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Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssten Erneuerbare Energien dreimal schneller ausgebaut werden als bisher. In Mitteldeutschland stagniert der Ausbau. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg, Fabian Frenzel

Erneuerbare EnergienSo schneidet Ihr Landkreis bei Windkraft und Solarenergie ab

20. Juli 2023, 12:58 Uhr

In Mitteldeutschland boomt Photovoltaik auf Freiflächen. Fast die Hälfte aller mitteldeutschen Landkreise liegt beim Ausbau über dem bundesweiten Durchschnitt. Bei Photovoltaik-Anlagen auf Gebäuden haben Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Nachholbedarf. Windkraft-Spitzenreiter sind weiterhin Sachsen-Anhalts Landkreise. In Jena, Suhl und Weimar steht dagegen noch kein einziges Windrad.

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bauen Erneuerbaren Energien zu langsam aus. In allen drei Ländern wurde 2022 weniger Windkraft ausgebaut als im bundesweiten Schnitt. Im Bereich Solarenergie haben Sachsen-Anhalt und Thüringen in der Vergangenheit überdurchschnittlich viele neue Anlagen installiert. Im vergangenen Jahr hingegen hat das Tempo nachgelassen.

Im Vergleich der mitteldeutschen Bundesländer generiert Sachsen-Anhalt derzeit sowohl bei Windkraft als auch bei Photovoltaik die meiste Leistung. Bei Windkraft ist Sachsen Schlusslicht, bei Photovoltaik auf Freiflächen und Gebäuden liegt Thüringen knapp hinten.

Mehr als die Hälfte des deutschen Stroms aus Erneuerbaren Energien

Erneuerbare Energien decken in Deutschland inzwischen mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs. Im ersten Halbjahr 2023 waren es durchschnittlich 52 Prozent. Das zeigt eine vorläufige Berechnung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft.

Um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen, muss trotzdem noch einiges passieren. Bis 2030 sollen demnach 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Dafür müssen Wind- und Solarenergie rund dreimal schneller ausgebaut werden als bisher. In Mitteldeutschland stockt der Ausbau allerdings.

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Windendergie: Sachsen-Anhalt jahrelang Vorreiter beim Ausbau

Beim Ausbau der Windkraft-Leistung an Land ist Sachsen im Schnitt schon seit 2000 langsamer als der Rest von Deutschland. Im Jahr 2021 ging hier sogar mehr Leistung vom Netz, als gleichzeitig dazugewonnen wurde.

Thüringen schneidet ein wenig besser ab, liegt aber auch, bis auf zwei starke Jahre in 2003 und 2006, unter dem Deutschland-Niveau. Sachsen-Anhalt war jahrelanger Vorreiter in Sachen Windkraft, verliert aber seit 2014 an Tempo.

Solarenergie: Sachsen ist Schlusslicht beim Photovoltaik-Ausbau

Auch beim Photovoltaik-Ausbau ist Sachsen langsamer als die beiden anderen Länder. Das Land hat lange im deutschlandweiten Durchschnittstempo Solarenergie ausgebaut. Seit 2020 fällt Sachsen hinter Deutschland zurück.

In Thüringen stockt der Zubau erst seit 2022. Zuvor lag das Land über dem Bundesschnitt. In Sachsen-Anhalt hat es lange Zeit noch besser ausgesehen: Seit 2010 kam hier deutlich mehr neue Leistung dazu als im Rest von Deutschland. In den vergangenen Jahren geht allerdings auch hier die Zubaurate deutlich zurück.

Warum der Ausbau in Mitteldeutschland stockt: Erklärungsansätze

Der Bau von Windkraftanlagen scheitert in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen derzeit oft an den Genehmigungen und den langen Verzögerungen im Bau von Anlagen.

Dafür, dass die drei Länder im Ausbau von Photovoltaik hinterherhinken, gibt es unterschiedliche mögliche Ursachen: zu viel Bürokratie beim Netzanschluss, hoher Stellenwert von Denkmalschutz, Landesbauordnungen und Sanierungssatzungen, zu viele Auflagen und Verzögerungen, die Projekte unwirtschaftlich machen, zu wenig Verantwortung bei den Kommunen.

Über die Daten

Wir betrachten in unserer Analyse nur die Energieträger Wind an Land und Photovoltaik, da diese zusammen rund 75 Prozent der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ausmachen. Die Daten sind aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, in dem alle Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen registriert sind.

Die jährlich zugebaute Leistung ergibt sich aus der Differenz zwischen neu installierten Anlagen und stillgelegten Anlagen. Für Windkraft wurde die Einheit Leistung pro Quadratkilometer verwendet, da bei Windkraftanlagen vor allem die verfügbare Fläche eine Rolle spielt. Bei Photovoltaik wurde die Leistung pro hundert Einwohner berechnet. Photovoltaik-Anlagen werden zum Großteil auf Gebäuden installiert. Daraus ergibt sich ein Vorteil für Großstädte und dicht besiedelte Gegenden, weshalb hier die Einwohnerzahl berücksichtigt wird.

So schneidet Ihr Landkreis beim Ausbau von Windkraft und Photovoltaik ab

Obwohl der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stockt, schneiden einige mitteldeutsche Landkreise im bundesweiten Vergleich ziemlich gut ab. Andere müssen deutlich mehr Leistung installieren, um aufzuschließen.

Die folgende Karte zeigt, wie Ihr Landkreis jeweils für Windräder an Land, Photovoltaik auf Freiflächen oder auf Gebäuden im deutschlandweiten Vergleich abschneidet. Der Platz, den jeder Landkreis für solche Anlagen hat, wurde dabei berücksichtigt.

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Photovoltaik auf Freiflächen: überwiegend top

Die mitteldeutschen Landkreise fallen vor allem bei der installierten Photovoltaik-Leistung auf Freiflächen auf. Hier liegt fast die Hälfte aller 49 Landkreise in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen über dem bundesweiten Durchschnitt, darunter neun Landkreise in Sachsen-Anhalt, sechs in Sachsen und acht in Thüringen.

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Landkreise in Sachsen-Anhalt bei Windenergie vorn

Bei der Windkraft an Land liegen Sachsen-Anhalts Landkreise im mitteldeutschen Vergleich deutlich vorne. Acht davon liegen über dem durchschnittlichen gesamtdeutschen Ausbau. Thüringen folgt mit vier Landkreisen über dem bundesweiten Durchschnitt.

In Sachsen schafft es kein Landkreis über die Marke. Der sächsische Landkreis mit der meisten installierten Windkraft-Leistung pro Quadratmeter Freifläche ist Görlitz.

Nur wenig Solaranlagen auf Gebäuden

Der Großteil der mitteldeutschen Landkreise haben im Vergleich wenig Solaranlagen auf Gebäuden installiert. Nur sieben Landkreise haben mehr Leistung pro Quadratmeter Siedlungsfläche als der deutsche Durchschnittswert.

Suhl, Dresden und Jena produzieren besonders wenig Solarenergie durch Anlagen auf Gebäuden.

Über die Daten

Für die Zuordnung zu den Landkreisen wurde der im Marktstammdatenregister angegebene Kreisschlüssel verwendet.

Für die Kategorie Photovoltaik auf Bauten wurde die Leistung pro Quadratkilometer Siedlungsfläche berechnet, die Kategorie Photovoltaik auf Freiflächen und Windkraft an Land nutzen die Leistung pro Quadratkilometer Freifläche. Die Freifläche entspricht der Differenz aus der Gesamtfläche und der Fläche für Siedlungen, Verkehr, Gewässer und Wald.

Würde man nur die tatsächlich installierte Leistung betrachten, würden bei Photovoltaik auf Bauten vor allem dicht besiedelte Großstädte punkten und bei Windkraft und Photovoltaik auf Freiflächen Landkreise mit viel unbebauter Fläche.

Unterschiedliches Potential für Wind- und Solarenergie

Naturschutz, steile Hänge, Abstand zu Wohngebieten: Wie geeignet bestimmte Landkreise für Windkraft und Solarenergie sind, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab.

Für den "Photovoltaik- und Windflächenrechner" hat das Reiner Lemoine Institut Ausschlussgebiete bestimmt – also Flächen, die sich aus rechtlichen oder physikalischen Gründen nicht für Windkraft- und Photovoltaikanlagen eignen. Zieht man dieses Gebiet von der Gesamtfläche ab, bleibt die sogenannte Potenzialfläche.

Viel Potenzialfläche für Windräder in Sachsen-Anhalt

Im Salzlandkreis, im Landkreis Börde, in Stendal und in anderen Landkreisen Sachsen-Anhalts, die in Mitteldeutschland bei Windkraft am besten abschneiden, gibt es viel Potenzialfläche für Windkraftanlagen. Das gilt auch für einige Kreise in Thüringen, wie Gotha, Sömmerda und den Unstrut-Hainich-Kreis.

Im Südwesten von Thüringen, im Thüringer Wald, sind die Voraussetzungen für Windkraftanlagen schlechter. Ein großer Teil von Schmalkladen-Meiningen besteht aus Wald und Landschaftsschutzgebieten. In Sonneberg kommen steile Hänge dazu. In Sachsen bedingt sich die geringe Anzahl der Windpotenzialflächen vor allem durch die dichtere Besiedlung. Zuätzlich gibt es in Sachen größere Waldflächen, Landschafts- und Naturschutzgebiete und Hangneigung in der Sächsischen Schweiz und im Erzbegirge.

Wegen regionaler Gegebenheiten Ausbauziele nur auf Bundes- und Landesebene

Photovoltaikanlagen auf Freiflächen werden durch ähnliche Faktoren eingeschränkt. Das Reiner Lemoine Institut weist außerdem nur die Gebiete als geeignet aus, in denen das Erneuerbare-Energien-Gesetz Photovoltaikanlagen fördert. Das sind unter anderem landwirtschaftlich weniger geeignete Flächen und Gebiete entlang von Autobahnen und Schienen. Laut dem Photovoltaikrechner haben die thüringischen Landkreise Greiz und Saale-Orla-Kreis besonders viel Potenzial.

Die sehr unterschiedlichen regionalen und lokalen Gegebenheiten sind der Grund, warum Ausbauziele für Solarenergie bislang nur auf Bundesebene und bei Windkraft nur auf Landesebene definiert sind.

Erneuerbare Energien müssten dreimal schneller ausgebaut werden

Laut der Photovoltaik-Strategie der Bundesregierung sollen im Jahr 2030 rund 215 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert sein. Aktuell sind es rund 73 Gigawatt. Deshalb soll die Geschwindigkeit bis 2030 auf 22 Gigawatt pro Jahr steigen. Im Jahr 2022 wurden nur sieben Gigawatt zugebaut.

Wie viel Leistung die einzelnen Bundesländer und Landkreise jeweils beitragen müssen, ist nicht genauer festgelegt.

Mehr Flächen für Windräder

Bei Windkraft an Land sollen 2030 zehn Gigawatt pro Jahr dazukommen, rund viermal mehr als im Jahr 2022. Insgesamt soll dann bundesweit eine Leistung von 115 Gigawatt installiert sein. Aktuell steht Deutschland bei 59 Gigawatt.

Das "Wind-an-Land-Gesetz" legt fest, wie viel der Fläche eines Bundeslandes für Windräder ausgewiesen werden muss. In Thüringen und Sachsen-Anhalt sind das 1,8 Prozent bis 2027 und 2,2 Prozent bis 2032: Das sind deutschlandweit die höchsten Werte. In Sachsen sollen Windkraftanlagen erst auf 1,3 Prozent und später zwei Prozent der Landesfläche stehen können. Wie die Fläche konkret auf die Regionen verteilt wird, sollen die Länder bis Mai 2024 festlegen.

Rechtliche Vorgaben für Ausbau Erneuerbarer Energie werden angepasst

Laut der Denkfabrik Agora Energiewende, die den Photovoltaik- und Windflächenrechner mitbetreibt, gebe es in Deutschland genug Flächenpotenzial für Erneuerbare Energien, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Die Fläche könnte laut der Lobby-Organisation sogar noch größer sein: Dafür müssten aber zusätzlich Wald und Landschaftsschutzgebiete bebaut werden oder der vorgeschriebene Abstand zu Siedlungen kleiner sein.

In Sachsen wolle das Umweltministerium bei der Genehmigung von Windkraftanlagen nachhelfen, sagt ein Sprecher MDR Wissen. Unter bestimmten Bedingungen sollen in Zukunft auch Waldflächen für Windkraft genutzt werden. Planungsstellen sollen zudem mehr Personal und mehr Geld bekommen und den Kommunen soll mehr Verantwortung übertragen werden.

Bundesweite Regeln sollen außerdem den Ausbau von Photovoltaik beschleunigen. Der Bund will dafür Solaranlagen über Parkplätzen, auf Seen, Moorböden und Landwirtschaftsflächen fördern. Bei Photovoltaikanlagen auf Gebäuden soll es unter anderem Erleichterungen für Mieter und Wohnungseigentümer geben.

In einer früheren Version des Artikels waren die Angaben zur Leistung von Windkraftanlagen in Halle (Saale) und Saalekreis falsch und wurden korrigiert. Der Stadt Halle (Saale) werden im Marktstammdatenregister 25 Windkraftanlagen zugeordnet, die eigentlich in der Gemeinde Salzatal im Saalekreis stehen. Die Daten aus dem Marktstammdatenregsiter werden derzeit so gut wie möglich geprüft. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in anderen Fällen Anlagen den falschen Landkreisen zugeordnet werden.

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MDR (Katharina Forstmair)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | 20. Juli 2023 | 19:00 Uhr

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