht, wir bieten eine Kinderbetreuung an, damit sozusagen sichergestellt ist, dass das kein Grund sein kann. Wir gucken mal nach den Sendezeiten. Wann laden wir Frauen oder überhaupt nicht-männliche Personen denn überhaupt ein? Zu welchen Sendezeiten ist es denn machbar?" Und die haben es tatsächlich geschafft, ihre Frauenquote enorm hoch zu schießen. Und sie ist immer noch nicht bei fifty-fifty. Aber ich finde, sie haben da einen sehr, sehr, sehr großen Schritt gemacht. Sie arbeiten da weiter dran, weil es ihnen wichtig ist. Sie haben da eine eigene Arbeitsgruppe dran, direkt für die Repräsentanz von Frauen vor der Kamera. Und ich finde das eine supergeniale Sache und ein tolles Projekt, was natürlich auch Ressourcen und Kraft kostet. Aber wichtig ist, damit alle auch teilhaben können in dieser Gesellschaft. Das heißt nicht, dass die Männer einen schlechten Job machen. Aber wir haben eine große Gesellschaft mit vielen Menschen, und die müssen teilhaben.

Formate, die divers sind

Also darf ich jetzt hier auch offiziell über gewisse Sendungen sprechen, die für mich gute Vorbilder sind? Okay. Es gibt ein sehr schönes Krimi-Format, das heißt "Blutige Anfänger". Da gibt es einen Ausbilder, den man so im ersten Moment, wenn man jetzt mal ganz tief in die Stereotypen-Kiste greift, nicht unbedingt zuweisen würde, dass er schwul ist. Er ist es aber tatsächlich. Es kommt im Laufe der ersten Staffel auch irgendwann raus und natürlich wird es auch zum Druckmittel gegen seine Person. Aber Hauptaugenmerk seiner Figur in dieser Serie ist seine Figur und sein Handeln als Ausbilder. Es ist den Zuschauenden bekannt, dass er schwul ist, aber es spielt in dem Sinne - außer ich glaube in der zweiten Staffel noch einmal, als er dann seinen Freund oder Mann küsst, das ist nämlich der Gerichtsmediziner, 'tschuldigung für's Spoilern - keine Rolle. Aber da geht es auch darum, dass sich einfach jemand homophob äußert und er sich dann am Ende der Ermittlungen denkt, na warte, und dann das, was er sonst nicht macht, dass er das groß nach außen trägt, auch das ist ja Teil der Vielfalt der queeren Community, dass viele Menschen das nicht nach außen tragen, weil sie immer noch mit Ablehnung und Diffamierung konfrontiert sind. In dem Moment macht er es dann und küsst praktisch vor dieser anderen Figur, die sich homophob geäußert hat, seinen Freund. Das fand ich sehr schön gemacht. Aber trotzdem ist es jetzt nicht Hauptaugenmerk in zwei Staffeln dieser Serie, dass da jetzt ein Polizeibeamter schwul ist. Und er ist jetzt auch nicht der Schwule, der gerne immer früher so dargestellt wurde, sondern es ist ein ganz normaler Mensch.

Ein anderes Beispiel, was ich auch sehr beeindruckend fand, war im Film von Kerstin Polte "Immer der Nase nach", der lief vor kurzem im ZDF. Da gibt es einfach eine Nebenrolle, also eine Freundin, der Hauptfigur, die lesbisch ist und auch ihre Probleme mit ihrer Partnerin hat. Also ein ganz normales Beziehungsding wie bei allen anderen Menschen auch. Es ist überhaupt nichts Besonderes, es steht auch nicht im Mittelpunkt des Filmes. Im Übrigen ist dieser Film auch insgesamt wahnsinnig divers. Ich kann ihn wirklich empfehlen. Und trotzdem es ist nicht so, dass man mit völlig fremden Bildern und Vorstellungen konfrontiert wird und der Kopf danach arbeitet, sondern es ist wunderbar eingearbeitet in die Geschichte. Und ich muss wirklich sagen, das ist wirklich ein Meisterstück, meiner Meinung nach, von Diversität. Dieser Film ist wirklich richtig gut geworden.

Aber auch im KIKA haben wir jetzt einen Film ("Ein Känguru wie du", Anm.d.Red.) oder eine Serie, ich bin mir gar nicht sicher, aber ich glaube, es ist ein Film. Da geht es um ein schwules Känguru, das am Anfang ganz viel Gegenwehr erfährt, weil es schwul ist, von den anderen Tieren. Und sie es ausgrenzen und beschimpfen, sowie das leider auch an deutschen Schulhöfen ja immer noch, also an Schulhöfen hier bei uns, üblich ist, dummerweise, dass "schwul" als Schimpfwort benutzt wird. Und später merken dann die anderen Tiere: "Ey, das Känguru ist ja eigentlich total cool, das ist ja gar nicht so viel anders als wir." Und dann werden diese ganzen Vorurteile und Beschimpfungen sozusagen aufgelöst.

Ich finde, da muss man auch anfangen. Es geht nicht darum, sozusagen das Hauptaugenmerk immer darauf zu legen, sondern es geht darum, da eine gewisse Normalität herzustellen und zu sagen, das ist auch Teil, das ist eine Möglichkeit. Und ich finde gerade auch im Kinder- und Jugendbereich zu zeigen: "Hey, nur weil du jetzt möglicherweise auch als Kind anders fühlst oder vielleicht auch in einer anderen Familiensituation aufwächst, weil du vielleicht zwei Mamas hast oder zwei Papas oder einen Papa und zwei Mamas", auch das gibt es ja, "bist du jetzt normal. Du bist nichts Besonderes und es ist alles gut." Und trotzdem aber auch zu zeigen, bei denen die es selber betrifft, die irgendwie merken: "Ich ticke nicht so wie meine Freundin. Okay, ich mag zwar Mädchen als Mädchen, möglicherweise, und es ist jetzt nicht Schlimmes, sondern etwas ganz Normales." Und: "Hey, guck' mal, diese Figur", egal, ob jetzt im Film oder im Trickfilm oder wo auch immer, "die ist so auch, und das ist vollkommen okay."

Über Vorbilder sich selbst erkennen

Mir haben diese Vorbilder im Film, egal ob Trickfilm oder später Film, total gefehlt. Ich wusste ganz lange nicht, was mit mir ist und habe irgendwann dann durch einen guten Zufall erst bemerkt - das Wort lesbisch gab es bei mir auch gar nicht, aber das war auch eine andere Generation muss man vielleicht doch mal dazu sagen: "Hey, okay, ich bin nicht die Einzige. Ich bin kein Alien und mit mir ist alles in Ordnung. Ich habe halt nur an diesem einen Punkt eine andere Ausrichtung als andere. Aber die Vielfalt meiner Persönlichkeit deckt sich dann doch in vielen anderen Punkten auch mit den anderen, die vielleicht Jungs mögen."

Und das ist tatsächlich was, was ich wahnsinnig gut und auch wichtig finde, wo wir irgendwann auch hinkommen sollten, dass es halt nichts Besonderes mehr ist queer zu sein, lesbisch zu sein, schwul, auch trans zu sein, sondern, dass es einfach - weil immer gesagt wird: "Na, ihr müsst euch ja immer so zur Schau stellen." Ich würde das gerne nicht mehr tun, wenn ich nicht mehr diskriminiert werde, wenn ich überall vorkomme. Ich habe nämlich ganz, ganz viele andere Sachen auch noch zu tun.

Wir werden besonders gemacht anhand eines oder zweier Merkmale, die wir haben, von hunderttausenden, die wir in uns tragen. Und dann wird uns gesagt: "Ey ihr da drüben, ihr Besonderen, macht euch doch nicht so besonders! Ihr seid doch nichts Besonderes." Dabei werden wir besonders gemacht von Menschen, die sagen, weil die jetzt ein, zwei Merkmale anders haben als ich. Und das finde ich einfach so grundsätzlich schade dieses Denken.

Vorkommen und teilhaben

Ich glaube nämlich, dass es allen Menschen wichtig ist, einfach vorzukommen und stattzufinden und teilhaben zu können an dieser Gesellschaft und an diesem Leben und selbst sozusagen sich auch mit Figuren, Personen, was auch immer identifizieren zu können, unabhängig davon, ob hetero oder homo, ob lesbisch oder trans oder non-binär oder Frau oder Mann. Es ist für Menschen einfach unheimlich wichtig, das Gefühl zu haben: "Ich bin nicht krank. Ich bin nicht irgendwie eine aussätzige Person, nur weil ich hier und da anders fühle, anders denke."

Auch weiße, heterosexuelle, alte Männer - das allseits beliebte Beispiel - möchten gerne vorkommen: im Film, im Print, in der Darstellung von Lebensrealität. Das wollen wir alle. Und das ist kein Sonderrecht, was wir einfordern, sondern wir wollen einfach nur das Gleiche wie alle anderen auch, weil wir sind nichts Besonderes, sondern wir sind genauso Menschen wie alle anderen auch.

Hinschauen und einander sehen

Also ich glaube, das Wichtige ist auch einfach mal sich kennenzulernen, als Mensch und als Menschen und einfach mal die Lebensrealitäten der anderen wahrzunehmen, kennenzulernen und als diese auch zu respektieren und zu sagen, dass meine Lebensrealität schließt nicht die Lebensrealität eines alten, weißen, heterosexuellen Mannes aus. Die können nebeneinander stehen bleiben und die sind Teil dieser Vielfalt unserer Gesellschaft. Und ich glaube, dass diese Geschichte - also es ist keine Geschichte, sondern es ist ja einfach unsere Realität, in der wir leben - deutlich zu machen, die braucht einfach Menschen, die teilhaben dürfen, die diese Perspektive einbringen können.

"Das, wo ich nicht hinschaue", sage ich immer, "das kann ich nicht sehen." Und wenn andere mich nicht anschauen, dann können sie mich nicht sehen. Und das ist der ganze Trick bei Sichtbarkeit. Ich sehe immer nur das, wo ich hinschaue und wo ich hinschauen möchte. Und wenn mir jemand den Hinweis gibt: "Hey, guck mal, diesen Aspekt gibt es da auch noch.", dann schaue ich mir den natürlich an und habe eine Perspektive mehr. Und das war sozusagen auch meine Arbeit. Aber natürlich gibt es viele tolle Menschen, auch im Sender, die auch an dem Thema arbeiten. Also zu sagen: "Das ist jetzt alles mein Verdienst.", Entschuldigung, das wäre einfach totaler Bullshit, sondern das ist der Verdienst der Redaktion. Und das finde ich wahnsinnig toll, was die auch für eine Arbeit leisten, auch wenn Fehler passieren, auch wenn ich dann wieder schimpfe. Aber das ist nie ein Schimpfen im Sinne von: "Ihr seid schlecht, ihr seid böse.", sondern, "Lasst uns mal draufgucken, das müssen und können wir in Zukunft besser machen." Und das ist, glaube ich, der Prozess, der die letzten Jahre passiert ist und auch die Wahrnehmung: "Okay, queere Menschen sind ja gar keine Aliens."