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Politische Kommunikation im digitalen ZeitalterUnterwegs mit einem Wahlkampfberater

11. November 2019, 13:42 Uhr

Twitter, Facebook, Instagram oder YouTube – um politische Themen in die Öffentlichkeit zu bringen, braucht es heute keine Pressekonferenzen mehr. Die politische Kommunikation hat sich verändert. Parteien und Politiker investieren und lassen sich von Profis beraten. Sogenannte Spin-Doctors agieren hinter den Kulissen. Wir haben einen von ihnen getroffen.

von Dagmar Weitbrecht

Parteien investieren inzwischen immer mehr auch in ihre digitalen Kommunikationsstrategien. Wie genau sie dabei vorgehen, darüber geben sie ungern Einsicht. Hinter ihren Wahlkampfstrategien stecken häufig Wahlkampfberater, so genannte Spin-Doctors. Die meisten, die wir anfragen, möchten uns allerdings kein Interview geben.

Der Protagonist

Während unserer Recherchen werden wir auf Dr. Reza Kazemi aufmerksam, Politik- und Kampagnenberater aus Mannheim. Sein Forschungsgebiet ist Werbewirkungsforschung und die Analyse der Wirkung von politischer Kommunikation auf Wähler.

2012 geht Kazemi in die USA, um die Demokraten als Wahlkampfhelfer zu unterstützen. Weitere Referenzen finden sich in Slowenien und Österreich. Dort arbeitet er für den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Kazemi ist bereit, mit uns über die Rafinessen politischer Kommunikation im Wahlkampf zu sprechen.

Zur Person Dr. Reza Kazemi

Dr. Reza Kazemi ist ein internationaler Politik- und Wahlkampfberater sowie Vorstandsmitglied der European Association of Political Consultants (EAPC). Im deutschsprachigen Raum ist der promovierte Fachmann für Politmarketing neben der Beteiligung an den Wahlen zum Deutschen Bundestag und den Nationalratswahlen in Österreich auch in zahlreichen Landtagswahlkämpfen involviert gewesen, beispielsweise in Baden-Württemberg, Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und der Steiermark. Hauptsächlich unterstützt Kazemi die Wahlkämpfe mit technischen Werkzeugen wie dem Telefon-Tool "TALKTOO".

Ein Schwerpunkt seiner empirischen Forschung im Bereich der politischen Kommunikation liegt insbesondere in der Beantwortung der Frage, wie die Wahrnehmung von Wählern und das Image von prominenten Persönlichkeiten durch den Einsatz von kommerziellen Marketinginstrumenten beeinflusst oder verändert werden kann.

Das Experiment

Wir wollen wissen: Was raten Kampagnenmanager Parteien oder Kandidaten im Wahlkampf konkret? Um kurz vor der Landtagswahl in Thüringen keine der antretenden Parteien zu begünstigen, entscheiden wir uns, eine fiktive Partei zu erfinden: Die "Ich-Partei". Von Kazemi lassen wir uns bei unserer ebenfalls fiktiven Wahlkampfstrategie beraten.

Hinter den Kulissen

Dr. Reza Kazemi und Markus Hoffmann mit einem Wahlplakat in einer Straßenbahn in Erfurt. Bildrechte: MDR/MEDIEN360G
Dr. Reza Kazemi und Markus Hoffmann im Gespräch vor dem Landtag in Erfurt. Bildrechte: MDR/MEDIEN360G
Dr. Reza Kazemi und Markus Hoffmann bei der Aufzeichnung eines Statements. Bildrechte: MDR/MEDIEN360G
Dr. Reza Kazemi und Markus Hoffmann im Gespräch mit Passanten in Erfurt. Bildrechte: MDR/MEDIEN360G
Dr. Reza Kazemi und Markus Hoffmann im Gespräch auf dem Anger in Erfurt. Bildrechte: MDR/MEDIEN360G

Die Umsetzung

Ausgestattet mit einem Wahlkampfplakat und einem kleinen Parteiprogramm gehen wir in Erfurt auf potentielle "Wähler" zu. Die Erfahrungen sind vielfältig:

  • "Ziehen Sie sich erstmal eine Krawatte an, denn ich bin sehr konservativ."
  • "Ich würde Sie wählen."
  • "Ich fand deinen Hintermann viel interessanter als dich." (Gemeint ist Dr. Kazemi)

Kazemi rät, mit Überzeugung und freundlicher Ausstrahlung auf die Menschen zu zugehen. Das sei die emotionale Seite. Die rationale Seite unterscheide nicht zwischen "One-to-One-Kommunikation" und "One-to-Many-Kommunikation". Oberstes Gebot sei es, strukturiert zu argumentieren: Thema, Problem, Lösung und das in 100 Sekunden.

Eine entsprechende Videobotschaft könne über die sozialen Netzwerke verteilt werden und innerhalb kurzer Zeit deutlich mehr potentielle Wähler erreichen als der persönliche Straßenwahlkampf.

Das Ergebnis

Nach sechs Stunden Crashkurs in politischer Kommunikation und Wahlkampf für eine fiktive Partei bleibt hängen: Kampagnenberater unterscheiden nicht zwischen Online- und Offline-Kommunikation. Scheinbar banale Dinge wie äußerliche Erscheinung und dem Gegenüber das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden, spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Authentizität ist ebenso wichtig wie eine streng strukturierte Argumentation. Dazu kommen die Möglichkeiten, Informationen und Botschaften durch das Internet viral zu verbreiten.

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