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Bei der Amadeu-Antonio-Stiftung gehen zahlreiche Meldungen von Angriffe und Anfeindungen gegenüber Frauen ein. Bildrechte: IMAGO/IPON

Amadeu-Antonio-StiftungAntifeminismus-Meldestelle: Viele Angriffe und Anfeindungen gemeldet

28. Juli 2023, 05:00 Uhr

Seit Anfang des Jahres arbeitet die Antifeminismus-Meldestelle der Amadeu-Antonio-Stiftung. Hier können sexistische, frauenfeindliche und queerfeindliche Drohungen und Anfeindungen gemeldet werden. Vor dem Start hagelte es heftige Kritik. Von einem "Petz-Portal" und einer "Kultur des Anschwärzens" war da die Rede. Einige Kritiker waren sich sicher: Ein solches Portal brauche es nicht. Doch allein in den ersten vier Wochen hat die Meldestelle rund 700 Einträge bekommen.

Was genau in den Meldungen steht, will Judith Rahner nicht wiederholen. Sie ist die Initiatorin der Meldestelle Antifeminismus bei der Amadeu-Antonio-Stiftung: "Das können Sie sich nicht vorstellen, was Menschen Gleichstellungsbeauftragten online zukommen lassen. Da gibt es Bedrohungen per Email oder auch per Post an Mitarbeiterinnen von Frauenberatungsstellen, die sich eben ganz offenkundig um Frauenthemen kümmern, die werden bedroht. Es gab Frauen, die sich für geschlechtergerechte Sprache einsetzen, die sehr herabwürdigende Beleidigungen bekommen – per Email, teilweise mehrmals die Woche. Wir hatten eine Kita dabei, die von außen beschmiert wurde, weil sie ganz offensichtlich für queere Familien offen steht."

Angriffe und Anfeindungen sichtbar machen

Im Februar, vier Wochen nach dem Start der Meldestelle, waren es 700 Meldungen. Mittlerweile sind es so viele, dass es dem kleinen Team aus drei Leuten nicht möglich ist, sie überhaupt zu zählen, sagt Rahner weiter. Jede Meldung wird überprüft und kategorisiert, außerdem kann auch um eine Beratung gebeten werden. Ziel ist es, Angriffe und Anfeindungen sichtbar zu machen und zu zeigen, dass es durchaus gefährlich sein kann, sich in der Öffentlichkeit zum Beispiel für Gleichstellung, für Feminismus oder für geschlechtergerechte Sprache einzusetzen.

Viele Anfeindungen wegen geschlechtergerechter Sprache

Dabei kommen die Meldungen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, schildert Rahner: Von Schule über irgendwelche Verwaltungen, bis hin zu Journalistinnen und Gleichstellungsbeauftragten. "Wir haben sehr junge Frauen dabei und Mädchen – eben aus dem Schulkontext. Wir haben aber auch Briefe von älteren Damen bekommen, die gar nicht so internetaffin sind, die uns Post geschickt haben. Also die Fälle sind teilweise sehr aktuell – auch mit dem, was gerade medial so besprochen wird – oder liegen schon ein paar Jahre zurück, das ist alles querbeet."

Dabei sind vor allem Themen, die gerade eine große Aufmerksamkeit erfahren, oft Inhalt der Meldungen. Das Thema gendergerechte Sprache ist beispielsweise ein Dauerbrenner im Eingang der Meldestelle. Aber auch die Vorwürfe gegen den Sänger von Rammstein, Til Lindemann, sind Thema: "Wir bekommen vor allem gerade Meldungen rein, wo es darum geht, dass Frauen, die Betroffenen oder mutmaßlich Betroffenen öffentlich beispringen, dann von Rammstein-Fans oder von irgendwelchen anderen Leuten wirklich ganz schlimm beleidigt werden im Internet. Das geht bis hin zu irgendwelchen Morddrohungen – man müsste die nur mal finden und so weiter. Das ist schon eine ziemlich bedrohliche Lage und in diesem Kontext haben wir tatsächlich auch Meldungen bekommen."

Was ist Antifeminismus?

Dabei ist Antifeminismus nicht nur Frauenfeindlichkeit, erklärt die Wissenschaftlerin Fiona Kalkstein. Sie ist die stellvertretende Direktorin des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts, das sich in seiner Forschungsarbeit mit dem Zustand der Demokratie befasst und die Leipziger Autoritarismus Studie mit über 2.500 Befragten veröffentlicht. "Antifeminismus wurde oder wird gängigerweise definiert als eine organisierte Form oder politische Bewegung gegen feministische und emanzipatorische Bestrebungen oder bereits erfolgte Errungenschaften, wie zum Beispiel die Möglichkeit abzutreiben."

In ihrer Studie hat sie auch nach der Zustimmung zu antifeministischen Aussagen gefragt, erläutert Kalkstein: "Ich kann Ihnen jetzt mal zwei Beispiele geben. Zum einen: Frauen übertreiben ihre Schilderungen über sexualisierte Gewalt häufig, um Vorteile aus der Situation zu schlagen. Oder: Frauen, die in ihren Forderungen zu weit gehen, müssen sich nicht wundern, wenn sie wieder in ihre Schranken gewiesen werden." Der Zustimmungswert zu diesen Aussagen ist hoch, erklärt Kalkstein – und er steigt: "2020 lag er noch bei 19 Prozentpunkten, also die Zustimmungswerte zum Antifeminismus, antifeministischen Aussagen. Das heißt jeder fünfte in etwa. Und 2022 lag er bereits bei 25 Prozent. Das heißt, jede vierte Person hat relativ hohe Zustimmungswerte. Also so hoch, dass wir von einem geschlossen antifeministischen Weltbild sprechen."

Die hohen Zustimmungswerte zu diesen Aussagen könnten eine Erklärung für die unzähligen Meldungen sein, die seit dem Start der Meldestelle für Antifeminismus bei Rahner und ihrem Team eingegangen sind.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 28. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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